Fürstenfeldbruck:Der Glücksbringer

Bezirksschornsteinfegermeister Stefan Riedl

Ein Meister seiner Zunft: Stefan Riedl, 38 ist für den Kehrbezirk Fürstenfeldbruck 2 zuständig.

(Foto: oh)

Bezirksschornsteinfeger Stefan Riedl kehrt und prüft nicht nur, von Berufs wegen ist er auch ein sehr gern gesehener Gast auf Hochzeiten und Geburtstagen

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Stefan Riedl wird gerne mal angefasst. Nicht weil Riedl einer fragwürdigen Tätigkeit nachgeht, sondern weil er als Schornsteinfegermeister im Landkreis Fürstenfeldbruck arbeitet. Und als solcher, so behauptet der Volksmund, bringt er Glück. So kommt es also hin und wieder vor, dass ihm seine Kunden die Hand schütteln oder die Knöpfe seiner Uniform berühren - je nachdem, wie die jahrhundertealte Legende um die Kaminkehrer auslegt wird. "Was du als Schornsteinfeger häufiger hast, ist, dass du zu den Kunden kommst und dort gerade eine Geburtstagsfeier im Gange ist", sagt der 38-Jährige. Da ist er dann ein gern gesehener Gast. "Es kommt auch immer mal wieder vor, dass ein Kunde sagt, der Nachbar hat heute seinen Achtzigsten. Schau da doch mal hin und gratulier ihm." Und Riedl macht das. "Ich finde das echt nett", betont er. Gerade der Umgang mit den Menschen gefalle ihm an seinem Beruf außerordentlich gut.

Riedl ist vor einigen Wochen erneut für sieben Jahre als Bezirksschornsteinfegermeister für den Kehrbezirk Fürstenfeldbruck 2 bestellt worden. In seinem Bezirk ist er zuständig für rund 2500 Anwesen und erledigt sowohl die hoheitlichen Aufgaben wie Feuerstättenschau und Verwaltung sowie die handwerklichen Aufgaben, wozu Kehr- und Prüfarbeiten gehören. Dass er beide Bereiche abdecken kann, ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Denn wo den Kehrbezirken lange Zeit feste Schornsteinfeger zugeteilt waren, gilt seit 2013 freie Dienstleisterwahl. Damals wurde eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt. Kunden hatten sich in ihrer Wahlfreiheit eingeschränkt gefühlt. Und die Arbeiten wurden in einen hoheitlichen und einen handwerklichen Bereich aufgeteilt. Für die Kehr- und Prüftätigkeiten darf nun jeder den Kaminkehrer seiner Wahl ins Haus holen. Große Umbrüche gab es für Riedl danach nicht. "Von 2500 bis 2600 Anwesen haben nur wenige gewechselt", sagt er.

Verändert hat sich hingegen die Erneuerung der Zuteilung von Kehrbezirken alle sieben Jahre. Früher hat der Schornsteinfeger seinen Kehrbezirk in der Regel sein Berufsleben lang behalten, außer es stellte sich bei den regelmäßigen Prüfungen des Landratsamts heraus, dass er sich etwas zu Schulden hatte kommen lassen. Heute werden die Karten alle sieben Jahre neu gemischt und die Kehrbezirke nach einem Punktesystem neu vergeben. "Das bringt natürlich Unsicherheit. Ist jemand anderes für den Kehrbezirk besser geeignet, erreicht also mehr Punkte, bekommst du ihn nicht wieder, obwohl du keine Fehler gemacht hast", erklärt Riedl. Dann bricht ein großer Teil der Arbeit weg, es bleiben nur noch freie handwerkliche Tätigkeiten.

Riedl hat es geschafft und freut sich über die Bestätigung. Das besondere an seinem Kehrbezirk: auch das Standesamt befindet sich darin. Und so kommt Riedl und seinen Mitarbeitern eine ganz besondere Ehre zu. "Da rufen öfter mal Paare an, die auf ihrer Hochzeit gerne einen Kaminkehrer dabei hätten", sagt er. Das Glück in der Ehe soll ja nicht dem Zufall überlassen bleiben. Und dem Wunsch der Paare kommen Riedl und seine Kollegen gerne nach.

Der Glaube daran, dass der Schornsteinfeger Glück bringt, hat sich schon vor Jahrhunderten gefestigt. Ausgelöst durch Stadtbrände im Mittelalter, wurden in Deutschland nach und nach die ersten Feuer- und Brandschutzverordnungen erlassen, vermehrt gab es sie im 16. und 17. Jahrhundert. Wer seinen Kamin regelmäßig vom Kaminkehrer reinigen ließ, vermied Rußbrände. Der Kaminkehrer brachte also Sicherheit und Glück ins Haus. Die Arbeit der Schornsteinfeger besteht aber schon lange nicht mehr nur aus der reinen Kehrtätigkeit. Immer wichtiger wird die Energieberatung. "Generell ist das eine Zusatzqualifikation", sagt Riedl. Nicht jeder Schornsteinfeger sei automatisch offizieller Energieberater. Aber es komme natürlich häufig vor, dass man von den Kunden um Rat gebeten wird. Etwa wenn es um den Austausch einer Heizungsanlage geht. "Unsere Aufgabe ist es dann, neutral zu beraten." Das sei ein riesiger Pluspunkt der Kaminkehrer, denn sie können völlig unabhängig beraten und hinter den Ratschlägen stecke kein wirtschaftlicher Druck.

Für seinen Job würde sich Riedl auch heute wieder entscheiden, auch wenn er zeitintensiv und anstrengend ist. Schwere Gerätschaften wie etwa ein Industriesauger müssen mitgeschleppt werden. Und mehrmals täglich muss vom Keller aufs Dach und wieder hinunter gestiegen werden. Im Winter ist man ständig starken Temperaturschwankungen ausgesetzt, wenn man aus der Kälte in die aufgeheizten Häuser kommt. Das sei auch einer der Gründe, warum sich überwiegend Männer zum Schornsteinfeger ausbilden lassen. Riedl hat dennoch eine Mitarbeiterin. Er findet, dass Frauen diesen Job genauso gut erledigen.

Trotz aller Widrigkeiten: Sein Beruf habe ausgezeichnete Perspektiven, findet Riedl. Das sehe man allein schon an den Klimaschutzzielen, die neu vereinbart werden. "Die Auflagen werden immer strenger." Außerdem stünden in seinem Beruf neben Technik und Umweltfragen mathematische sowie physikalische Aufgabenstellungen im Vordergrund. Bereiche, die den Unterdießener schon seit seiner Jugend interessiert haben. Und dann kommt eben noch das Menschliche hinzu. Jeden Tag besucht Riedl zehn bis 15 Häuser. Die Gespräche und Begegnungen schätzt er sehr. "Im Lauf der Jahre macht man sehr viele Erfahrungen, trifft viele Leute". Man bekomme einfach unglaublich viel mit, erfahre auch von Schicksalsschlägen. "Du kannst daraus viel für dich persönlich mitnehmen", findet Riedl. Zum Beispiel, "dass du dein Leben genießen solltest, so lange du kannst".

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