Fürstenfeldbruck:Ein Abend für Nachtschwärmer

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Situationskomik, Orgel und E-Gitarre, Planeten und Lichtinstallationen: die Brucker Kulturnacht

Von Edith Schmied, Fürstenfeldbruck

Ein traumhafter Sommerabend, spannende Begegnungen mit der Kultur, als Hintergrund die Klosterkirche: Besser können die Bedingungen für eine gelungene Kulturnacht gar nicht sein. Die unterschiedlichsten Nachtschwärmer sind an diesem Samstag auf dem Klosterareal und in der Stadt unterwegs. Familien mit Kleinkindern und Hunden, eine Junggesellenabschiedsgruppe, die ihren Getränkevorrat Richtung Innenstadt befördert, und vor allem Kulturinteressierte.

Große Dinos

Gut drei Meter große Dinos watscheln zwischen den Besuchern. Sie wackeln mit ihren netten Popöchen, der lange Schwanz kratzt über den Asphalt. "Hallo Opa", fiepst das Dinobaby und fällt einem älteren Herrn um den Hals: "Mama, bist du's?", macht es überschwänglich eine Besucherin an. Die phantastischen blau-grün schillernden Kostüme haben Ingrid Irrlicht und Kirstie Handel alias Clowness Glucks in dreimonatiger Handarbeit gefertigt. Im Laufe dieses Abends werden die Münchner "Walking Women" noch in verschiedenen Verkleidungen quer durchs Gelände irrlichtern und bei Zwei- wie Vierbeinern Verwirrung hervorrufen.

Hund im Topf

Ähnlich schräge Situationskomik entsteht in der Neuen Bühne Bruck. Dort zeigt der Nachwuchs des Graf-Rasso-Gymnasiums, wie schlagfertig er mit vorgegebenen Begriffen aus dem Publikum improvisieren kann. "Wollen wir noch zu mir gehen?", lautet der recht ungewöhnliche Abschluss der Frühstücksszene. Beim Thema Kochen landet der Hund wegen eines rasanten Radfahrers im Topf. Angesichts dieses Menüs liegt der Übergang zum Treffen der anonymen Fettleibigen nahe. Der Begriff "Schwippschwapponkel" erweist sich als Stolperstein. "Sind wir nun verwandt oder nicht?", rätseln die beiden Darsteller, während sie ständig durch verschiedene Genres switchen. Der Moderator der "Improminenz"-Gruppe muss schließlich bei der Diashow - Thema Taufe - gestellte Szenen seiner Mitspieler interpretieren. Das übliche Familienfoto ist der Einstieg zu weitaus turbulenteren Geschehnissen. Weihwasser landet im Auge des Täuflings, die Mutter rutscht auf dem Weihwasserpinsel aus, die Kinder pritscheln ziemlich respektlos im Weihwasserkessel.

Bond und Barry

Wie aus einem gezückten Colt schießt sich eine außergewöhnliche Klangwolke den Weg frei zu den Ohren der Besucher der Fürstenfeldbrucker Klosterkirche. So fühlt sich das an, wenn Orgel auf E-Gitarre trifft und Hausorganist Christoph Hauser und der Münchner Profigitarrist Christian Holzer zu einem ungewöhnlichen Konzert aufspielen. Nicht nur die Kombination der beiden Instrumente fällt aus dem Rahmen, auch die Musikstücke. James Bonds "You know my name" und weitere Soundtracks aus den Filmen um den Geheimagenten 007 des Komponisten John Barry füllen den Raum des Barockensembles.

Aber die beiden Musiker haben auch ruhigere Stücke im Programm. Gefühlsmäßig zum Niederknien "The whitest shape of tape" - das glasklare Solo der E-Gitarre trägt die Musik von Sting ("Shape of my heart") und Lionel Richie, die Orgel fügt sich dabei wunderbar ins Arrangement. Selbst ein klassisches Stück von Johann Sebastian Bach, eine Orchestersuite normalerweise mit Violine, klingt auf dem elektronischen Saiteninstrument besonders intensiv und unterstreicht die Wirkung der Orgel. In höhere Sphären entführt der norwegische Komponist Iver Kleive die Zuhörer mit dem Titel "Himmelskip". Er hat ihn speziell für die beiden Instrumente komponiert.

Jupiter und Venus

Der Himmel hat so seine Tücken, speziell dann, wenn man Jupiter und Venus auf dem Firmament ausmachen will. Zum ersten Mal lädt die Astrogilde Fürstenfeldbruck und Gilching bei der Kulturnacht zum Blick in den Kosmos ein. Bei der Sonne klappt das noch, sie verschwindet glutrot in den Wolken, die Protuberanzen genannten Eruptionen sind als Flammen auf Fotos sichtbar. Aber eineinhalb Stunden später halten sich die beiden Planeten bedeckt. Eigentlich sind sie sich gerade ungewöhnlich nahe. "Das gibt's erst in hundert Jahren wieder", erklärt Max Kiermayer. Mehrere Faktoren behindern den Blick Richtung Westen: Es ist fast Vollmond, diverse Beleuchtungen, "Fremdlicht", die Luftverschmutzung und -feuchtigkeit. "In zehn Jahren werden wir überhaupt keine Sterne mehr sehen", bedauert Michael Rappenglück. "Inspirationslos", findet er das. Ganz aufgeben wollen die Astrologen an diesem Abend dennoch nicht. Das Wetterradar nährt die Option auf bessere Sicht.

Schwarz und weiß

Es sind nur ein paar Worte: bilden, formen, begegnen, Wasser, Wippe. Mehr brauchen Georg Trenz und Detlef Hartung nicht für ihre Lichtinstallationen. Sie sind der Höhepunkt der Kulturnacht schlechthin. Der Niederbronner Platz ist in Schwarz-Weiß getaucht, der Boden scheint sich in Wellen zu bewegen. Das inspiriert die Besucher sich in die Schriftzüge hinein zu bewegen, quasi ein Teil des Kunstwerks zu werden. Hunde versuchen schnüffelnd dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Rund um den Platz entwickeln sich für den Betrachter auf insgesamt sieben Stationen ungeahnte, immer wieder neue Perspektiven. Die Baumrinden sehen aus wie knorrige Urpflanzen, in den Baumwipfeln erscheinen die Worte als sternförmige Kreise, dann wieder in kleinen, geschwungenen Wellen.

Mehrere Pumpvorrichtungen lassen im so erzeugten Sprühregen die Worte Wasser, Bewegung erkennen. 38 Projektoren und Dias, auf denen die Schrift in unterschiedlichen Formen und Größen dargestellt sind, machen diese beeindruckende Installation möglich. Allerdings die Verzerrung der Formen hat Trenz hier zum ersten Mal praktiziert. "Das Konzept entsteht im Kopf", erklärt er. Sechseinhalb Stunden benötigte er für den Aufbau, da bleibe kaum Zeit zum Nachjustieren. Genial ist das, und ein Traum von einem Platz, leider nur für ein paar Stunden.

© SZ vom 06.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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