Fürstenfeldbruck:Die Erinnerung bleibt

vor dem verschwinden, Haus 10

Zusammenspiel: Tomma Galonska (links) und Martina Koppelstetter inszenieren in einer Wort-Musik-Performance den Gedichtzyklus "Vor dem Verschwinden".

(Foto: oh)

Aus einem Gedichtzyklus entsteht eine außergewöhnliche Inszenierung

Von Julia Kiemer, Fürstenfeldbruck

Manche Dinge lassen einen einfach nicht los. Man vergisst sie manchmal für eine Weile, aber denkt dann doch immer wieder daran. So geht es auch Tomma Galonska. Seit sechs Jahren beschäftigt sie der Gedichtzyklus "Vor dem Verschwinden" von Andrea Heuser. Er hat sie so sehr gefesselt, dass sie nun auf dessen Grundlage eine Wort-Musik-Performance kreiert hat. Diese präsentiert sie am kommenden Sonntag, 20. September, um 18 Uhr im Rahmen der Werkstattkonzerte in der Kulturwerkstatt Haus 10 im Klosterareal in Fürstenfeld zusammen mit der Mezzosopranistin Martina Koppelstetter. Auch die Dichterin wird an diesem Abend anwesend sein.

"Vor dem Verschwinden" sei ein besonderes Werk, erzählt Galonska. Die 19 Einzelgedichte, aus denen der Zyklus besteht, handeln von einer Kindheitserinnerung, die durch einen bestimmten Ort wieder ins Gedächtnis des lyrischen Ichs zurückgerufen wird, erklärt die Performancekünstlerin, die derzeit in München wohnt. Die Erinnerung, das wird klar, sei mit einem tragischen Ereignis verbunden. Dieses werde aber nicht explizit genannt. Man könne nur erahnen, dass es sich um Suizid handle. "Jeder Zuhörer hat natürlich Assoziationen, aber es bleibt zwischen den Zeilen, was das Ereignis letztendlich ist." Im Vordergrund steht aber nicht die Tragik. Viel mehr ist es der Weg, die kindliche, unschuldige und vitale Empfindung zu dieser Erfahrung. "Man hat aber als Zuhörer natürlich auch den Moment, wo man merkt, dass dieses unschuldige Empfinden des Kindes kippt, wo man erahnt, dass etwas passiert sein muss", so Galonska. Besonders die Nichteinhaltung grammatikalischer Regeln fasziniert die Wahlmünchnerin an den Gedichten. Es sei eine so unzensierte Art, sich zu äußern und man fühle sich als Leser in das kindliche Wesen hineinversetzt. "Es passt eben perfekt zu der Erinnerung eines Kindes, das ja auch nicht immer grammatikalisch richtig denkt oder spricht", sagt die Künstlerin.

Seit 2009 befasst sie sich mit den Gedichten. Im gleichen Jahr kreierte sie auch eine Bühneninszenierung mit einer Sängerin und vier Sprechern. Schon länger beschäftigte sie sich mit der Idee, Lyrik auf besondere Art und Weise zu präsentieren. Das Konzept kommt an und der Text lässt sie auch in den folgenden Jahren nicht los. Nun hat sie eine Version ihres Stücks entwickelt, die nur noch für einen Sprecher und eine Sängerin gedacht ist. Vier Menschen seien einfach zu viel gewesen für die Wort-Musik-Performance.

Am Sonntag also wird Galonska abwechselnd mit ihrer Duett-Partnerin Martina Koppelstetter die Gedichte des Zyklus in Form von Sprechakten und Liedfragmenten wiedergeben. Beim Sprechen variiert die Performancekünstlerin viel, mal trägt sie rhythmisiert vor, dann als Ballade oder Dialog. Die musikalische Gestaltung, umgesetzt durch eine Mezzosopranistin als Teil des Duetts, hat die Künstlerin deshalb gewählt, weil diese den Zuschauer anders berührt. "Ich habe immer den Eindruck, dass das musikalische Element eine andere Ebene der sinnlichen Wahrnehmung des Zuschauers freilegt", so Galonska. Sie wolle die Elemente der Musikvertonung zudem auch mit dem Ansatz der Vielstimmigkeit kombinieren, da der Text damit spiele. Es seien immer zwei Menschen in den Gedichten präsent, das Kind mit der Erinnerung und der Mensch, der reflektiert. "Wir wollen es als Duett darstellen, weil der Gedichtszyklus ja eigentlich ein Dialog ist", so die Wahlmünchnerin.

Auch die Musik zur Performance, die Sidney Corbett komponiert hat, wirke zweistimmig, da die Sprechakte und der Gesang ineinander übergreifen. Die Musik könne man dabei ein bisschen mit einer Lyrikvertonung vergleichen, es kämen jedoch nur einzelne Zeilen der Gedichte darin vor, so Galonska. So wirke das Ganze bewusst fragmentarisch, sei aber auch perfekt aufeinander abgestimmt. Sie ist nun gespannt, wie die Kombination aus Liedfragmenten und Sprechakten beim Publikum ankommen wird, denn "so etwas gibt es ja bis jetzt noch nicht wirklich", findet Galonska.

Die Performance von Tomma Galonska und Martina Koppelstetter beginnt am Sonntag, 20. September, um 18 Uhr in der Kulturwerkstatt Haus 10 im Kloster Fürstenfeld. Der Eintritt kostet 10 Euro.

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