Fürstenfeldbruck:Gesamtkunstwerk

Bruck: Ausstellung Kulturwerkstatt Haus10 - 7 x Neu = 10

In Reih und Glied: Friedo Niepmanns Arbeit "Kastenpeople" nimmt Bezug auf die Überbevölkerung des Planeten.

(Foto: Johannes Simon)

Die sieben Neuzugänge der Künstlervereinigung Fürstenfeldbruck stellen sich und ihre Arbeiten in der Kulturwerkstatt Haus 10 vor - und schaffen eine eindringliche, provozierende, aufrüttelnde Schau

Von Johannes Simon, Fürstenfeldbruck

Die sieben Schwaben, die sieben Zwerge, die Raben - nun also sieben Künstler, respektive Künstlerinnen, die in der Kulturwerkstatt Haus 10 ihre Arbeiten ausstellen. Nicht dem Hasen Furcht einflössen, sondern vielmehr dem Betrachter zeigen wollen, dass Kunst eigenen Gesetzen gehorcht - das wollen Claudia Hassel, Daniel Huss, Katrin Kratzenberg, Katja von Lübtow, Barbara Mechler, Friedo Niepmann und Constanze Reithmayr-Stark, die im letzten Jahr in die Künstlervereinigung aufgenommen worden sind. Und das ist immer noch eine Ehre, die nicht jedem Aspiranten zu Teil wird.

Ein eindrucksvolles, um nicht zu sagen verstörendes Entree gelingt im Eingangsbereich der Kulturwerkstatt der Maler-Philosophin Barbara Mechler, die mit einem überlebensgroßen, am Boden stehenden Triptychon den Betrachter provoziert, Fragen aufwirft, beunruhigt. Was Mechler da gelingt, kann fast als kleine Sensation angesehen werden. Das Fell eines toten Esels verbirgt sich hinter der als Hinterglasmalerei angelegten Darstellung eines Massen-Sprints. Ein Esel, der sich, warum auch immer, zwischen die Läufer gemischt hat. Die Teilnehmer des Massensprints, im Moment der äußersten Anspannung eingefroren, erweisen sich beim zweiten Blick als Klone einer einzigen Person, der Künstlerin selbst. Die Komplexität dieser Bildfindung lässt sich mit wenigen Worten nur schwer beschreiben, zumal Mechler in der Wahl ihrer Mittel ziemlich singulär dastehen dürfte.

Auf seine Art singulär sind die intensiven, inhaltlich stark aufgeladenen Arbeiten des Bildhauers Friedo Niepmann. In Wuppertal geboren, zeitweise in der Künstlerkommune des Wiener Aktionisten Otto Mühl wohnend, lebt Niepmann seit 1993 in Olching. "Skulpturale Kunsthandlungen" nennt Niepmann seine Tätigkeit. Klingt rätselhaft, leicht verschroben. Leuchtet aber ein mit Blick auf die ausgestellten Werke. So setzt Reiterinstandbild II einen starken Akzent im Gesamtgefüge der Ausstellung. Der Machtanspruch, das Pathos herkömmlicher Reiterdenkmäler wird hier bewusst konterkariert. Zart, geradezu poetisch fügen sich einzelne Hölzer zu einem fragilen Geflecht, das mehr der Geist als die Physis eines realen Pferdes zu sein scheint. Mehr als nur Randnotizen zu aktuellen politischen Entwicklungen sind auch die Bildkästen Niepmanns, die an mittelalterliche Hausaltäre, aber auch an lateinamerikanische Volkskunst erinnern. Hervorgehoben sei die Arbeit "Kastenpeople", ein skulpturales Wimmelbild, beim dem sich die Assoziation zur Flüchtlingskrise fast schon flashartig einstellt. Dabei ist es doch nur die Überbevölkerung des Planeten Erde, die Niepmann in Szene setzt.

Als großer Gewinn für die Künstlervereinigung ist sicherlich der junge Bildhauer Daniel Huss anzusehen. Als Förderpreisträger der 17. Kunstausstellung des Landkreises, aber auch durch zahlreiche Ausstellungen und Ankäufe, etwa an der Akademie der Bildenden Künste, in der U-Bahn-Galerie München, im Weltkunstzimmer Düsseldorf hat er bereits auf sich aufmerksam gemacht. Hier ist er lediglich durch zwei kleine, aber ungemein qualitätvolle Skulpturen vertreten. Geformter Kunststoff, wie geschmolzenes Wachs, Gedanken an die zerfließenden Wachsköpfe des impressionistischen Bildhauers Medardo Rosso wie an die Straßenbahnhaltestelle von Joseph Beuys gleichermaßen. Vereinzelte Referenzpunkte nur - in seiner Kunst freilich bleibt Huss ganz autark, ganz eigen, ganz zukunftsgerichtet. Huss, das zeigen seine Arbeiten jetzt schon, hat das Potenzial über den Landkreis hinaus, vielleicht sogar weit hinaus zu wachsen.

