Fürstenfeldbruck:Ferkelchen in der Krippe

Amüsante vorweihnachtliche Lesung mit Jan Weiler in Bruck

Von Edith Schmied, Fürstenfeldbruck

Wenn Tanne sich auf Marianne und Gyrospfanne reimt, der Vater am Weihnachtsmarkt so lange klebrig süßen Glühwein in sich hineinkippt, bis ihm die Tannenzapfen aus den Ohren wachsen, dann ist die vorweihnachtliche Stimmung im Eimer, falls sie jemals beim Publikum vorhanden war. Wer sich auf Jan Weiler einlässt, weiß, was ihn erwartet und kommt an diesem Abend im Veranstaltungsforum auf seine Kosten. Es ist ein weiterer gelungener Abend aus der von Thomas Kraft organisierten Aboreihe "Literatur in Fürstenfeld". Der Journalist und Buchautor Weiler hat es faustdick hinter den Ohren. Er zelebriert geradezu mit Hingabe seine "Berichte aus dem Christstollen", seine Erfahrungen als Bastelnull, als Vater eines Pubertieres, mit Diäten, Elternabenden und Krippenspielen. Es ist Weilers 93. Lesung in diesem Jahr. Keine Spur von Müdigkeit. Im Gegenteil. Er selbst scheint den allermeisten Spaß daran zu haben, den Zuhörern mit seinen hinreißenden Geschichten immer wieder glucksendes Lachen zu entlocken und die Tränendrüsen zu aktivieren.

Aus banalen Alltagssituationen werden bei Jan Weiler herrlich schräge Kurzgeschichten, gespickt mit Sprach- und Wortwitz und subversivem Gedankengut. Er ist ein Schlitzohr par excellence. Dass dabei so mancher Schuss nach hinten losgeht, macht die Sache nur noch amüsanter. Als er sich als verkleideter Nikolaus an den vorlauten Klugscheißern im Kindergarten mit einen hinterfotzigen Geschenketausch rächen will, wird dies von den Kindergartenmüttern, "der Neigungsgruppe Männerhass", als pädagogisch wertvolle Kommunikation positiv ausgelegt. Der Kindergarten per se birgt ein unerschöpfliches Potenzial an Ereignissen; Tribunal im Stuhlkreis, Auseinandersetzung mit Supercheckerhelikopterelteerrn sind ein gefundenes Fressen für einen Jan Weiler.

Seine Geschichten entstehen nach eigenen Angaben im dunklen Kellerraum, nachdem er mit alternativen Jobs wie Kinderniederbrüller bei Tengelmann nicht zum Zug kam. Annehmlichkeiten wie Tisch und Licht hat er sich erst im Laufe der Zeit ver- beziehungsweise erdient. Was da im dunklen Kämmerlein entsteht, ist Humor der aller feinsten Sorte.

Ein gelungenes Beispiel, Weihnachten bei Weilers. Schon allein das Sozialverhalten des gemeinen Pubertieres Carla 16 ist ein Genuss. Das ist jene die für ihre niedlichen Pubertierbeinchen täglich eine halbe Dose von Papas Rasierschaum verbraucht. An diesem Abend reizt sie die animalische Klaviatur voll aus. Als Pubertier, Diskutier, Debatttier, Lamentier, Kommentier, Boykotttier bewegt sie sich inmitten der zynischen Apparatschiks der Konsumgesellschaft, sprich Familie, um bei aller Willensstärke letztendlich korrupt wie ein Diktator in die Knie zu gehen und gnädig die Geschenke anzunehmen und ihrerseits welche zu verteilen.

Viele der Erzählungen an diesem Abend stammen aus der Kolumne "Mein Leben als Mensch", die seit 2009 in der Welt am Sonntag erscheint. Sind die Texte an sich schon viele Lacher wert, die Art und Weise, wie Weiler sie vorträgt steigern den Spaß noch erheblich. Herrlich wie er die einzelnen Figuren imitiert. Etwa Schwager Jürgen mit seinem herablassend betulichen weltfremden Gesülze, das die knallharte vegane, völlig humorfreie Mischung aus Weinkenner und Esoteriker erkennen lässt. Weiler dagegen ist Realist, speziell wenn's um Diäten geht. Kirchen- und Küchenverzicht kompensiert er mit Rotwein und Käse. "Friss die Hälfte" bedeutet für ihn; ein halbes Glas Nutella, ein halber Kasten Bier.

Mit der Frage "Warum muss das Jesuskind eigentlich immer männlich sein?" kehrt Weiler wieder zur ursprünglichen Thematik zurück, auf seine ganz spezielle Art. Zunächst bekannt respektlos und dann doch mit einer subtilen Botschaft. Das Krippenspiel in Hinterschnipfenreuth ist wegen des ausschließlich weiblichen Nachwuchses in Gefahr. Der Vorschlag von Metzger und Bauer, ein betäubtes Ferkel in die Krippe zu legen - aus der Ferne sieht das ja keiner -, scheitert aber letztendlich an der nötigen Zustimmung. Bevor das Spiel endgültig zu scheitern droht, siedelt sich eine weit gereiste, müde Familie mit einem Neugeborenen im Dorf an. Es ist Amir aus Syrien.

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