Fürstenfeldbruck:Der Wandel der Weihnachtsgaben

Spielwaren

Spiele für die ganze Familie sind immer begehrt, wie Svenja Heidner zeigt.

(Foto: Günther Reger)

Spielzeughändler müssen sich umstellen. Produkte mit hohem Elektronikanteil verdrängen die Geschenke, die früher unter den Christbaum gelegt worden sind. Auch ist der Internet-Handel eine große Konkurrenz

Von Maren Jensen

Die Großeltern haben sich über ein Buch, eine Schallplatte oder das erste Miniatur-Blechauto gefreut, die Eltern über einen Kaufmannsladen, eine Puppe oder den ersten Walkman. Mit den Jahren haben sich die Geschenke verändert, die unter den Christbaum gelegt worden sind. Besonders in den vergangenen zehn Jahren hat es einen deutlichen Umbruch gegeben. Heutzutage wünschen sich die Kinder ein iPhone zu Weihnachten, Star-Wars-Flieger namens Imperial Star Destroyer und Barbies, die überdimensionale Monster-Köpfe tragen. Aber wie kam es zu solch großen Veränderungen?

Über den Wandel des Spielzeuges weiß die Germeringer Stadträtin Gabriele Off-Nesselhauf bestens Bescheid. 24 Jahre lang hat sie ein Fachgeschäft für Holzspielzeug geführt. "1985 habe ich den Laden mit meinem Mann Alex eröffnet", erinnert sich Off-Nesselhauf. Wehmut schwingt in ihrer Stimme mit, das Geschäft habe ihr viel bedeutet. "Das Holzspielzeug war damals unglaublich beliebt. Mit einer Kiste voll habe ich angefangen, jährlich wurden es mehr", sagt sie. Täglich kamen neue Kunden in das Geschäft, durch einen Zufall geriet die ehemalige Vorsitzende der Frauen-Union Fürstenfeldbrucks an einen Großhändler. "Das Geschäft schien gefahrlos, ja sogar zeitlos", sagt Off-Nesselhauf, die das Geschäft kurz nach der Geburt ihres ersten Sohnes eröffnete. Jahrelang lief der Verkauf auf Hochtouren, viele Eltern schenkten ihren Kindern einen Bagger, Bären und Trecker aus Holz zum Geburtstag oder an Weihnachten.

Im Jahr 2007 dann der Schock: Immer mehr Menschen bestellen im Online-Handel. Ein bis dahin ungeahnt großer Konkurrent lässt Off-Nesselhauf zwei Jahre lang um ihre Kundschaft kämpfen. Doch alle Anstrengungen helfen nicht. 2009 muss das Geschäft geschlossen werden. "Ich werde immer noch ganz traurig, wenn ich daran denke. Ich habe sehr an dem Laden gehangen", sagt Off-Nesselhauf rückblickend. Der Online-Handel habe das Geschäft in den Ruin getrieben. Die übrig gebliebenen Spielzeuge verschenkt die Stadträtin ab und zu an vorbeikommende Kinder. Dadurch hofft sie, wenigstens diese noch erreichen zu können.

Werden die alten Klassiker verloren gehen? Wird nur noch Elektronik verschenkt? Oder werden wie in der Modewelt alte Klassiker zurückkehren? Laut Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels (BVS) werden dieses Jahr technisch aufbereitete Spielzeugklassiker unter dem Christbaum liegen und somit Altes mit Neuem verbinden. "Spielzeugklassiker wurden technisch aufgemotzt", sagt BVS-Geschäftsführer Willy Fischel. Dazu gehöre die sprechende Barbie oder der auf zwei Rädern fahrende Dino. "Die Klassiker Dinosaurier und Einhorn interagieren jetzt dank moderner Sensoren mit den Kindern. Ob Quadrocopter mit eingebauter Kamera oder die Autorennbahn ohne Schienen - mit dem Smartphone können die Kids jetzt auch ihre Spielzeuge betreiben", sagt Fischel.

