Fürstenfeldbruck:Gedenkort stark verändert

Bei Umbauten verliert der Alte Tower im Fliegerhorst nach dem Olympia-Attentat seine markanten Merkmale. Der Zustand des Jahres 1972 wäre wichtig, er lässt sich aber nicht mehr rekonstruieren. Das ergibt ein Symposium

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Das Bild mit den beiden ausgebrannten Hubschraubern vor dem Tower ging um die Welt. In der Nacht zum 6. September 1972 war die Geiselnahme bei den Olympischen Spielen in München auf dem Fliegerhorst von Fürstenfeldbruck blutig zu Ende gegangen. 43 Jahre später hat der Tatort aufgrund von erheblichen Veränderungen und Umbauten seine historisch-ikonografische Qualität verloren. Das ist eines der Ergebnisse eines Symposiums des Landratsamtes, dessen Teilnehmer am Freitag den Fragen nachgingen, wie der Opfer des Anschlags würdig zu gedenken und einen Ort der Erinnerung und des Lernens zu schaffen ist.

Was inzwischen fehlt, verdeutlichte der Architekt Ferdinand Krissmayr als Verfasser eines Gebäudegutachten für den Alten Tower den Zuhörern im Offizierheim im Fliegerhorst anhand von Fotos. Die Stahl- und Glaskonstruktion auf dem Dach, in der sich die Flugleiteinrichtungen befanden, und die für einen Tower so typisch ist, wurde abmontiert. Stattdessen bekam das zweistöckige Gebäude ein Pultdach, auch die Fenster tauschte man aus. Ebenfalls verschwunden ist der Schriftzug Fürstenfeldbruck. Von außen sieht das unter Denkmalschutz stehende Haus nun wie ein beliebiger Zweckbau aus. Nichts verweist auf jenen Tower des Attentats. "Der Zustand von 1972 wäre von zentraler Bedeutung, lässt sich aber im Detail nicht mehr feststellen", sagte Krissmayr.

Terroranschlag bei den Olympischen Spielen 1972 in München

Der Tower des Olympia-Attentats nach der gescheiterten Geiselbefreiung durch die deutsche Polizei.

(Foto: dpa)

Der Alte Tower war 1936 bis 1938 gebaut worden. Der unterkellerte Massivbau bildet zusammen mit der Feuerwache einen U-förmigen Komplex. 1987 ließ die Luftwaffe das Gebäude sanieren, insbesondere die Decken, die wegen des schlechten Baumaterials der NS-Zeit statisch nicht mehr zuverlässig waren. Von der Originalausstattung blieben einige Elemente übrig, etwa die Treppe innen, berichtete der Architekt.

Künftig werden Tower und Rollfeld, auf dem neun israelische Geiseln und ein Polizist starben, mitten in einem neuen Stadtviertel mit Wohn- und Gewerbegebieten liegen, erläuterte Stadtbaurat Martin Kornacher. Bislang markiert der Tower den Nordrand der Bebauung. Von dort blickt man auf die alte Start- und Landebahn, laut Kornacher die größte zusammenhängende freie Fläche im Landkreis. Sie liegt auf Maisacher Flur und wird sich wohl zum Gewerbegebiet entwickeln, während auf der Brucker Seite Misch- und Wohngebiete entstehen sollen. In der Nähe des alten Towers könnte eine Schule für das neue Viertel platziert werden.

Laut Kornacher sollte eine Fläche von rund 20 000 Quadratmetern rund um den Tower für den Erinnerungsort freigehalten werden. Der Bereich nördlich des Towers läge auf Maisacher, das Gebäude selbst sowie die Südseite der Fläche auf Brucker Gebiet. Die Kommunen könnten das Areal als Sondergebiet ausweisen, was den Preis senken würde, sagte Kornacher. Der Stadtplaner plädierte dafür, zur Gestaltung der Erinnerungsortes einen Wettbewerb mit Architekten, Künstlern und Landschaftsgestaltern zu veranstalten, zu dem auch Vertreter aus Israel eingeladen werden sollten. Auf Kornachers Bemerkung, der Ort dürfe für die Bewohner des neuen Viertels aber kein "Stolperstein" werden, entgegnete Jörg Skriebeleit, dass die Gedenkstätte Flossenbürg, die er leitet, eine Irritation für die Nachbarn und deren Wohnhäuser eine Irritation für die Besucher der Gedenkstätte darstellten. Für die Bewohner der Siedlung ist die Gedenkstätte eine Erinnerung daran, dass sie "auf einer Schädelstätte leben", meinte Skriebeleit, der betonte, er wolle Begriffe wie Erinnerungsort und Erinnerungskultur dekonstruieren.

Gedenkfeier FFB

Bei der Gedenkfeier zum Attentat vor drei Jahren.

(Foto: Günther Reger)

Die Gemeinde Flossenbürg versuchte nach dem Krieg, Spuren zu verwischen, berichtete er. Auf den Fundamenten des Konzentrationslagers wurde eine Siedlung errichtet, 1965 der Arrestbau mutwillig zerstört. Den Abriss jener Wand, vor der Dietrich Bonhoeffer und viele andere ermordet wurden, habe die evangelische Kirche durch ihren Protest verhindert. "Es war ein eindeutiger Versuch der Umdeutung, ein Großteil des Lagers ist heute nicht Gedenkstätte", sagte Skriebeleit. Ähnliches geschah in Hersbruck, dem größten Außenlager des KZ Flossenbürg, das wie die Außenlager um Landsberg der Rüstungsproduktion dienen sollte. Die Deutschen ließen in wenigen Monaten die Hälfte der Gefangenen verrecken, nach dem Krieg wurden die baulichen Überreste beseitigt.

Aus ganz anderen Motiven sind die Tatorte des Olympia-Attentats in der Conollystraße in München und auf dem Brucker Fliegerhorst seit 1972 verändert worden. Laut Skriebeleit wäre es nicht sinnvoll, den Ort des Geschehens möglichst detailgetreu zu rekonstruieren: "Man soll nicht die Illusion erwecken, man könne dabei sein." Wichtig sei, dass die Kuratoren in einer Dokumentation die Umstände der Tat erarbeiten. Was geschah warum und durch wen genau? Sind alle Fakten gesammelt, gilt es eine Auswahl zu treffen, stark zu reduzieren und das Wesentliche zu präsentieren.

Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) und Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde von München und Oberbayern, Dan Shaham, der israelische Generalkonsul, sowie Professor Ferdinand Kramer vom Lehrstuhl für Bayerische Geschichte an der Uni München und Birgitta Klemenz (CSU), Historikerin und Kulturreferentin des Stadtrates, sprachen über politische und historische Dimensionen des Erinnerns ans Attentat.

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