Soziales:Frohe Kunde mit Schattenseite

Eine Familie mit zwei Kindern darf 2700 Euro netto im Monat verdienen und kann damit auf eine geförderte Wohnung hoffen. Allerdings gibt es nur 1570 und damit viel zu wenige im Landkreis

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Im Landkreis übersteigt der Bedarf nach günstigen Wohnungen das Angebot um ein Vielfaches. Insgesamt gibt es lediglich 1570 (200 davon, auf der Puchheimer Planie gelegen, werden von der Stadt München belegt). Die Kreisstadt gilt landkreisweit zwar noch als Vorbild, doch auch dort schwindet die Zahl der geförderten Wohnungen (Sozialwohnungen), die zu Mieten um die sechs bis acht Euro pro Quadratmeter und Monat vermietet werden, zumal dort auch Bewohner aus den Nachbarkommunen Emmering, Maisach und Mammendorf untergebracht werden - denn diese Gemeinden verfügen entweder über keinen oder einen geringen Bestand an Sozialwohnungen (Maisach: 24).

Das geht aus einem Bericht hervor, den Sabine Weindl und Heike Kneidl jüngst im Brucker Planungsausschuss vorgelegt haben. Überraschend war dabei vor allem eine Beispielrechnung der Fachabteilung, die nahelegt, dass sehr viele Wohnungssuchende gar nicht wissen dürften, dass ihr Familieneinkommen nicht zu hoch für eine subventionierte Miete ist. Eine Familie, bestehend aus zwei Erwachsenen sowie zwei Kindern, darf für die dringendste Förderstufe (EOF eins) monatlich maximal etwa 2700 Euro netto verdienen (zuzüglich Kindergeld und beispielsweise staatliche Zuschüsse, wie sie beispielsweise "junge Familien" erhalten können), für die "Förderstufe zwei" (EOF zwei) 3700 Euro und für EOF drei sogar 4700 Euro.

Neubau Parsifalstraße

An der Parsevalstraße hat die Stadt Fürstenfeldbruck in Eigenregie ein sogenanntes Passivhaus errichtet. Die insgesamt zwölf Wohnungen werden im kommenden September vermietet.

(Foto: Günther Reger)

Die Eingruppierung ist die Voraussetzung dafür, im Zuge der landesweiten "einkommensorientierten Förderung" eine günstige Wohnung zu bekommen. Mit den differenzierten Förderstufen wollen Städte und Gemeinden die Bildung sozialer Brennpunkte vermeiden, aber auch verhindern, dass Einwohner sich das Leben im Landkreis nicht mehr leisten können und deshalb fortziehen müssen. Bei der Vergabe von Wohnungen wird zunächst in eine EOF-Klasse eingruppiert, anschließend werden besonders dringende Fälle - beispielsweise wegen drohender Obdachlosigkeit - bevorzugt. Der Haken an der Sache: Dem Kreis der Berechtigten nützt eine erfolgreiche Eingruppierung wenig, weil es kaum geeignete Wohnungen gibt. Auch viele Menschen, die weit unterhalb der Einkommensgrenzen von EOF eins liegen und teils auf staatliche Transferleistungen oder Arbeitslosengeld angewiesen sind, kommen nicht zum Zug.

Am Beispiel der Kreisstadt lässt sich dies veranschaulichen: 2017 hat Bruck 287 Wohnberechtigungsscheine ausgestellt - lediglich 33 Wohnungen konnten an diesen Personenkreis vermittelt werden. Bei knapp der Hälfte handelt es sich um Einpersonenhaushalte, der Löwenantel entfällt auf die Altersgruppe von 25 bis 49 Jahren. 48 Prozent der Berechtigungsscheine wurden an deutsche Staatsbürger vergeben, elf Prozent an weitere EU-Staatsbürger und 16 Prozent an Menschen aus afrikanischen Staaten. 83 Prozent der Berechtigten wohnen bereits in der Kreisstadt, weitere 15 Prozent im Landkreis.

Einkommensorientierte Förderung

Ob man als Mieter einer Sozialwohnung in Betracht kommt, stellen die zuständigen Wohnungsämter in den Rathäusern von Fürstenfeldbruck und Germering sowie dem Landratsamt (zuständig für Olching, Puchheim, Eichenau, Gröbenzell und Maisach) durch eine Einkommensüberprüfung fest. Die Höhe des zulässigen Einkommens und die angemessene Größe der Wohnung richten sich nach der Zahl der Familienmitglieder. Liegen die Voraussetzungen vor, wird der Antragsteller vorgemerkt. Beim Freiwerden oder nach Bezugsfertigkeit einer Wohnung werden vom Wohnungsamt die vorgemerkten Haushalte nach der Rangfolge ihrer sozialen Dringlichkeit benannt. Handelt es sich um Wohnungen in privatem Eigentum, schlägt die Behörde fünf bei ihr vorgemerkte Haushalte vor, aus denen der Eigentümer einen auswählen darf.slg

Im Vergleich der Landkreiskommunen steht Fürstenfeldbruck noch recht gut da: Vier Prozent und damit 610 der etwa 17 000 Wohnungen sind gefördert, auch wenn die Zahl kontinuierlich abnimmt, weil für Wohnungen bislang die Bindungsfrist auf 25 Jahre beschränkt ist. Durch Neubauten kann dies nicht kompensiert werden. Zum Vergleich: Germering liegt zurzeit bei zwei Prozent, die Metropolen München und Wien bei zehn beziehungsweise 26 Prozent. Der Trend ist auch in der Kreisstadt besorgniserregend. Und das nicht nur deshalb, weil vor einigen Jahren gleich mehr als 900 günstige Mietwohnungen der einstigen Landesbanktochter GBW auf einen Schlag an ein privates Konsortium um die Augsburger Patrizia gefallen waren. Sondern auch deshalb, weil jede zweite der 611 vorhandenen Sozialwohnungen in den nächsten vier Jahren aus der Bindung fallen wird - anschließend ist damit zu rechnen, dass private Eigentümer schrittweise die Mieten bis aufs Marktniveau anheben. 2025 wird es Prognosen zufolge lediglich noch 350 Sozialwohnungen in der Stadt geben. Seit 2014 steuert die Stadt immerhin aktiver dagegen und nimmt den Wohnungsbau wieder zunehmend in die eigene Hand. So wurde im vergangenen Jahr ein Mehrfamilienhaus an der Parsevalstraße fertiggestellt - in hochwertiger Passivbauweise. Weil die Baukosten stark angestiegen sind, sind solche Vorhaben der Stadt trotz öffentlicher Zuschüsse nicht immer kostendeckend, so wie es zunächst kalkuliert war. Sieben Wohnungen entfielen auf EOF eins, zwei auf EOF zwei und drei auf EOF drei. Darüber hinaus verpflichtet die Stadt Bauherren großer Mehrfamilienprojekte, 40 Prozent der Wohnungen im geförderten Wohnungsbau zu errichten.

Brucks Baureferent Christian Stangl sieht alle Städte und Gemeinden im Landkreis in der Pflicht, Sozialwohnungen zu bauen. An der Kreis-Wohnungsbaugesellschaft, über deren Gründung wohl im Herbst entschieden wird, sollten sich alle Kommunen beteiligen, so der Grünen-Politiker. Finanzreferent Walter Schwarz (SPD) kritisierte, dass auch seine eigene Bundespartei den Schwerpunkt viel zu stark auf die Förderung von Wohneigentum gelegt habe. Er erinnerte daran, dass es in der Kreisstadt vor vielen Jahren einmal 3000 geförderte Wohnungen gegeben habe

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