Fürstenfeldbruck:Don Quijote und die Schattenmänner

Der Sportclub Fürstenfeldbruck kämpft noch immer ums Überleben. Auch unter seinem neuen Präsidenten Jakob Ettner kommt der Fußballverein nicht zur Ruhe

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Don Quijote und sein Kampf gegen die Windmühlen ist sprichwörtlich geworden für einen Kampf, der aussichtslos und nicht zu gewinnen ist. Ist Jakob Ettner ein Don Quijote? Die Aufgabe, die der 52-Jährige vor zehn Monaten übernommen hat, scheint von unüberwindlichen Hindernissen begleitet. Ettner will den Sportclub Fürstenfeldbruck retten, am Leben erhalten, weiterführen. Im besten Fall finanziell gesund werden lassen. Ein schwieriges Unterfangen an sich, das sich im Fall SCF noch eine Spur schwieriger gestalten könnte. Immer wieder reden dort auch andere mit, zuvorderst frühere hochrangige Funktionäre des Vereins. "Eine Aufarbeitung ist nicht gewünscht", sagt Ettner.

Seit Mai vergangenen Jahres ist Ettner Präsident des Sportclubs. Er hat lange darauf hingearbeitet. Dennoch wunderte man sich, dass er diese Aufgabe zu übernehmen bereit war, denn der Verein ist verschuldet. Etwa 90 000 Euro sind es momentan. Ettner kommt aus dem Nachbarlandkreis Dachau zum SCF. Wie das halt oft so läuft: Er fährt seinen Sohn zum Fußballtraining. Schon kurze Zeit später mischt er mit, wird Jugendleiter. Er hat gleich große Pläne, möchte den SCF zum Nachwuchsleistungszentrum machen und einen Kunstrasenplatz bauen. Legt sich mit dem Bayerischen Fußball-Verband an, weil der nicht verhindert hat, dass der Lizenzverein Burghausen im Abstiegskampf seine besten Jugendspieler auch in unteren Ligen eingesetzt hat: Eine SCF-Jugendmannschaft war damals die leidtragende und musste absteigen. Legt sich mit etablierten Jugendtrainern im Verein an, die gehen fort. Legt sich mit der Brucker Vereinsführung an, der ehemalige Präsident Siegfried Müller nennt als Rücktrittsgrund: Jakob Ettner.

Bruck: Fussball Landesliga / SCF - FC Gundelfingen

Ist der SCF nur am Taumeln oder strauchelt er? Die Fußballer haben tiefe Löcher in die Vereinsfinanzen gerissen.

(Foto: Johannes Simon)

Dann wählen sie ihn zum Vereinschef. Mit 77 Prozent - das ist ein eher laues Wahlergebnis. Viele denken: Soll er doch jetzt mal zeigen, was er kann, und nicht nur kritisieren. Andere Bewerber gab es ohnehin nicht in einer Situation, in der sich die finanzielle Schieflage des Vereins zuspitzte. Ettner macht's. Warum? "Ich habe ein paar Leuten mein Wort gegeben." Und: Er möchte es für die Fußballjugend tun, weil "die Jugend das Standbein des Vereins ist." Sein Sohn hat den Klub mittlerweile verlassen.

Der Vater macht weiter. Eine Hausmacht hat er dort nicht. Er ist der Typ Einzelkämpfer. "Dumm und naiv" sei er gewesen, sagt er heute über die Aufgabe, die er sich da aufgehalst hat. Dinge, die man ihm vor seiner Wahl zum Präsidenten zugesagt hätte, seien nicht eingetreten. Er fühlt sich bei seiner Arbeit, in der es auch um die Aufarbeitung der Vergangenheit geht, behindert. Schon bald nach der Amtsübernahme hatte er beklagt, dass wichtige Vereinsunterlagen und Verträge nicht auffindbar seien. Hatte er etwa damit gerechnet, dass diejenigen, die er ständig kritisiert hatte, ihm nun helfen würden?

Bruck: Jahreshauptverammlung + Neuwahl SCF

Präsident Jakob Ettner.

(Foto: Johannes Simon)

Auch den beiden mächtigen Ehrenpräsidenten Hans Hahn und Albrecht Huber war daran gelegen, dass es weitergeht. Ettner erschien ihnen als passabler Kandidat. Eckart Lutzeier, Ettners Vorgänger, der gerade mal ein Jahr Präsident gewesen war, war das nicht. Hahn hatte irgendwann damit begonnen, Lutzeier öffentlich schlecht zu reden und ihm Misswirtschaft mit einer viel zu teuren Landesligamannschaft vorzuwerfen. Die Worte der Ehrenpräsidenten haben noch immer Gewicht beim SCF. Laut Satzung gehören die Ehrenpräsidenten zum Vorstand. Sie können deshalb immer noch Politik machen in dem Verein, dessen Geschicke sie einst offiziell lenkten. Schattenmänner, sozusagen. Das ging bisweilen so weit, dass der Eindruck entstand, der SCF würde in Wirklichkeit von den Altvorderen geführt.

