Landkreis Fürstenfeldbruck:Das Ende der Willkommenskultur

Landkreis Fürstenfeldbruck: Erste Unterkünfte: Als viele Flüchtlinge in den Landkreis kommen, dienen Turnhallen wie die in Puchheim als Behausungen.

Erste Unterkünfte: Als viele Flüchtlinge in den Landkreis kommen, dienen Turnhallen wie die in Puchheim als Behausungen.

(Foto: Carmen Voxbrunner)
  • Der Landrat des Landkreises Fürstenfeldbruck, Thomas Karmasin, richtet einen Hilferuf nach Berlin.
  • Er könne die menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge in seinem Zuständigkeitsgebiet nicht mehr gewährleisten, sagte der CSU-Politiker.
  • Der Flüchtlingsstrom habe auch Konsequenzen für die Bürger - und Karmasin erklärt auch gleich, welche.

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Landrat Thomas Karmasin schlägt Alarm. Angesichts der weiter steigenden Flüchtlingszahlen will er nun nach dem Notfallmodus vorgehen. Wie Karmasin am Dienstagnachmittag bei einer Pressekonferenz erklärte, sind die bisherigen Ziele einer Willkommenskultur und menschenwürdigen Unterbringung nicht mehr einzuhalten.

Auch an die mit den Bürgermeistern der 23 Kommunen vereinbarte Unterbringungsquote zur gerechten Verteilung der Asylbewerber fühlt er sich nicht mehr gebunden. Seit dieser Woche haben für den Landrat große Lösungen - wie die Belegung der 16 Turnhallen des Landkreises und dann der Hallen der Gemeinden - Vorrang vor der Suche nach dezentralen Unterbringungsmöglichkeiten in angemieteten Wohnungen und Bürogebäuden.

Die nächste Turnhalle, in die Flüchtlinge einziehen sollen, ist die Zweifachturnhalle der beiden Germeringer Gymnasien. Auch im Landratsamt werden die Aufgaben neu verteilt. Viele Bereiche müssen hinter der Betreuung der Flüchtlinge zurückstehen.

"An der Grenze der Resignation"

Die Landkreisbewohner würden das zu spüren bekommen, wenn in der Bauabteilung die Bearbeitung von Bauanträgen länger dauert, wenn es in der Zulassungsstelle nicht mehr genug Personal für die Bearbeitung der Fahrzeuganmeldungen gibt oder wenn im Bürgerservicezentrum des Landratsamtes nicht mehr jeder Telefonanruf angenommen werden kann.

"Ich schließe nicht aus, dass wir als Behörde an die Grenze der Resignation kommen", sagte der Landrat. So weit, dass er selbst hinwerfe, sei er noch nicht. Er stelle sich weiter der Aufgabe.

Karmasin hofft, dass in der Bundespolitik endlich die Botschaft ankommt, dass es so nicht länger weitergehen könne. Ändert sich nichts, werden keine Maßnahmen zur Eindämmung des Flüchtlingszustroms ergriffen, wäre der nächste Schritt nach der Belegung der dem Landkreis gehörenden Turnhallen und der Beschlagnahme von gemeindlichen Hallen die Belegung von öffentlichen Tiefgaragen.

Vorher wird für die Hallen eine Prioritätenliste erstellt. "Unser Problem ist: Wenn die Turnhallen zugeflutet sind, müssen wir Tiefgaragen suchen", stellte der Behördenleiter fest. Deshalb hat er seine Mitarbeiter damit beauftragt, auch alle geeigneten Kultur-, Gemeinde- und sonstigen Hallen der Kommunen auf die Tauglichkeit zur Unterbringung von Asylbewerbern zu überprüfen.

Ausdrücklich sollen auch weitere Großobjekte in diese Prüfung einbezogen werden. Und die Zahl der Notfallbetten wird auf 300 erhöht. Karmasin geht davon aus, dass er schon in vier Wochen 500 Notfallbetten brauchen wird. Die Alternative, die der Brucker Landrat ebenfalls erwähnte, aber nach eigenem Bekunden nicht umsetzen will, wäre es, dem Beispiel anderer EU-Länder zu folgen und sich überhaupt nicht mehr um die Asylbewerber zu kümmern. Karmasin rief die Zustände in Paris in Erinnerung, wo etwa 50 000 Flüchtlinge obdachlos auf der Straße leben müssten.

Der Landrat sieht sich nach eigenen Worten mit einer Situation konfrontiert, die weit schwieriger zu bewältigen ist als es beispielsweise die zwei Hochwasserkatastrophen waren. Damals habe es immerhin eine Perspektive auf Besserung gegeben. In absehbarer Zeit sei jetzt hingegen ein Punkt erreicht, an dem das Landratsamt die Flüchtlingswelle nicht mehr bewältigen könne.

3000 Asylbewerber bis zum Jahresende

Es wird damit gerechnet, dass der Landkreis bis zum Jahresende insgesamt etwa 3000 Asylbewerber unterbringen muss - doppelt so viele wie aktuell. Was es bedeutet, wenn dieser Zustrom nicht mehr administrativ zu bewältigen ist, verdeutlichte Karmasin am Beispiel der Auszahlung des Taschengeldes an Asylbewerber.

Wenn Bauanträge oder die Zulassung von Fahrzeugen nicht mehr zügig bearbeitet werden können, dann sehe sich die Landkreisverwaltung künftig auch nicht mehr in der Lage, das Taschengeld an Asylbewerber so zügig auszuzahlen, wie es zurzeit noch der Fall ist.

Die Folgen sollen alle spüren, Landkreisbewohner und Flüchtlinge gleichermaßen. Die Frage, ob er mit seinen Maßnahmen provoziere und Fremdenfeindlichkeit befördere, verneinte Karmasin.

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