Fürstenfeldbruck:Elefanten im Kuhstall

Bauernhofkindergarten

Nur keine Angst: Haben sich die Kinder im Bauernhofkindergarten Olching erst mal an die großen Tiere gewöhnt, ist der Kontakt recht eng. Das gilt umso mehr, wenn die Tiere kleiner und umgänglicher sind.

(Foto: Günther Reger)

Für Kinder wirken die Rinder im Bauernhofkindergarten Olching zuerst wie riesige Tiere. Doch mit der Zeit legt sich die Scheu, und mit wachsendem Selbstvertrauen kümmern sie sich auch um sie

Von Katharina Knaut

Es ist kaum zu sagen, für wen die Situation befremdlicher ist: für die Schafe oder für die Kinder. Zum ersten Mal dürfen die jungen Besucher des Bauernhofkindergartens in Olching zum Füttern in das Schafsgehege hinein. Ganz wohl dabei scheinen sich Kinder und Tiere nicht zu fühlen. Beide wahren größtmöglichen Abstand, drängen sich auf der jeweils entgegengesetzten Seite des Geheges zusammen. Erst nach ein paar Minuten wagen sich einige mutige Kinder vor. Auf der ausgestreckten flachen Hand haben sie ein paar Brotstücke, die sie zuvor von ihren Betreuern bekommen haben. Die Schafe zögern noch, nur eines macht ein paar Schritte vor, schnuppert und beginnt vorsichtig, das Dargebotene zu fressen. Die anderen Tiere stehen noch etwas abseits und beäugen die Szene misstrauisch. Nach und nach trauen sie sich aber doch. Am Ende herrscht im Gehege ein munteres Durcheinander. Kinder laufen zwischen den Schafen umher, verteilen Brotstücke und streicheln das weiche Fell, während die Tiere es sich ohne Scheu gefallen lassen. Von der anfänglichen Schüchternheit ist nichts mehr zu spüren.

Gerade Kindern könnten Tiere eine große Selbstbestätigung geben, findet Frederik Glaß, der die Gruppe betreut. "Es hilft ihnen, mutig zu werden." Das Konzept des Bauernhofkindergartens zielt darauf ab, Kinder und Tiere zusammenzubringen, ihnen zu zeigen, wie man mit ihnen umgeht, und so wichtige soziale Schlüsselkompetenzen zu vermitteln.

In dieser Hinsicht können Tiere sehr positive Auswirkungen auf Menschen haben, findet auch Katharina Freudenthal, Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie aus Fürstenfeldbruck. Allein, dass ein Tier seinem Gegenüber immer zeige, wie es gerade fühle. "Anders als der Mensch machen sie einem nichts vor." Sie hätten kein Höflichkeitsbefinden und zeigten auch, wenn ihnen ein Verhalten gerade gefalle oder nicht. Der Umgang mit Tieren verlange Einfühlsamkeit, den vor allem Kinder auf diese Weise leichter lernen könnten.

Diese Aussage bestätigt Glaß. "Sie lernen die Achtung gegenüber Lebewesen. Wenn sie den Hund beispielsweise am Fell ziehen, jault er und geht weg. Das merken sie sich und lassen es das nächste Mal." Vor allem für Kinder sei das wichtig, da sie oft sehr ungestüm handeln.

Neben den Schafen und dem Hund beherbergt der Bauernhofkindergarten auch Hühner, Hasen, Kühe, Katzen und einen Esel. Einmal in der Woche ist für jede Kindergartengruppe Stalltag, an dem sie sich um die Tiere kümmern dürfen. Die jüngsten übernehmen die Hühner, die größeren versorgen die Kühe. "Am Anfang haben die Kinder noch Angst vor den Tieren", stellt Glaß fest. "Vor allem vor den Kühen. Für die Kinder wirken sie wie Elefanten für uns." Umso stolzer seien die Kleinen dann, wenn sie sich trauen, sie zu füttern. Glaß' Gruppe ist die mittlere Gruppe, die sich um die Schafe kümmert. Den Kindern steht die Begeisterung und der Stolz nach der erfolgreichen Fütterung ins Gesicht geschrieben. "Es hat es gefressen!", sagt ein kleines Mädchen strahlend, während sie Glaß ihre flache, mittlerweile leere Hand entgegenstreckt.

Er erinnere sich noch gut, wie die Kinder sich anfangs nicht einmal getraut haben, die Schafe durch die Umzäunung zu füttern, meint Glaß. Jetzt zu sehen, dass sie sich sogar zu ihnen hineintrauen, sei etwas ganz Besonderes. Das Füttern mache ihnen mittlerweile sogar am meisten Spaß. "Es gibt ihnen eine Bestätigung, dass sie jetzt etwas schaffen, was sie sich am Anfang nicht getraut haben."

Menschen könnten zu Tieren auch eine ganz besondere Beziehung entwickeln, weiß Ulrike Falbesaner, Tierärztin aus Maisach. "Eine Wiener Universität hat Studien dazu durchgeführt. Sie hat herausgefunden, dass der Kontakt zwischen Menschen und Tieren, in diesem Fall zu Hunden, bei beiden Endorphine freisetzt und generell stressreduzierend wirkt. "Tiere werden zu richtigen Familienmitgliedern. Die Menschen kämpfen und trauern auch so um sie", meint Falbesaner. Als Tierärztin konnte sie das bereits öfter beobachten.

Auch Tiere können eine sehr starke Bindung entwickeln. Es sei immer wieder interessant, welche Leistungen ein Tier bringen kann, um zurück nach Hause zu kommen. "Ich habe einmal von einem Fall in den USA gelesen, in dem ein Hund drei Bundesstaaten durchquerte, um wieder zurück zu seinem Herrchen zu kommen."

Holly, der Hund des Bauernhofkindergartens, würde ebenfalls alles für die Kleinen tun, meint Glaß. "Sie beschützt sie. Fremden gegenüber ist sie sehr misstrauisch." Auch die Kinder lieben die Hündin sehr. Als sie sich im Stall dazugesellt, wird sie von den Kindern sehr freudig begrüßt. "Holly ist den Kindern gegenüber sehr geduldig." Insgesamt seien die Tiere durch die Arbeit mit Menschen viel zahmer geworden, erklärt Glaß.

Als die Schafe auf die Weide hinausgetrieben werden, hören sie folgsam auf die Anweisungen der zuständigen Betreuer. Die Kinder folgen der kleinen Herde begeistert. Draußen steht auch der Esel, der bei den Kleinen ebenfalls sehr beliebt ist. "Esel streicheln steht ganz hoch im Kurs", mein Glaß. Tatsächlich wollen die Kinder sich gar nicht mehr von ihm trennen. "Um ihn dürfen sie sich dann im nächsten Jahr kümmern." Im letzten Jahr kommen die Kühe an die Reihe. Die Kinder erleben beinahe jede Arbeit mit: das Ausmisten des Stalls, das Scheren der Schafe, das Melken der Kühe. So gewöhnten sich die Kinder an die Arbeit und verlören Berührungsängste vor Stall und Tier.

Damit Tiere positiv auf Menschen wirken, braucht es aber nicht unbedingt einen so intensiven Kontakt, wie man ihn auf einem Bauernhofkindergarten erlebt. Gerade alten Menschen helfe allein schon das Streicheln eines Tieres, meint Freudenthal. In einige Altenheime kommen Therapiehunde, um die Bewohner zu erfreuen. "Alte Menschen sind oft einsam. Das Berühren des Tieres gibt ihnen das Gefühl von freundlicher Zuneigung.

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