Vereinswesen:Ehrenamtliche benötigen Führungszeugnis

Vereinsmitglieder, die Kinder und Jugendliche betreuen, müssen nachweisen, dass sie sich im Umgang mit Minderjährigen nichts haben zu Schulden kommen lassen. Doch es gibt Bedenken wegen des Datenschutzes

Von Andreas Ostermeier, Fürstenfeldbruck

Ob Trainer im Sportverein, Ausbilder bei der Feuerwehr oder Betreuer bei den Pfadfindern: Jeder Ehrenamtliche, der mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat, muss wohl bald seinem Vereinsvorsitzenden ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Dadurch soll ausgeschlossen werden, dass Personen als Jugendleiter arbeiten, die wegen Sexual- oder Gewaltdelikten gegen Minderjährige bestraft worden sind. Diese sinnvolle Vorsichtsmaßnahme hat in der Praxis allerdings schwierige Folgen. Auf die weist der Fürstenfeldbrucker Rechtsanwalt Michael Neuhierl hin. Der Strafrechtler sieht vor allem Defizite beim Datenschutz.

Für das Hauptdefizit ist der Bundesgesetzgeber selbst verantwortlich. Ein erweitertes Führungszeugnis enthält nämlich nicht nur Einträge zu Strafen wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen, exhibitionistischen Handlungen oder Körperverletzungen, sondern auch wegen Trunkenheit am Steuer, Drogendelikten oder einem verschleppten Konkurs. Diese Eintragungen aber haben mit der ehrenamtlichen Tätigkeit nichts zu tun - und gehen einen Vereinsvorsitzenden auch nichts an, findet Neuhierl.

Der Brucker Rechtsanwalt hat auch Zweifel, dass Eintragungen wirklich geheim und ohne Folgen bleiben. Was passiert, wenn ein Vereinsvorsitzender durch das Führungszeugnis erfährt, dass jemand mit seinem Geschäft pleite gegangen ist? Kommt der jemals für einen Kassiersposten in Frage? Oder der Jugendgruppenleiter, der als Teenager gekifft hat? Werden dem noch einmal Jugendliche anvertraut? Neuhierl hat viele Fragen.

Klar ist, auch Eintragungen könnten Eltern oder Vereinsverantwortliche interessieren. Doch das Sozialgesetzbuch verlangt sie für eine Eignung in der Jugendarbeit nicht. Es fordert nur Auskunft über Gewalttätigkeiten oder sexuellen Missbrauch. Das erweiterte Führungszeugnis ist also das falsche Nachweisdokument, denn es verzeichnet eben viel mehr Delikte, auch wenn die Strafe nur gering gewesen ist.

Jugendfußball

Wer in Vereinen Kinder und Jugendliche betreut, muss ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Selbst für das Schuhbinden von kleinen Kickern.

(Foto: Günther Reger)

Neuhierl schlägt deswegen ein anderes Vorgehen vor. Im Landkreis Regensburg müssen Ehrenamtliche ihr Führungszeugnis nicht einem Vertreter des Vereins vorlegen, sondern ihrer Wohnortgemeinde. Die füllt dann einen Zettel für den Verein aus, in dem einfach steht, dass der Betreffende keine Strafen hat, die in Zusammenhang stehen mit Gewalt oder sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Auf diese Weise muss sich niemand vor einem Vereinsvertreter entblößen und Daten preisgeben, die er für sich behalten möchte. An dem sogenannten Regensburger Modell hebt Neuhierl als Vorteil heraus, dass sensible Daten nur Personen bekannt werden, die in ihrer Tätigkeit sowieso einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Zudem müssten sich die Vereine auch nicht mit dem Datenschutz auseinandersetzen, der Vorschriften zur richtigen Aufbewahrung und Sicherung enthält.

Doch nicht alle Bürgermeister im Landkreis sind nach Neuhierls Informationen von diesem Modell angetan. Sie wehrten sich gegen die zusätzliche Arbeit, die auf ihre Verwaltungen zukomme, berichtet der Anwalt. Sollte es so sein, können diese Bürgermeister jedoch keinerlei Unterstützung von ihrem Maisacher Amtskollegen Hans Seidl erwarten. Seidl, stellvertretender Sprecher der Bürgermeister im Landkreis, fordert von Städten und Gemeinden, die Ehrenamtlichen zu unterstützen. "Weitere Erschwernisse in Richtung Ehrenamt" dürften die Kommunen nicht zulassen, sagt Seidl, denn sie seien "Nutznießer" von deren Arbeit. Der Maisacher Bürgermeister sieht deshalb die Gemeindeverwaltungen in der Pflicht - ein deutlicher Hinweis, dass der Landkreis das Regensburger Modell übernehmen könnte.

Möglicherweise aber ist die Mehrarbeit in den Rathäusern nicht nötig. Dazu müssten sich allerdings die Politiker in Berlin entschließen, ein Führungszeugnis extra für Ehrenamtliche in der Jugendarbeit anfertigen zu lassen. Genau dies ist der Vorschlag von Timm Guggenberger, dem Leiter des Amtes für Familie und Jugend im Landratsamt Fürstenfeldbruck. Ein eigener Registerauszug für die Ehrenamtlichen, das "wäre die Ideallösung", sagt Guggenberger. Damit wären die von Neuhierl benannten Datenschutzprobleme ebenso hinfällig, wie die Mehrarbeit in den Gemeindeverwaltungen.

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