Fürstenfeldbruck:Die Angst vor dem Chlorhühnchen

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In Fürstenfeldbruck demonstrieren Politiker und engagierte Bürger gegen das Freihandelsabkommen TTIP

Von Valentina Finger, Fürstenfeldbruck

Der Traktor mit dem Protestbanner spricht Bände: Es sind mitunter kleine landwirtschaftliche Betriebe, die sich von dem kontrovers diskutierten Transatlantischen Freihandelsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership, kurz: TTIP) bedroht fühlen. Doch nicht die Bauern haben sich zum europaweiten Aktionstag gegen TTIP, Ceta und Tisa - die Abkommen mit Kanada und über den Dienstleistungssektor - vor dem Alten Rathaus in Fürstenfeldbruck versammelt. Es sind Vertreter der grünen und links orientierten Parteien, sozialer Organisationen und engagierte Bürger, die empört den Kopf schütteln, wenn von den Folgen eines barrierefreien Handels zwischen Deutschland und den USA gesprochen wird.

Am Brunnen vor dem Alten Rathaus steht Uli Baab mit einem Klemmbrett. "Haben Sie schon unterschrieben?", fragt sie energisch. Zusammen mit anderen Aktiven unterstützt sie an diesem Tag die Unterschriftensammlung der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) gegen TTIP und Ceta. Ihre Wut richtet sich auf die Eindämmung von Arbeitnehmerrechten sowie die drohende Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, wie Wasser- oder Energieversorgung. "Ich kann nicht verstehen, dass irgendjemand bereit ist, sich so entmündigen zu lassen. Auch nicht die Politik", sagt Baab. Dann hat sie wieder einen Passanten an der Angel. Max Kern ist zufällig vorbeigekommen. Als er hört, gegen was demonstriert wird, fragt er: "Wo soll ich unterschreiben?" Vor allem die Möglichkeit, unwissentlich genmodifiziertes Essen zu sich zu nehmen, macht ihm Angst.

Zwischen 300 und 400 Menschen beteiligen sich in Bruck an der Kundgebung in der Innenstadt. Besonders die kleinen Parteien unterstützen die Aktion. (Foto: Günther Reger)

Genau das gibt auch Stadtrat Andreas Ströhle (Piratenpartei) zu bedenken. Beim Zwischenstopp des Demo-Zugs im Rathausgarten gibt es von Ströhle noch einen Seitenhieb auf die Parteien, die nicht neben ÖDP, BBV, Grüne, Linke und Piraten an der Demo teilnehmen. Die Brucker SPD hatte sich kurz zuvor von dem Aktionstag distanziert. Man wolle zwar mehr Transparenz und stehe den möglichen Folgen dieser Freihandelsabkommen kritisch gegenüber, unterstütze aber keine "fundamentale Ablehnung", heißt es in einer Mitteilung von SPD-Stadtrat Philipp Heimerl. Während die Polizei zu Beginn zwischen 250 und 300 Demo-Teilnehmer schätzte, sind es nun etwa 100 mehr. Viele haben ihre Kinder dabei. Ob diese wissen, für was sie da in ihre Trillerpfeifen blasen, ist fraglich. Die Kinder von Gunter Senf (ÖDP) wissen es. "Sie wollen nicht, dass auf ihrem Teller bald ein Hühnchen liegt, das vielleicht mit Chlor beträufelt ist", sagt Senf. Als die Parolen - "TTIP weg, so ein Dreck!" - schließlich verstummen, spricht Oberbürgermeister Klaus Pleil (BBV) den Aktiven am Alten Rathaus seine volle Unterstützung aus. Kreisrat Martin Runge (Grüne) äußert seine Sorge um die kommunale Selbstverwaltung: "Immer mehr Supermarkt-Immobilien sind schon in Händen amerikanischer Fonds. Was wäre nun, wenn wir als Gemeinde den Anlieferverkehr so steuern wollen, dass die Anwohner nicht schon früh morgens belastet werden?" Fühlen sich die Investoren dadurch eingeschränkt, drohe Deutschland schnell ein Schiedsverfahren. Während in Bruck weitere Redner folgen, beschränkt man sich währenddessen in Eichenau auf das Sammeln von Unterschriften: 35 haben die Eichenauer Grünen eingeheimst, zusammen mit denen aus Fürstenfeldbruck sind es rund 300. Angesichts der etwa 200 000 Einwohner des Landkreises ist das nicht viel. Doch wie der Liedermacher Sepp Raith im Refrain seiner musikalischen Einlage zum Brucker Aktionstag singt: "Ogfangt is!"

© SZ vom 13.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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