Der Entwicklung steht der Geschäftsführer nicht negativ entgegen. Jedes Kind sollte selbst entscheiden, was ihm gefällt, und auch die Eltern hätten noch ein Wort mitzureden. "Dank preiswerter elektronischer Module können Spielzeuge jetzt noch stärker mit den Kindern interagieren, bieten mehr Spielmöglichkeiten oder klingen und leuchten, sagt er.

Mit einem Umsatz von 2,8 Milliarden Euro sind Spielwaren in Deutschland ein bedeutendes Geschäft. 30 Prozent des Umsatzes werden alleine an Weihnachten gemacht. Fischel erstellt mit seinem Team seit dem Jahr 2003 zudem die Liste der am häufigsten verkauften Spiele. Von der Kamera-Drohne über den Roboterdino bis zur Hightech-Autorennbahn: Die angesagtesten Spielzeuge des Jahres 2015 stehen seit einigen Wochen fest. Immer mehr neue kuriose Produkte kommen auf den Markt. Vor allem interagierende Spielzeuge seien ein aufsteigender Trend. So zählt das Einhorn "Starlily" zu den meistverkauften Weihnachtsgeschenken in diesem Jahr. Das elektronisch gesteuerte Plüsch-Tier reagiert mittels Berührungs- und Geräusch-Sensoren auf Streicheleinheiten mit blinzelnden Augen, motorischen Bewegungen und programmierten Antworten.

Die Anzahl der elektronischen Spielzeuge hat sich im vergangenen Jahr um elf Prozent gesteigert. "Das ist wirklich ein enormer Anteil", sagt Petra Mörtl vom Spielwarengeschäft Magg in Germering. "Ich würde trotzdem sagen, dass das Spielzeug immer noch den gleichen Wert hat, wie vor 20 Jahren", sagt sie. Seit 18 Jahren gibt es den Laden in der Kleinfeldstraße, doch dem Online-Handel kann das Geschäft trotz langer Geschäftserfahrung nicht trotzen. "Das Internet ist so schnelllebig. Bis wir die Ware bekommen, ist sie schon wieder alt", sagt Mörtl. Deshalb setze der Laden auf Qualitätsspielzeug statt auf Elektronik. "Wir haben hochwertige Produkte, damit das Kind auch etwas hat, an dem es festhalten kann", sagt sie.

Auch an ihr erstes Spielzeug kann sich die 52-Jährige noch erinnern. Es ist ein kalter Dezemberabend, als der Weihnachtsbaum der Familie mit echten Kerzen hell erleuchtet wird. Drei Jahre ist Mörtl alt. Unter dem Christbaum liegt ein Geschenk für sie. Freudig reißt sie das Geschenkpapier auf. Doch der Inhalt lässt sie schaudern: unter dem glitzernden Papier schaut ein Aufziehaffe mit Becken und Federwerk hervor. "Ich hatte fürchterliche Angst vor ihm", sagt Mörtl und lacht. Der aus Blech, Mohairplüsch und Filz bestehende Affe war eines der ersten Aufziehspielzeuge. In den Fünfzigerjahren erfreute er sich großer Popularität, doch seine rötlichen Augen waren für viele Kinder ein Graus. "Ich habe ihn trotzdem noch. Das erste Geschenk hat einfach eine enorme persönliche Bedeutung", sagt Mörtl. Gerne erinnert sie sich an die Zeit, in der elektronische Barbies noch erhältlich waren.

