Fürstenfeldbruck:Einblick in eine fremde Glaubenswelt

Bei einem Familienfest nutzen die Fürstenfeldbrucker die Gelegenheit, das Deutsch-Türkische Kulturzentrum zu besuchen und damit Essen und Kultur der muslimischen Bevölkerung ein wenig kennenzulernen

Von Felix Reuss, Fürstenfeldbruck

Es kommt eher selten vor, dass Nichtmuslime das Deutsch-Türkische Kulturzentrum (DTKZ) in Bruck aufsuchen. "Sehr bedauernswert", findet Arif Durgut, der anlässlich des Familienfestes Besucher durch die Räumlichkeiten in der Zadarstraße führt. Das Highlight ist dabei die Mevlana-Moschee im Obergeschoss, ein prunkvoll gestalteter Raum, in dem die Muslime fünfmal am Tag beten können. So ein Familienfest, wie es das DTKZ zweimal im Jahr ausrichtet, ist für die türkische Gemeinde vor allem in Sachen Aufklärung über den Islam enorm wichtig. Trotzdem erlebten die Besucher erstmals die türkische Kultur.

An einem von mehreren Essensständen werden dünne Fleischspieße wie beim Dürüm mit Gemüse in Teig eingewickelt und serviert. Eine osmanische Kapelle sorgt für Unterhaltung, es herrscht eine lockere Stimmung. Die Menschen aus dem Kulturzentrum freuen sich darüber, dass sie ihre Nachbarn einladen und mal mit ihnen einige Worte wechseln können. Denn im Landkreis mangle es manchmal an Einfühlsamkeit, Verständnis oder schlicht an Informationen über dieses fremde Gotteshaus in ihrem Umfeld. Der Infostand ist mit mindestens 15 verschiedenen Flyern über Allah und den Koran bestückt. Mit den meisten Leuten, die an der Veranstaltung mitwirken, kommt man sehr leicht ins Gespräch. Und fast immer geht es dann um den Islam, der in der Medienlandschaft in jüngster Zeit in keinem guten Licht stand.

Um was es in seiner Religion denn eigentlich gehe, möchte Arif Durgut den Besuchern näher bringen. Und nimmt sie mit in seine Moschee. "Sie stärkt unser Gemeinschaftsgefühl, denn so können wir Muslime auch hier in unserer Gemeinde zusammen beten." Das spiegelt sich in ihrem Glauben auch nach dem Tod wider, denn gemeinsames Beten vervielfacht die Wirkung der Gottesehrung. Es bringe also mehr, mit zwei anderen Gläubigen zu beten, als alleine 1000 Mal das selbe Gebet zu sprechen. Eine elektronische Tafel an der Wand des großen Raumes zeigt die Zeit des nächsten Gebets an. Eine halbe Stunde davor versammeln sich die ersten Glaubensbrüder dort, während die Frauen einen eigenen Gebetsraum auf der anderen Seite des Stockwerks haben. Der Imam, an vorderster Stelle der Betenden in einer Nische, der sogenannten Mihrab, sitzend, ruft dann zum Gebet auf. Als Vorbeter ist es für ihn besonders wichtig, die Suren aus dem Koran ohne Fehler auf Arabisch vorzusprechen. Da hierzulande nicht viele der arabischen Sprache mächtig sind, kommt der muslimischen Gemeinde die Flüchtlingsarbeit entgegen. So fand sie nämlich einen neuen Imam.

Um exakt 13.18 Uhr beginnt der "Gottesdienst", wobei die kleineren Kinder nicht eingebunden sind, wenn die Muslime beim Beten mal stehen, mal sitzen oder sich vornüber beugen. Die Lehre des Islam unterteile nämlich seine Gläubigen nur in Kinder und - ab dem Pubertätsalter - Erwachsene, sagt Ali Atalar, der Vorsitzende des DTKZ, und erklärt auch warum. Ähnlich wie der in weiten Teilen der islamischen Welt verbreitete Brauch der Verschleierung diene es dazu, Frauen vor den Blicken und der Begierde heranwachsender Männer zu schützen. Kommt ein Bub in die Pubertät, wird er in den täglichen Gebetsablauf miteinbezogen und ist folglich auch für alle untugendhaften Handlungen vor Allah, seinem Gott, verantwortlich. Es kristallisiert sich mehr und mehr das Bild einer großen Familie mit traditionellen Rollen heraus, in der die Frau am höchsten geehrt, aber auch am meisten geschützt wird, ob sie will oder nicht. Schutz, das ist dabei aber nicht nur körperlich gemeint, so besteht etwa bei Trauerveranstaltungen nur Anwesenheitspflicht für Männer.

Drei Jahre steht die Moschee nun schon Mitgliedern des DTKZ zur Verfügung, doch wurde sie immer skeptisch beäugt. Obgleich das Zentrum schon auf den Bau der Minarette verzichtete, die eigentlich essenziell sind wie die Glocken einer Kirche. Arif Durgut hat seine Moschee-Führung zum Beten unterbrochen, danach übersetzt er für Ali Atalar, von Türkisch auf Deutsch. Der 26-jährige Durgut sieht sich selbst hier, in seinem Geburtsland, voll integriert und versucht jetzt, durch Jugend- und vor allem Öffentlichkeitsarbeit das Bild der muslimischen Gemeinde zu verbessern. "Die Leute trauen sich normalerweise nicht herzukommen. Denn viele wissen auch einfach nicht, was hier hinter der Fassade steckt."

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