Fürstenfeldbruck:Das Popgiganten-Plagiat

Bei der Abba-Gold-Concert-Show versuchen sich vier Profimusiker an einer schier unmöglichen Aufgabe

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Mit 380 Millionen verkauften Platten gehört die schwedische Gruppe Abba neben den Beatles zu den erfolgreichsten Popbands der Welt. Wer sie covern will, hat ein Problem: Abba-Fans kennen alle Texte und Melodien auswendig. Und für Abba-Fans wird die Originalbesetzung aus den beiden Paaren Agnetha Fältskog und Björn Ulvaeus sowie Benny Andersson und Anni-Frid Lyngstad immer das unerreichbare Nonplusultra sein. Diese Problem haben am Mittwochabend auch die zwei Frauen und zwei Männer, die, unterstützt von einem Schlagzeuger und einem Bassisten, im Stadtsaal des Veranstaltungsforums gegen einen übermächtigen Mythos ansingen.

Etwa 400 Besucher sind zu "Abba Gold - The Concert Show" gekommen. Die hinteren Reihen sowie die Empore bleiben leer. Jene, die zu Hause geblieben sind, könnten sich bestätigt fühlen durch die ersten zehn Minuten. Die blonde Sängerin Debbie Watt, die brünette Kate Bassett , Gitarrist Richard Benson und Keyboarder Dale Forbes haben ein paar Anlaufschwierigkeiten. Waterloo, der Song, mit dem Abba 1974 den Eurovision Song Contest gewann, klingt dünner als im Original, die Stimmen der englischen Profimusiker liegen nicht exakt auf der Linie der schwedischen Superstars. Doch die Zuschauer, meist im Altersbereich zwischen 40 und 60, haben Geduld mitgebracht. Perfektion hin oder her, sie wollen in ihren Erinnerungen schwelgen. Sie wollen zurückreisen in die Siebzigerjahre, in denen sie vielleicht im alten VW Käfer ihre Flamme abholten oder die Erfolge der deutschen Sportler bei den Olympischen Spielen und der Fußball-Weltmeisterschaft in München feierten.

Die 1972 gegründete Popband Abba , die sich 1982 nach internen Querelen auflöst, ist nicht nur ein musikalisches Kunstwerk für die Ewigkeit. Die vier Ausnahmemusiker punkteten auch mit ihren skurrilen Bühnenkostümen. Und da hält das Plagiat im Stadtsaal mit: Diese komische blaue Hose, diese Mischung aus Schlaghose und Knickerbocker, die oben eng anliegt und kurz unterm Knie in Rüschen endet, diese Glitter-Flitter-Plateauschuhe, mit denen neben Abba damals auch die US-Glamrocker von Kiss über die Bühne staksten. Ist das Abba da vorne im grellen Bühnenlicht? Na klar, das ist Abba! Auch deshalb, weil vor allem die Stimme des Agnetha-Verschnitts Debbie Watt zu alter Brillanz findet. Voulez vous? Wollen Sie? Ja, alle wollen. Die Besucher hält es nicht auf den Plätzen, sie lassen sich von Benson, der mit seiner ulkigen Perücke wirklich ein wenig aussieht wie Benny, zu allen möglichen Turnübungen überreden. Zwei Frauen in der ersten Reihe kriegen sich gar nicht mehr ein, filmen mit den Handys, winken, tanzen. Es folgen all die Superhits, von Take a chance on me, Knowing me, knowing you, The Winner takes it all, Super Trouper, bis What's the Name of the Game. Bei Fernando greift Benson zur akustischen Gitarre. Und ja, das klang bei Abba keinen Deut anders. Wer die Augen schließt, erinnert sich an Fernsehshows, an schwarze Vinylscheiben auf Plattenspielern im Jugendzimmer.

ABBA-Show

Die blonde Leadsängerin Debbie Watt und die brünette Kate Bassett doubeln Popikone Agnetha Fältskog und Anni-Frid Lyngstad.

(Foto: Günther Reger)

Sandra erinnert sich nicht daran. Wie auch? Als sie geboren wurde, da waren Abba seit acht Jahren Geschichte. Ihr Lieblingslied One of Us, auf das sie in der ersten Hälfte vergeblich hofft, wurde im Oktober 1981 aufgenommen. Das fast schon schwermütige Lied gab die wahre Situation der Gruppe wieder: zwei geschiedene Paare. Die 24-Jährige aus Fürstenfeldbruck bezeichnet sich selbst als wirklichen Abba-Fan. Mögen andere Jugendliche rebellierten, sich über den Musikgeschmack der Alten lustig machen und ihm Tokio Hotel oder Boygroups vom Schlage Take That entgegensetzen - bei Sandra und ihren Eltern gibt es keine generationsüberschreitenden Differenzen. Mit acht Jahren kam sie bereits auf den Geschmack. Sandra hat ihren Freund Florian mitgebracht. Der ist 29. Das muss Liebe sein, denkt man sich. Warum sonst ließe so jemand die TV-Übertragung der Fußball-Championsleague sausen und besucht einen Abba-Aufguss? Denkste. Schon klar, Florian ist Rammstein-Fan. Aber neben den Brutalorockern bleibt Platz für soften, melodischen, mehrstimmigen, unsterblichen Schwedenpop à la Dancing Queen. Auch er findet die Show und das Agnetha-Doubles richtig gut.

Nach der Pause stehen zwei Paar auf der Bühne, die in eine Mischung aus seidig glänzendem Pyjama und Judoanzug gehüllt sind - ähnlich wie die mit einem Hund und einer Katze bestickten Kostüme des blonden Männer-Traums Agnetha und ihrer Bandkollegin Anni-Frid, als sie 1975 auf der Bühne standen und SOS sangen.

Auf One of Us freilich wartet Sandra an diesem Abend vergebens. Vielleicht wäre das denn doch zu viel der Sentimentalität gewesen bei diesem Parforceritt durch die glorreichen und glamourösen Jahrzehnte der Popmusik.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: