Fürstenfeldbruck:Der Haft entgangen

Amtsgericht verurteilt vorbestraften, psychisch kranken 71-Jährigen wegen Ladendiebstahls zu Geldstrafe von 1200 Euro

Der Wert der gestohlenen Ware ist denkbar gering. Er beträgt nicht einmal sechs Euro. Und dennoch geht es bei dieser Verhandlung vor dem Amtsgericht in Fürstenfeldbruck für den 71 Jahre alten Angeklagten um sehr viel: Wegen seiner 23, oft einschlägigen Vorstrafen droht dem Frührentner, der von Grundsicherung lebt, eine Haftstrafe. Für den ehemaligen Angestellten im öffentlichen Dienst wäre es nicht die erste. Doch Staatsanwältin und Richter berücksichtigen die schwierigen Lebensumstände des Rentners, der seit Jahrzehnten unter psychischen Problemen leidet, so dass er am Ende mit 1200 Euro Geldstrafe davonkommt.

"Ich habe einen Teil der Ware bezahlt", beginnt der verheiratete 71-Jährige. Den Rest - Bananen, einen Rollschinken und Süßigkeiten im Wert von 5,68 Euro - habe er in der Tasche gelassen, gesteht er. Weitere Ausführungen zu seinen Motiven macht er zum Bedauern seiner Verteidigerin nicht. Auf deren Nachfrage erwidert er noch ein paar kryptische Sätze. So erfährt man, dass der im östlichen Landkreis lebende Angeklagte diverse Medikamente, etwa gegen Rheuma und Bluthochdruck, aber auch Psychopharmaka, einnehmen muss. Und dass seine Frau schwer krank ist; sie leidet an Arthrose und konnte deshalb nicht mit zur Verhandlung kommen.

Die Marktleiterin schildert, wie sie den ertappten Angeklagten zur Rede stellte. Er habe sich weder gewehrt noch widersprochen, sondern sofort alles zugegeben. Die Polizei hatte ihre Aussage nach der Tat protokolliert. Darin hatte sie angegeben, der Mann habe wegen seiner kleinen Rente gestohlen. Doch daran konnte sich die Zeugin vor Gericht nicht mehr erinnern.

Ein Psychiater und Nervenarzt, bei dem der 71-Jährige seit 15 Jahren seine depressive Störung behandeln lässt, beschreibt seinen Patienten als "resigniert, perspektivlos". Egal welche Therapie oder was für eine Lebensphase, "ich habe niemals wesentliche Veränderungen gesehen". Er berichtet, dass der Angeklagte seit er 30 ist, also seit 1976, an Depressionen leidet. Er sehe durchaus einen Hang zur Kleptomanie bei ihm, was auf eine gestörte Impulskontrolle hindeute. Diesen Punkt sieht der psychiatrische Gutachter genauso, eine Schuldunfähigkeit stellt er aber nicht fest. Der Rentner sei von seiner Persönlichkeitsstruktur her sehr passiv, "er hat eine Persönlichkeit entwickelt, die abhängige Züge hat" und neige dazu, anderen die Schuld zu geben. "Wir haben ein Geständnis, wir haben eine Zeugenaussage", der Diebstahl geringwertiger Sachen durch den Angeklagten stehe somit fest, fasst der Staatsanwalt zusammen. Er verweist auf die vielen Vorstrafen samt zwei offener Bewährungsstrafen, aber auch auf den schlechten körperlichen und psychischen Zustand des Angeklagten; aufgrund seiner Depressionen war er in Frührente geschickt worden. "Aufgrund der besonderen Umstände würde ich hier ausnahmsweise für eine Geldstrafe plädieren", schließt er und beantragt 120 Tagessätze zu je 10 Euro. Dem kann sich freilich auch die Rechtsanwältin anschließen.

Der Vorsitzende Richter Martin Ramsauer folgt dem Antrag. "Vor allem der schlechte Gesundheitszustand des Angeklagten" sowie sein fortgeschrittenes Alter würden eine Haftstrafe als ungeeignet erscheinen lassen. Eine Geldstrafe sei angemessener, "allerdings, nachdem es zum x-ten Mal gewesen ist, eine erhöhte Geldstrafe".

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