Fürstenfeldbruck:Gemeinsam gegen die Lebensmittel-Überproduktion

DemokraTisch in Bruck

Was tun gegen die Lebensmittelverschwendung? Darüber diskutieren (im Uhrzeigersinn) aus verschiedenen Perspektiven Veranstalter und Kameramann Harald Buwert (gestreiftes Hemd), Franzi, Lidija und Richard Bartels,, Ingrid Jaschke, Alfred Pichler, Rudolf Ende, Ingrid Ammon und Caro.

(Foto: Günther Reger)

Bei einer Diskussion der Brucker Brücke mit Vertretern vom Biolandwirt bis zum Bund Naturschutz geht es um Verschwendung, falsche Förderpolitik und die Macht, die der Verbraucher hat. Doch Konsumenten sind sich ihres Einflusses oft gar nicht bewusst

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Frankreich hat eines, Italien auch. Und in einem Teil von Belgien, in Wallonien, gilt schon seit vier Jahren ein Gesetz, das großen Supermärkten das Wegwerfen noch genießbarer Lebensmittel verbietet. Ob ein solches Gesetz in Deutschland helfen würde, die große Menge an Nahrungsmitteln zu verringern, die auf dem Müll landet? Oder greift der Ansatz zu spät in den Kreislauf der Lebensmittelproduktion, um etwas zu ändern? Und wie viel Macht hat der einzelne Konsument, wenn er konsequent nur noch regional produziertes Essen kaufen würde? Derartige Fragen sind bei der Diskussion am Freitag viele gestellt worden, aus unterschiedlichsten Blickwinkeln. Denn die Brucker Brücke als Veranstalter hatte sehr unterschiedliche Teilnehmer geladen.

In Bruck traf das Ehepaar Brigitte Göddert-Hecker und Josef Hecker, Biolandwirte aus Olching, auf Ingrid Jaschke als Vertreterin des Bundes Naturschutz. Des Weiteren waren Alfred Pichler von der Brucker Brücke als Vertreter der Verbrauchersicht, Lidija Bartels aus dem Tafel-Leitungsteam mit ihrem Mann Richard Bartels, der die Organisation Slow Food im Landkreis und im Fünf-Seen-Land vertritt, sowie die Aktivistin und Asylhelferin Inge Ammon. Caro und Franzi, die Studentinnen aus Olching, die im Sommer erwischt worden sind, als sie genießbare Nahrungsmittel aus dem Abfallcontainer eines Supermarktes geholt haben, durften freilich nicht fehlen. Schließlich ist es ihrer Haltung und ihrem Handeln geschuldet, dass das Thema Lebensmittelverschwendung seit einigen Wochen im Landkreis auf ein breites öffentliches Interesses stößt: Die jungen Frauen akzeptieren auch die bereits abgemilderten Strafe von Staatsanwaltschaft und Gericht nicht, wollen es zu einem Prozess kommen lassen. Da der Prozess bereits zum dritten Mal verschoben wurde, geht das Thema immer wieder durch die Medien, die meisten Leute auf der Straße sind auf Seite der Studentinnen, die ihre Nachnamen in dem Zusammenhang nicht nennen wollen.

Caro berichtet der Runde von dem positiven Feedback für ihr Anliegen - sie wollen statt einer Verurteilung wegen Diebstahls einen Freispruch und zudem erwirken, dass Containern nicht mehr bestraft wird. "Es besteht ein großes Interesse, das zu ändern", ist ihre Erfahrung der letzten Wochen. Inge Ammon lobt den "zivilen Ungehorsam". Auf die Sitzblockaden in den Achtzigerjahren verweisend, als die Bürgerschaft gegen Atomwaffen protestierte, bekräftigt sie, dass bisweilen härtere Mittel notwendig seien, um etwas zu verändern.

Einig sind sich die Anwesenden, dass die derzeit kursierenden Zahlen - zum Beispiel zwölf bis 18 Millionen Tonnen Lebensmittel, die hierzulande jährlich im Müll landen - nicht verlässlich sind. Und dass sicher nicht der Endverbraucher das Hauptproblem ist, wie manche Stellen behaupten würden. "Die großen Probleme entstehen, bevor die Lebensmittel beim Verbraucher im Kühlschrank landen", ist Richard Bartels sicher. Der Slow-Food-Sprecher spielt auf geplante Überproduktion und Lebensmittelexporte nach Afrika an, wo die heimische Landwirtschaft mithilfe von EU-Subventionen vernichtet werde. "Da ist die Politik mitaufgefordert, das zu ändern", Ansätze dafür sehe er aber leider keine.

Auch Josef Hecker, der sich nicht ohne Stolz "Fördergeld-Verweigerer" nennt, hält es für notwendig, an politischen Stellschrauben zu drehen. "Die Förderpolitik, so wie sie jetzt ist, führt zu immer größeren Betrieben", da die Größe über die Zuschussmenge entscheide. Und sie habe schon immer zu Überproduktion geführt. Wie Hecker berichtet, würde er als kleiner Biobetrieb etwa 1800 Euro Fördermittel bekommen - in einem Jahr und mit viel bürokratischem Aufwand. "Die Agrarpolitik ist der älteste Teil der EU-Politik", und obendrein dazu der finanzstärkste, bestätigt Rudolf Ende, der die Diskussion moderiert. Dass sich in diesem Bereich bald etwas ändern könnte, glaubt offenbar niemand in der Runde. Und es befürchtet auch keiner, dass die Tafel keine Lebensmittel mehr bekommt, wenn die Supermärkte nichts mehr wegwerfen dürften.

Bei den Verbrauchern sehen die Anwesenden einfachere Einflussmöglichkeiten. "Ich glaube, die meisten Menschen sind sich gar nicht bewusst, was für eine Macht sie hätten", berichtet Göddert-Hecker vom heimischen Betrieb, wie das Kundenverhalten die eigene Produktion beeinflusst. Und Lidija Bartels erlebt es in der Tafel auf ihre Weise: "Es funktioniert schon das Prinzip, lasst es stehen." Immer wieder bekommen sie für die Tafel neue Lebensmittel, die beim Kunden nicht ankamen und in den Regalen blieben. Ein zweites Mal tauchen sie nicht mehr bei ihr auf, sie werden schlicht nicht mehr produziert, betont sie. Inge Ammon regt an, all die komplizierten Zusammenhänge leicht verständlich grafisch umzusetzen und sie unter das Volk zu bringen. Da seien nun Kirchen sowie andere Organisationen gefragt, die Menschen aufzuklären und zu motivieren.

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