Nein, sie würden sich nirgendwo einmischen, sagt Hans Hahn. Der Rat der Ehrenpräsidenten sei derzeit nicht gewünscht. Die ganze Wahrheit ist das freilich nicht, denn hinter den Kulissen ist der Friede wieder einmal empfindlich gestört, seit SCF-Präsident Ettner begonnen hat, Kosten zu sparen und ein Privatdarlehen, das Ehrenpräsident Hahn dem Verein vor zweieinhalb Jahren zur Verfügung gestellt hatte, nicht mehr zu bedienen. Seit Dezember hat der SCF die Raten von monatlich 890 Euro nicht mehr beglichen. Insgesamt stehen von der Summe, die ursprünglich 70 000 Euro betrug, noch um die 45 000 Euro zur Zahlung aus. Der SCF hat damit seine Schuldenlast im Handstreich um einen ordentlichen Batzen verringert. Hahn sagt, er habe sich noch nicht entschieden, wie er nun verfahren wolle, ob er den Verein verklagen oder das halbe Dutzend Bürgen - darunter auch Ex-Präsident Lutzeier - zur Kasse bitten werde.

Bruck: Jahreshauptverammlung + Neuwahl SCF

Ehrenpräsident Hans Hahn.

(Foto: Johannes Simon)

Es ist nicht das erste Mal, dass Ettner und Hahn sich in die Wolle bekamen. Von einem Konto, auf dem Spenden für die Anschaffung eines Flutlichts für den neuen Kunstrasenplatz gesammelt wurden, hatte Hahn etwa 27 000 Euro entnommen, um andere dringende finanzielle Forderungen gegen den Verein zu begleichen. Man habe das Geld hernehmen müssen, "um die Insolvenz abzuwenden", sagt Hahn dazu. Mittlerweile aber habe er wieder so viel gesammelt, dass auch die 35 000 Euro für die Flutlichtanlage vorhanden seien. Überhaupt habe er in den vergangenen drei Jahren der Jugend im Verein etwa 40 000 Euro zur Verfügung gestellt.

Doch auch die Abteilung Jugendfußball musste herhalten. 20 000 Euro leitete Ettner, der nebenbei auch Jugendleiter des Vereins geblieben ist und keine Gelegenheit auslässt, die finanzielle Unabhängigkeit der Sparte zu betonen, aus der Jugendkasse an den Hauptverein weiter, um dort Löcher zu stopfen. Immerhin knapp 400 Euro muss im Jahr bezahlen, wer beim SCF als Jugendlicher Fußball spielen möchte. Damit will man sich qualifizierte Trainer leisten, so die Idee. Die Realität ist eine andere: Umgerechnet durften somit 50 Jugendliche mit ihrem Jahresbeitrag dem Verein aus größter Not helfen.

Zwischenzeitlich erodiert auch die Einnahmeseite. Der bisherige Hauptsponsor Techno Markt, in der der ehemalige SCF-Präsident Müller einer der Geschäftsführer ist, will sich nicht mehr beim SCF engagieren, sondern zieht zum Bundesligisten FC Augsburg weiter. Das Unternehmen wird die Namensrechte am Fürstenfeldbrucker Stadion, die es seit 2009 hält, über das Saisonende im Juni hinaus nicht verlängern und auch keinen Trikotsponsor mehr abgeben. Die erste Männermannschaft in der Landesliga wird laut Ettner schon für die gerade eben begonnene zweite Saisonhälfte noch einmal weniger Geld erhalten als zuvor. Eine zweite Mannschaft gibt es schon nicht mehr.

Bereits 2007 hatten sich die Stockschützen aus dem Sportclub verabschiedet, die Tischtennisspieler liefen zu Jahresbeginn zum TuS Fürstenfeldbruck über und nun suchen auch die Badmintonspieler das Weite. Sie haben ja längere Zeit zugeschaut, abgewartet, überlegt. Und dann vor einer Woche einstimmig beschlossen, ihre Abteilung beim SCF aufzulösen und sich mit einem neuen Verein selbständig zu machen. Zurück bleibt ein reiner Fußballverein. Das ist irgendwie konsequent, denn die Fußballer waren es schließlich, die jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt und den Verein in die finanzielle Schieflage gebracht hatten. Im April soll die Jahreshauptversammlung stattfinden, dann müssen Zahlen auf den Tisch, die zeigen, ob der Verein überhaupt noch eine Zukunft hat. Ihm werde vorgeworfen, er wolle den Verein absichtlich kaputt machen, erzählt Ettner. Das ärgert ihn. Don Quijote wird im Roman übrigens auch "Ritter der traurigen Gestalt" genannt. Ein gescheiterter Idealist.

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