70 Jahre Kriegsende im Landkreis:Das Ende der Nazi-Herrschaft

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Ein amerikanischer Jeep auf der Amperbrücke in Fürstenfeldbruck symbolisiert Kriegsende und Neuanfang 1945. (Foto: Stadtarchiv Fürstenfeldbruck)

Amerikanische Truppen erobern am 29. und 30. April 1945 den Landkreis. In Eichenau, Fürstenfeldbruck, Gröbenzell, Olching und Puchheim versuchen Bürger, die lokalen Funktionäre abzusetzen und die Orte an die US-Truppen zu übergeben. Wo sich Wehrmacht, SS und Partei widersetzen, kommt es teilweise zu Toten und Verletzten

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

In den letzten internen Berichten an vorgesetzte Behörden Ende März 1945 berichtete Landrat Karl Sepp über "große Niedergeschlagenheit und panikartige Stimmung" in der Bevölkerung, während der Kreisbauernführer feststellte: "Nur der geringste Teil glaubt heute an einen siegreichen Frieden." Öffentlich hingegen markierten die Nationalsozialisten in Fürstenfeldbruck weiter Entschlossenheit. Allerdings rückten die US-Truppen rasch vor, und wo sich ihnen deutsche Verbände in den Weg stellten, wurden Städte und Dörfer zerstört.

Am 26. April erklärte Kreisleiter Franz Emmer vor zwei angetretenen Volkssturm-Kompanien, mit einer Niederlage und zeitweisen Besetzung sei "eventuell" zu rechnen. Der Volkssturm werde nur unter bestimmten Bedingungen eingesetzt, die er als nicht gegeben ansehe. Drei Tage später rückten die Amerikaner aus drei Richtungen an. Bei nasskaltem Wetter brachen die GIs am Sonntagfrüh von Mering auf, während viele Brucker sich zum Gottesdienst begaben. Diese Einheiten erreichten bei Althegnenberg den Landkreis und stießen entlang der heutigen B 2 vor. Um 10.30 Uhr bombardierten amerikanische Flieger Hattenhofen, vermutlich weil zuvor noch SS-Einheiten durch das Dorf gezogen waren. Ein Zivilist und zwei Soldaten starben, drei Wohnhäuser und 16 Wirtschaftsgebäude verbrannten. Eine Stunde später kamen die ersten US-Soldaten. Das Zentrum glich "den Ruinen des alten Rom" und die US-Infanteristen, die eine Stunde später eintrafen, waren "sichtlich gerührt von dem Elend, das sie sahen und benahmen sich äußerst anständig und human", notierte der Pfarrer.

In Mammendorf attackierten Tiefflieger Wehrmacht und SS, die sich dort mit Geschützen postiert hatten, zehn Gebäude brannten. Die Feuerwehr war noch mit dem Löschen beschäftigt, als die Amerikaner einrückten und der Bürgermeister, der nicht aufgeben wollte, widerwillig die Übergabe unterzeichnete. Die Brucker Polizei notierte für 15.53 Uhr "Feindalarm", Minuten später ertönten Sirenen. Bewohner flüchteten in die Keller, weiße Fahnen hingen aus den Fenstern. Alfred Haug fuhr den US-Truppen auf einem Motorrad mit weißer Fahne bis zum Marthabräu entgegen, wo er mit der Besatzung eines amerikanischen Panzers verhandelte. Plötzlich schossen Panzer. Haug erreichte eine Feuereinstellung und geleitete einen Offizier zum Rathaus und auf die Polizeiwache. Bürgermeister Adolf Schorer und die NS-Führung um Kreisleiter Emmer stellten sich.

Haug war seit 1939 Verwalter der Güter der Familie Lotzbeck in Nannhofen. In Mammendorf hatte er das Kommando über das Volkssturm-Bataillon übernommen, in der Absicht, jede effektive Abwehr zu verhindern. Er bewog Wehrmachtseinheiten, sich zurückzuziehen, und stand mit anderen Bruckern sowie Hans Kern von der Freiheitsaktion Bayern (FAB) aus München in Kontakt. Zusammen überredeten sie am 28. April die deutschen Offiziere, die an der Amperbrücke das Kommando hatten, das Bauwerk, an dem zeitweise Sprengladungen angebracht waren, nicht zu sprengen. Sein Vater habe nie viel Aufhebens um die Geschichte gemacht, berichtete sein Sohn Gottfried Haug der SZ. Er war damals ein Jahr alt und kennt die Geschichte aus Erzählungen. "In Erinnerung geblieben ist mir die leichte Empörung meiner Mutter, dass er sich als vierfacher Vater diesem Risiko ausgesetzt hat. Aber er hat sich verantwortlich gefühlt, nachdem sich die Stadtspitze verdrückt hatte", sagt er.