Gerade in der Gegenüberstellung interessant ist die Präsentation der in Grafrath lebenden Malerin Claudia Hassel und der in München lebenden Malerin und Grafikerin Katrin Kratzenberg. Zwei Künstlerinnen, deren Werke sich oberflächlich gesehen zu ähneln scheinen, nicht zuletzt deswegen, weil sich beide der Abstraktion von Landschaft verschrieben haben.

Claudia Hassels ungemein farbenfrohe, mit großzügigem, dynamischen Pinselduktus flüssig aufgetragene Bilder verweisen zunächst mit großer Deutlichkeit auf ihren Akademie-Lehrer Jerry Zeniuk: "Farbe ist der direkte Weg zum Herzen" - diesen Grundsatz macht sich Hassel zu eigen. Farbfläche mehr als Linie, malerisch mehr als zeichnerisch, vital mehr als asketisch. Was oberflächlich gesehen leicht, sinnenfroh und plakativ erscheinen mag, erweist sich bei genauerer Betrachtung als die Kunst der präzisen Nuancierung. Exakt zueinander gesetzte Farbtöne - eine warmes gegen ein kaltes, zitroniges Gelb, eine grau lasierte Fläche gegen volles, deckendes Karmesinrot etwa - erzeugen Raumsituationen. Das farbige All-Over ist so geschickt komponiert, dass Landschaft mehr gefühlt als gesehen, aber auf alle Fälle wahrgenommen werden kann.

Die Arbeiten der Malerin, Grafikerin und gelernten Architektin Katrin Kratzenberger erscheinen in der Gegenüberstellung vergleichsweise spröde. Nicht abwertend zu verstehen ist dieses "spröde", sondern als Wort, das eine ganz bestimmte, möglicherweise zweifelnde Haltung zur Welt beschreibt. Vor allem in den beiden fahl-farbigen Leinwandbildern dominiert die Horizontlinie, die einerseits den Betrachter kühl auf Distanz hält, andererseits als Ordnungskraft Welterfahrung in einem abstrakten Sinne umschreibt. Die Künstlerin antwortet in ihren Bildern der Lautheit der Welt, sie hält die Stille fest, die sie als Wert begreift. Hervorgehoben sei ihre besonders schöne Holzschnittreihe "Die ersten sieben Tage". In Form einer Bilderzählung ohne Geschichte bildet die Serie die Schöpfungsgeschichte des Alten Testamentes ab und kommt dabei erfreulicherweise ganz ohne religiöses Pathos aus.

Einen ganz eigenen Platz in der Ausstellung nehmen die Bilder der in Gröbenzell lebenden Malerin Constanze Reithmayr-Stark ein. Gekennzeichnet durch einen starken Willen zur Stilisierung zeigt sich hier eine konsequente Anwendung formaler Gestaltungsprinzipien. Immer sind es klar umrissene, wenn auch weitgehend ungegenständliche Formen, die bei ihren Bildern im Vordergrund stehen, immer ist es der Wechsel zwischen opaker Farbfläche und zart geschummerter Zeichnung, die einen spannungsvollen Reiz erzeugen.

Die Assoziation an moderne Kinderbuch-Illustration ist dabei nicht zufällig, ist es doch ein Grundanliegen der Künstlerin gleichsam Geschichten zu erzählen. Dabei entstehen die Geschichten im Kopf des Betrachters, Geschichten ohne Anfang und Ende, Ur-Erzählungen, Erinnerungsfetzen. Mit der Platzierung im letzten Raum der Kulturwerkstatt setzen diese Bilder einen poetischen Schluss-Akkord in einer insgesamt sehr sehenswerten und abwechslungsreichen Ausstellung.

Die Ausstellung 7 X NEU = 10 wird am Freitag, 27. November, um 19.30 Uhreröffnet. Zu sehen ist sie bis 13. Dezember in der Kulturwerkstatt Haus 10 zu sehen. Geöffnet ist sie am Freitag von 16 bis 18 Uhr und Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr.

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