Welche enorme Rolle der Online-Handel bei den Weihnachtsgeschenken spielt, beweisen auch jüngste Auswertungen des Bundesverbandes des Spielwaren-Einzelhandels. Etwa 32 Prozent aller Spielzeuge werden im Internet bestellt. "Ich denke, dass wir lernen müssen damit umzugehen", sagt Svenja Heidner, Filialleiterin des Spielzeughandels Raindl in Fürstenfeldbruck. Seit sieben Jahre arbeitet die 24-Jährige in dem Geschäft, auch sie hat den Wandel miterlebt. Aus allen Ecken des Ladens leuchtet es in verschiedenen Farben. Plötzlich ertönen merkwürdige Laute hinter dem Regal mit den Star-Wars-Schwertern. Ein kleiner junge drückt auf alle Knöpfe elektronischer Kuscheltiere. Manche von ihnen können sprechen, andere laufen.

Wenige Regale weiter befindet sich die Puppen- und Barbie-Abteilung. Auch hier hat sich einiges verändert. Auf Knopfdruck galoppiert Barbies Reitpferd von selbst durch das Kinderzimmer, nur der Finger muss einmal gekrümmt werden, um das ganze Pferd stundenlang zu bewegen. Während einige Mädchen mit großen Augen davorstehen, nutzen andere Kinder die Zeit, um eine Plastikkiste randvoll mit Spielsachen zu füllen. Diese werden mit Namen und Geburtsdatum beschriftet, Familienangehörige und Freunde können in den Laden kommen und die Spielsachen kaufen, damit die Wünsche der Buben und Mädchen erfüllt werden. In der Kiste des neunjährigen Dominik liegt eine Wasserpistole mit 23 Meter Schussweite und rotierender Trommel. Darüber befindet sich ein "Bionicle Scull Scorpio", ein Lego Skorpion mit leuchtend roten Augen. "Lego geht immer", ist sich Heidner sicher.

Dem stimmen auch andere Verkäufer in der Region zu. Zeitweise war die Marke sogar nicht mehr lieferbar. "Das ist wirklich enorm geworden", bestätigt Therese Roth, Leiterin der Spielwarenabteilung von Treffpunkt Wagner in Olching. Seit 23 Jahren arbeitet sie in dem Geschäft an der Hauptstraße. Den großen Einbruch durch den Online-Handel hat sie selbst miterlebt. Doch in diesem Jahr beobachtet Roth einen positiven Trend. "Es werden wieder mehr Puppen gekauft", stellt sie fest. Dies könne aber auch daran liegen, dass das Geschäft keine elektronischen Spielgeräte führe. "Die Kunden kommen zu uns, um eben keine Elektronik zu kaufen. Deshalb ist der Wandel bei uns anders zu beurteilen denke ich", sagt Roth.

Neben der Elektronisierung und der großen Konkurrenz des Online-Handels steht auch Markenware in diesem Jahr im Vordergrund. Immer mehr rückt der materielle Wert der Geschenke an Heiligabend in den Fokus, der christliche Sinn des Festes wird häufig verdrängt. Etwa 300 Euro gibt jeder Deutsche im Durchschnitt für Weihnachtsgeschenke aus. Vor allem Kinderspielzeug hat seinen stolzen Preis. Auf diversen Internetplattformen wird darüber diskutiert, wann ein Kind das richtige Alter für ein iPhone oder ein Tablet hat. Zwischen drei und fünf Jahren sei ein geeignetes Alter, sagt eine Mutter. Kinder-Tablets seien schließlich ohne Internetzugang.

Neu in diesem Jahr ist auch die "moderne Luxusvilla" von Playmobil, aus der Reihe "City Life" für 120 Euro mit Türklingel und Wandtresor für Schmuckstücke. Erweitert werden kann das Set mit Pool und Gästebungalow. Auch Raindl führt die Marke. Die Kinder reißen sich darum, eine Mutter kauft gleich zwei Sets von der Reihe. Auch sie habe damals mit Playmobil gespielt, sagt sie. Etwa zwei Meter weiter steht ein Sandkasten für das Kinderzimmer, gefüllt mit knallpinkem "Supersand", der aneinanderklebt und trotzdem nicht schmutzig macht. Rausgehen zum Spielen müssen die Kinder auch nicht mehr.

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