Fürstenfeldbruck:Extras für den Kunden

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Wie Buchhändler versuchen, sich trotz Online-Konkurrenz zu behaupten

Von von Raphael Knipping, Fürstenfeldbruck

Der Buchhandel ist eine seit Jahrzehnten totgesagte Branche. Eine Branche, die wie keine andere durch die Digitalisierung herausgefordert wurde und sich auch weiterhin gegen Onlinehändler und E-Books behaupten muss. Doch trotzdem gibt es in jeder der größeren Ortschaften im östlichen Landkreis weiterhin klassische Buchhandlungen. Wer allerdings heutzutage als Buchhändler bestehen möchte, muss kreativ sein. So wie Helga Cichon. Schon vor fast 30 Jahren hat die 62-Jährige die Buchhandlung Lichtblick am Viehmarktplatz in Fürstenfeldbruck eröffnet und spezialisiert sich seitdem neben dem klassischen Buchverkauf auch auf sogenannte Non-Book-Artikel und Esoterikprodukte. Schon beim Betreten ihres kleinen Ladens weht einem der Duft von Räucherstäbchen entgegen und dicke Buddhas schauen sanft von den Regalen herab. Hier liegen goldene Halsketten neben Bestsellern.

"Der Schmuck trägt den Laden", erläutert Cichon. Ohne dieses zweite Standbein hätte sie ihren Laden schon längst schließen müssen. Denn zu ihrer Lage als Buchhändlerin stellt sie ernüchternd fest: "Es wird immer schlimmer, fast schon eine Existenzkrise". Die Kosten für Miete und Transport seien stetig gestiegen, während die Buchpreise eher konstant blieben.

Doch wie geht es dem Buchhandel wirklich? Um dieser Frage nachzugehen, hat der Spezialist für Geomarketing, "Nexiga", kürzlich die Kaufkraft deutscher Verbraucher für Bücher ermittelt. Die Kernaussage: Die Buchkaufkraft bleibt auf stabilem Niveau. Die Deutschen geben im Jahr 2017 insgesamt 8,52 Milliarden Euro für Bücher aus - das entspricht fast dem Vorjahreswert. Im Durchschnitt kauft also jeder Bundesbürger Bücher im Wert von 103,70 Euro. Hierbei ist jedoch ein Unterschied zwischen Stadt und Land zu beobachten. So ist auch im Landkreis ein Gefälle zwischen dem östlichen Ballungsraum Münchens und den ländlicheren westlichen Gemeinden zu beobachten. Dabei wird in Gröbenzell mit durchschnittlich 131,52 Euro am meisten für Bücher pro Jahr und Bürger ausgegeben, während in den Gemeinden Adelshofen, Egenhofen und Jesenwang nur für rund 99 Euro Bücher pro Jahr gekauft werden. Allerdings entspricht die Verteilung der Kaufkraft von Büchern sehr stark der Verteilung der allgemeinen Kaufkraft der Bevölkerung. Das heißt, dort, wo insgesamt mehr Geld zur Verfügung steht, wird natürlich auch mehr Geld für Bücher ausgegeben.

Auch hängen die Ausgaben für das Produkt Buch hauptsächlich von der Sozialstruktur, dem Bildungsstand der Bürger, sowie von deren Einkommen ab. Aus der Statistik ist ebenfalls nicht ersichtlich, wo genau die Bücher - im Ladengeschäft oder online - gekauft wurden, sondern nur, dass sie gekauft wurden beziehungsweise noch gekauft werden. Nach einer wirklichen Entwarnung für den Bucheinzelhandel klingt das nicht. Die Bewohner des Landkreises geben zwar meist überdurchschnittlich viel Geld für Bücher aus, jedoch nicht zwangsläufig bei einem regionalen Buchhändler.

Für Einzelhändler wie Helga Cichon sind daher auch die Stammkunden ein wichtiger Rückhalt. Viele wüssten vor allem den Service des Ladens zu schätzen. Ein Service, der sich für Cichon aber fast nicht lohnt: Bei der Bestellung eines einzelnen Exemplars bei einem kleinen Verlag entstehe für sie durch die Portokosten "ein Nullgeschäft". Ein weiteres Problem seien Eigen- und Kleinstverlage, die ihre Vermarktung rein auf Amazon beschränken. So haben die Kunden keine Möglichkeit, den regionalen Einzelhandel zu wählen.

Der Buchverkauf im Laden leidet unter der Konkurrenz des Internets. (Foto: Günther Reger)

Auch für Nicola Bräunling, Inhaberin der Buchhandlung Bräunling in Puchheim, ist der Onlinehandel schon eine "Schmerzkonkurrenz" Sie glaubt jedoch ein Umdenken ihrer Kunden zu bemerken. "Viele schätzen wieder die Infrastruktur vor Ort", erläutert sie. Für Bräunling ist dabei am wichtigsten, "immer präsent" zu sein. Darum organisiert sie Lesungen, Veranstaltungen mit Lesetipps und gemeinsame Aktionen mit anderen Puchheimer Einzelhändlern. Außerdem unterhält sie auf ihrer Webseite einen Blog und ist auf Facebook aktiv. "Die Lesenden im Ort kennen mich", stellt sie fest. Und trotzdem müsse man immer am Kunden "dran bleiben".

Dabei ist es für Bräunling auch wichtig, den Kunden zu verdeutlichen, dass der einzige Vorteil eines Buchkaufs bei Onlinehändlern wie Amazon darin besteht, dass das Buch nach Hause geliefert wird. "Da Bücher preisgebunden sind, kann sie auch Amazon nicht billiger verkaufen", erklärt sie. Bestellen könne sie die Bücher sowieso mindestens genau so schnell.

Insgesamt blickt Bräunling durchaus optimistisch in die Zukunft - auch wenn ihr "das Internet im Nacken sitzt", wie sie sagt. Eine Aussage, die wohl viele stationäre Buchhändler unterschreiben würden. Sie alle spüren den Druck der Digitalisierung und des Hauptkonkurrenten Amazon, welcher wohl in Zukunft noch zunehmen wird. Wie viel der Branchenriese tatsächlich mit Büchern umsetzt, möchte er allerdings nicht verraten. Auf eine SZ-Anfrage heißt es lediglich: "Amazon kommuniziert grundsätzlich keine Verkaufszahlen zu Produkten und kann daher leider auch nicht die Zahlen für den Landkreis Fürstenfeldbruck herausgeben." So bleibt den regionalen Händlern neben einem gesunden Optimismus eigentlich nichts anderes übrig, als sich mit Innovation und Einfallsreichtum zu behaupten. Oder wie es Nicola Bräunling ausdrückt: "Wir sind auf den Kunden angewiesen

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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