Fürstenfeldbruck:Der Interkommunalpolitiker

Runge und BBV

Quintens Quittenschnaps steht schon in Reichweite, noch aber geht es um die zwischen grün-gelb-blauen Aktendeckeln abgehefteten Inhalte: Martin Runge (rechts), Stadträtin Irene Weinber und BBV-Chef Klaus Quinten.

(Foto: Günther Reger)

Gut ein halbes Jahr nach seiner Niederlage bei der Brucker OB-Wahl bewertet Martin Runge wichtige Projekte der Stadt. Die Bilanz des Gröbenzeller Gemeinderats und Landtagsabgeordneten fällt sehr durchwachsen aus

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Er entwickelt sich zur omnipräsenten Person, mancher spricht scherzhaft sogar vom "ersten Interkommunalpolitiker" des Landkreises: Martin Runge, stellvertretender Bürgermeister von Gröbenzell sowie Kreisrat und Landtagsabgeordneter der Grünen, hat auf Einladung der Brucker Bürgervereinigung die heißen Eisen angefasst, die es zurzeit gibt - in Fürstenfeldbruck wohlgemerkt. Runge war als Kandidat von BBV und Grünen im Mai in der OB-Stichwahl auf 48 Prozent gekommen und seinem Konkurrenten Erich Raff (CSU) knapp unterlegen. Während Amtsinhaber sich meist nach hundert Tagen im Amt vorrechnen lassen müssen, was sie bis dahin geschafft und woran sie sich die Zähne ausgebissen haben, stellt Runge nach etwa 200 Tagen dem Chef im Brucker Rathaus ein erwartungsgemäß durchwachsenes Zeugnis aus.

Beim "thematischen Stammtisch" der BBV im Restaurant Venezia lässt sich der Politiker von den etwa 20 Zuhörern zu Themen leiten wie S-Bahnausbau, Viehmarktplatz, Alter Schlachthof und Sparkassenfusion, die zum Teil auch im Kreistag bei ihm aufschlagen. Nur zwischen den Zeilen taucht Raff auf. Etwa, als Runge mit Blick auf die seiner Ansicht nach großen Transparenzdefizite beim Projekt Sparkassenfusion und die Rolle des OB als Verwaltungsratsvorsitzender Zweifel anklingen lässt, dass "ein Polizeibeamter solche Bilanzen" lesen kann. Oder mit Blick auf den immer wieder hochkochenden Zwist Raffs mit der parteifreien Stadträtin Alexa Zierl: Ein Sitzungsleiter wäre besser beraten, in solchen Fällen zu moderieren, findet Runge.

Zur Belohnung für seine 200-Tage-nach-der Stichwahl-Bilanz gibt es aus den Händen des BBV-Chefs Klaus Quinten jenen handverlesenen Quittenschnaps, den es auch schon als Belohnung für die Bewerbungsrede als BBV-Kandidat im Februar gegeben hatte. Am Rande des Vortrags wird auch noch bekannt, dass Runge am 11. November - einem ansonsten für Faschingsfreunde durchaus bedeutsamen Datum - seinen BBV-Mitgliedsantrag eingereicht, bislang aber noch keine positive Rückmeldung erhalten hat.

An der zweiten S-Bahn-Röhre lässt der 59-Jährige kein gutes Haar. Nicht nur, dass er große Zweifel hegt, dass sie vor dem Jahr 2040 fertig wird und er die Kostenexplosion von einst 583 Millionen auf nun wohl 3,5 Milliarden Euro geißelt. Sie bringe darüber hinaus in der Rushhour "an elf Stationen Taktverschlechterungen" - Züge verkehren statt alle zehn künftig nur alle 15 Minuten. Von Verschlechterungen beim Brandschutz ganz zu schweigen. Runge hofft, dieses "schändliche Konzept, mit dem die Leute für blöd verkauft werden", doch noch verhindern zu können. Die BBV verschont er nicht vor einer unliebsamen Wahrheit: Vor allem ein Brucker OB habe sich mit Brandbriefen an Bahn und Staatsregierung gegen diesen unsinnigen Tunnel gestemmt - nicht Erich Raff, aber eben auch nicht dessen BBV-Amtsvorgänger Klaus Pleil, sondern Alt-OB Sepp Kellerer von der CSU.

Runge warnt erneut vor einem allzu aufgeblähten Fliegerhorst. Bis zu 5000 Wohnungen und 4000 Arbeitsplätze sind ihm an der Stelle zu viel in einer ohnehin überhitzten Münchner Region. Viel zu gering hingegen sei der Grundstückspreis, den Maisach dem BMW-Konzern in einer Kaufoption fürs Jahr 2021 zugesichert habe. Sechs Euro pro Quadratmeter für die 130-Hektar-Fläche - fast schon sittenwidrig seien solche Vorzugskonditionen.

Mit dem Zweitem Bürgermeister Christian Götz (BBV) ist sich Runge einig, dass auf dem Viehmarktplatz doch noch eine Markthalle gebaut werden kann - beide plädieren dafür, sich die Vorteile aus den verschiedenen Architekturentwürfe zusammenzufügen. Götz ist es, der dann doch ein paar versöhnliche Worte für Raff findet. Der wolle die Viehmarktbebauung nicht komplett kippen. Götz selbst könnte sich sogar vorstellen, dass die Stadt nicht nur die - überfällige - Platzgestaltung, sondern auch den Bau der Markthalle in die eigene Hand nehmen könnte - auch wenn der Betrieb wohl kaum Gewinn abwerfe.

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