Flüchtlinge im Landkreis:Gelungene Aufnahme

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Das wichtigste Dokument eines Asylbewerbers in Deutschland ist die Aufenthaltserlaubnis, die so lange gilt wie das Asylverfahren dauert. (Foto: Johannes Simon)

Mehr als 3000 Flüchtlinge leben im Landkreis, ohne dass es zu größeren Verwerfungen und Konflikten kommt. Dass dies so ist, wird vor allem den Asylhelfern zugeschrieben, die sich fast unermüdlich um ihre Schützlinge kümmern

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Derzeit leben etwa 3100 Flüchtlinge im Landkreis, die meisten in der Erstaufnahmeeinrichtung im Brucker Fliegerhorst. Fürstenfeldbruck hat damit seine Quote überfüllt. Die Zahl ist stabil. Seit April kamen keine weiteren Flüchtlinge mehr dazu. Zu Hochzeiten trafen 78 Menschen jede Woche ein. Was die Integration betrifft, bleibt Landrat Thomas Karmasin (CSU) sehr skeptisch. Es fehle an Wohnungen und die meisten hätten keine qualifizierte Ausbildung, sagt er.

In den Gebäuden auf dem ehemaligen Fliegerhorst leben über 1000 Menschen in einer Erstaufnahmeeinrichtung, die von der Regierung direkt verwaltet wird. Das Landratsamt selbst ist für über 2000 Flüchtlinge zuständig, die in über 100 Unterkünften verschiedenster Größe untergebracht sind. Das Spektrum reicht von kleinen Wohnungen bis zu größeren Containeranlagen wie in Eichenau.

Etwa 120 unbegleitete Minderjährige sind extra untergebracht und werden von der Jugendhilfe betreut. Der Asylkoordinator Andreas Buchner lobt die Ehrenamtlichen, mit denen man eng zusammen arbeite. In den Unterkünften selbst sind Objektbetreuer im Einsatz, für deren Bezahlung der Landkreis einen "Kümmererpauschale" vom Freistaat bekommt.

Buchner sagt, dass es bislang zu keinen Anschlägen oder Übergriffen auf Unterkünfte gekommen sei. Abgesehen von dem Brandanschlag in Germering Anfang Januar 2014, den die Polizei nicht aufgeklärt hat. Es habe auch keine Brände in den Heimen gegeben und Körperverletzungen unter den Flüchtlingen seien ihm schon länger nicht mehr gemeldet worden, berichtet Buchner. Ein Problem sei mitunter die Hygiene, die in Küchen und Bädern zu wünschen übrig lasse. Zwar würden überall Putzpläne aufgestellt, aber manche würden sich nicht daran halten.

Die meisten Flüchtlingen stammen aus Syrien, Irak und Eritrea, dazu kommen viele Afghanen und einige Senegalesen. Soweit der Kreisbehörde bekannt, ist keiner dieser Westafrikaner als Ministrant tätig, aber einer soll in Moorenweis Fußball spielen. Etwa 600 Flüchtlinge sind bisher anerkannt, im Landratsamt rechnet man damit, dass es am Ende bis zu 1100 Personen sein werden. Nur etwa ein bis zwei Prozent von ihnen erhalten den Asylstatus. Denn seit der Einschränkung des Grundrechts auf Asyl von 1993 sind schon alle ausgeschlossen, die aus einem sicheren Drittstaat einreisen. Etwa die Hälfte erhält den Flüchtlingsstatus nach der Genfer Konvention. Sie gelten als persönlich verfolgt und dürfen vorerst drei Jahre bleiben. Alle übrigen gelten als nicht persönlich verfolgt, viele stammen aus Bürgerkriegsländern und bekommen einen subsidiären Schutz, der ein Jahr gilt. Fast alle anerkannten Flüchtlinge haben Integrationskurse absolviert, von den übrigen besuchen bis zu 50 eine Berufsintegrationsklasse.

"Wir haben ja noch gar nicht richtig angefangen", sagte Landrat Karmasin auf die Frage, ob er dem berühmten Satz von Kanzlerin Angela Merkel, "Wir schaffen das", zustimme. Karmasin präsentierte in der Enquête-Kommission des bayerischen Landtags am Mittwoch dazu einige Zahlen. Er stützt sich auf Angaben des Brucker Jobcenters, wonach nur vier Prozent von 620 anerkannten Flüchtlingen eine akademische Ausbildung haben. Nur zwei von ihnen wären als Facharbeiter geeignet.

Düster schätzt der Landrat die Lage auf dem Wohnungsmarkt ein. Inklusive Familiennachzug rechnet er mit 6000 Menschen, die etwa 1500 Wohnungen brauchen. Die Kommunen im Raum München würden diese Immobilien nicht schaffen. Mittel- bis langfristig würden die Flüchtlinge in den Notunterkünften bleiben müssen. Sollte doch in den Wohnungsbau investieren, müsse gewährleistet sein, dass die Gebäude auch genutzt werden. Deshalb möchte Karmasin die Wohnsitzauflage anwenden, die aufgrund des Integrationsgesetzes seit 1. September gilt. Sie hebt das Grundrecht auf Freizügigkeit und freie Wahl des Wohnsitzes für anerkannte Flüchtlinge auf.

Der Puchheimer Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) ist optimistisch. Die Aufnahme der Flüchtlingen sei ohne große Verwerfungen gelungen, weil alle gut zusammengearbeitet haben, auch das Landratsamt, wie Seidl betont. Die größte Unterkunft befindet sich in seiner Stadt, im Gewerbegebiet Nord, wo über 160 Menschen leben. Das Zusammenleben in dem großen Haus an der Siemensstraße funktioniere, vor allem dank des großen Einsatzes der Asylhelfer.

Die zweite Phase der Integration sei auch zu bewältigen. "Das bedeutet jede Menge Arbeit, und es wird auch Enttäuschungen geben", schätzt Seidl. Die Zahl von 6000 Menschen hält er für übertrieben. Damit würde bloß eine "Katastrophenstimmung" geschürt. Was die Wohnungsnot betrifft, die Flüchtlinge wie Einheimische gleichermaßen trifft, so hat die Stadt eine Gesellschaft gegründet, die günstige Wohnungen anbieten soll. Nächstes Jahre soll im Altdorf von Puchheim ein Gebäude mit einfachen Wohnungen für 40 Menschen gebaut werden.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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