Fürstenfeldbruck:Die Kirche geht ins Netz

Medienforum

Kardinal Reinhard Marx bei einer Sitzungspause im Hof des Fürstenfelder Stadtsaals.

(Foto: Günther Reger)

Mit Gottesdienst und Beichtangeboten allein lassen sich viele Menschen nicht mehr erreichen. Kardinal Reinhard Marx plädiert bei einem Symposium in Fürstenfeld für eine aktive Rolle im Umgang mit elektronischen Medien

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Elektronische Medien wie Facebook oder Twitter und ganz allgemein das Internet sind für die Kirche längst kein undurchschaubares Teufelszeug mehr. Im Gegenteil: Um mehr Menschen zu erreichen, will sich die Kirche ganz bewusst dieser Instrumente bedienen. Das hat Kardinal Reinhard Marx bei einem Symposium im Veranstaltungsforum klar gemacht. Der Erzbischof von München und Freising, der 2014 zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewählt wurde, warnte gleichwohl davor, bei aller Euphorie den Wesenskern der christlichen Botschaft aus dem Blick zu verlieren.

Der Mensch müsse weiterhin im Mittelpunkt bleiben, sagte Marx bei der Festveranstaltung zum 40-jährigen Bestehen des in München ansässigen Medien-Dienstleisters MDG, der die deutschen Diözesen berät. Unter dem Titel "Medienwandel erfolgreich gestalten" wurden mit Vorträgen und einer Podiumsdiskussion die Chancen und Risiken der Digitalisierung im kirchlichen Bereich beleuchtet. Diese habe fast schon "revolutionäre Kräfte entwickelt", räumte Marx ein. Die Kirche kommt also gar nicht umhin, sich mit den elektronischen Medien zu beschäftigen und zu versuchen das "Potenzial der Veränderung" konstruktiv zu nutzen. Deutlich wird das bereits auf den Ebenen der Pfarreien: Auch jene im Landkreis Fürstenfeldbruck nutzen die Möglichkeit, sich und ihre Angebote auf eigenen Homepages vorzustellen. Pfarrer wie Dekan Albert Bauernfeind oder auch Pater Mazur, der Leiter des Franziskaner-Klosters in Grafrath, nutzen Internet und E-Mail ganz selbstverständlich im Alltag. Gleiches gilt für Vertreter der evangelischen Kirche wie Dekan Stefan Reimers.

"Die Frage ist gar nicht mehr, ob die Digitalisierung sich auf unser gesellschaftliches Zusammenleben auswirkt, sondern nur noch: wie?", so Marx. Für ihn freilich impliziere die Betrachtung eines solchen Prozesses notwendigerweise immer die Frage nach denjenigen, die am Rand stehen oder an den Rand gedrängt werden. Eröffnet der Prozess, in dem wir uns befinden, Chancen für alle? Wie gehen wir mit den Schwachen um, die aufgrund ihrer Lebensbedingungen oder auch aus eigener Kraft heraus dem digitalen Wandel nicht folgen können oder wollen?" Diese Aspekte werden sich, so Marx, unter anderem auch auf dem Arbeitsmarkt zeigen. Damit wiederum müssten die kritischen Fragen verbunden werden, ob jeder in einem derart dynamischen Markt bestehen könne: "Wem eröffnen sich neue Chancen? Welche wirtschaftlichen und sozialen Folgen bringt die digitale Kluft mit sich? Welche Länder, welche gesellschaftlichen Schichten, welche Altersgruppen werden davon profitieren und welche eben nicht? Was bedeutet dies für den sozialen Frieden und für soziale Gerechtigkeit? Müssen wir die Bedingungen für eine chancengerechte Gesellschaft neu definieren?", fragt Marx. Die Kommerzialisierung sämtlicher menschlicher Lebensvollzüge berge die Gefahr, den Menschen auf einen eigennützigen User zu reduzieren, der über die von ihm vorhandenen Daten eingeschätzt, bewertet, beurteilt und vermarktet werden kann", sagte Marx im Gespräch mit Christoph Keese, Vizepräsident der Axel Springer SE. Es gehe darum, die Menschen zu befähigen und zu ermutigen, in einer "immer komplexer werdenden Welt, mit den Herausforderungen des gesellschaftlichen Wandels und auch des digitalen Wandels sowie mit einer zunehmenden Unübersichtlichkeit und Unsicherheit frei und verantwortlich umzugehen." Der Vorsitzende der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Gebhard Fürst, ist den neuen Medien gegenüber sehr aufgeschlossen. Aufgabe der Kirchen sei es, "Medien mit Leben zu füllen. Das gelingt uns einerseits als Institution mit aktuellen Nachrichten und qualitätsvollen, journalistisch hochwertigen Beiträgen. Andererseits müssen wir neue Wege einschlagen, wenn wir die noch jungen sozialen Medien mit unserer Botschaft und letztlich mit Leben und dem Geist des Evangeliums füllen wollen".

Neue Wege beschreitet die Führungsspitze der katholischen Kirche auch inhaltlich. So gilt Kardinal Reinhard Marx als Befürworter der Ökumene und wird am Freitag, 19. Juni, den Ökumenischen Kirchentag in Fürstenfeldbruck eröffnen.

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