Amerikanische Panzer, Lastwagen und Jeeps rollten durch die Stadt. Sie sicherten den Marktplatz und rückten zur Amperbrücke vor. Die Bewohner trauten sich bald aus den Häusern und bestaunten die fremden, wohlgenährten und gut bewaffneten Männer. Es kam zu einem Schusswechsel mit deutschen Soldaten, die sich in Richtung Schöngeising zurückzogen. An der Ludwigshöhe stoppte der Vormarsch für eine Stunde, als Schüsse aus dem Wald fielen. Bereits am Abend jedoch hatten die Amerikaner den Hoflacher Berg erreicht. Nach Mitternacht besetzten sie kampflos Puchheim-Ort, das mit zwei Flakstellungen zu einem Sperrriegel ausgebaut worden war. Die GIs durchsuchten die Häuser und wollten sich aufwärmen. Wenige Stunden später waren sie in Germering.

Eine andere Kolonne hatte am Vormittag des 29. April von Landsberg und vom Ammersee her kommend Kottgeisering erreicht. Der NS-Bürgermeister Johann Zimmermann übergab das Dorf. Die GIs zogen sich aber wieder zurück, nachdem sie hörten, wie die Amperbrücke in Grafrath gesprengt wurde. Drei SS-Männer kamen und bedrohten Zimmermann mit dem Tod. Gegen 17 Uhr rückten die Amerikaner an der Bahn entlang wieder vor und blieben diesmal. Ein Gefecht fand an der Amper bei Unteralting statt, bei dem zwei deutsche Soldaten verwundet wurden und eine Frau an einem Bauchschuss starb.

In Olching und Gröbenzell drohten größere Auseinandersetzungen, weil dort SS-Einheiten an der Autobahn standen und Nazi-Führer weiterkämpfen wollten. Bei Esting hatte die SS am 28. April eine Stellung mit Geschützen ausgebaut, zog aber wieder ab. Pioniere sprengten die Autobahnbrücke bei Graßlfing. Der Olchinger Volkssturmführer Georg Moll stieß auf Protest, als er Anwohner aufforderte, Baumstämme in eiserne Halterungen zu hieven, um die Zufahrt von Geiselbullach zu blockieren. Er wurde von einer Gruppe von Männern entwaffnet, die dem Aufruf der FAB über den Rundfunk folgten. Weil sie ihn laufen ließen, konnte Moll die SS alarmieren. Die Offiziere wollten die Rädelsführer töten, aber der stellvertretende Ortsgruppenleiter der NSDAP, Rudolf Link, ging dazwischen. Die SS schoss auf den Kirchturm, auf dem die weiße Fahne wehte. Damit wiederum zog sie das Feuer amerikanischer Panzer auf sich. Während vier Olchinger den Amerikanern entgegenfuhren, zog sich die SS nach Geiselbullach zurück, wo ein weiteres Gefecht stattfand.

Mit einer Kompanie Volkssturm, bewaffnet mit vier Pistolen und sieben Gewehren, wollte NS-Ortsgruppenleiter Martin Steger Gröbenzell halten. Drei Einwohner unter Führung Martin Hatzingers nahmen Steger und den Ortsteilbürgermeister Georg Schefzik jedoch am Vormittag fest und sperrten sie in eine Holzhütte am Böhmerweiher. Der Pfarrer hisste die weiße Fahne am Kirchturm und viele Bürger hängten Bettlaken aus dem Fenster. Volkssturmführer Moll, aus Olching geflüchtet, wurde in Gröbenzell von einer Menschenmenge gestoppt. Nach einem Schusswechsel, bei dem niemand verletzt wurde, nahm man Moll die Pistole ab, ließ ihn aber laufen. "Die Aktion war improvisiert", sagt der Historiker Kurt Lehnstaedt, der die Vorgänge rekonstruiert hat.

In Lochhausen traf Moll auf SS-Männer aus Dachau und kehrte mit ihnen zurück. Die Gröbenzeller hatten Glück: Die SS begnügte sich damit, die weißen Tücher abzunehmen. Hatzinger und seine Mitstreiter ließen die gefangenen NS-Größen frei, nachdem die SS gedroht hatte, Geiseln zu erschießen. Steger fuhr triumphierend durch den Ort und verkündete: "Euer Ortsgruppenleiter ist wieder da." Die näher rückenden Amerikaner sahen keine weiße Fahne und beschossen den Ort am Abend, dabei wurde ein Kind durch einen Granatsplitter getötet. Steger flüchtete mit dem Rad und einige Bürger um Hatzinger gingen den US-Truppen mit weißer Fahne entgegen. Weniger dramatisch verlief der Tag in Puchheim-Bahnhof. Dort folgte eine Gruppe von neun Leuten dem Aufruf der FAB und sperrte Bürgermeister Josef Steindl und andere Nazis am Vormittag im Keller der alten Schule ein. Ein Trupp SS befreite sie wieder. Mehr Glück hatte ein FAB-Komitee in Eichenau. Obwohl sich noch Wehrmachtssoldaten in der Siedlung aufhielten, verhafteten sie den Nazibürgermeister und bildeten eine neue Gemeindespitze mit dem Dekorationsmaler Hans Wirner als provisorischem Bürgermeister. Die Amerikaner hatten Eichenau links liegen gelassen und kamen erst am Nachmittag des 30. April. "Die alten Sozialdemokraten traten wieder auf den Plan, die alten kirchenfeindlichen Elemente", klagte der Eichenauer Pfarrer. Eine Bemerkung, die darauf hinweist, dass die wenigsten Brucker diese Tage als Befreiung erlebten.

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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