Fürstenfeldbruck:Das Ende der Gemütlichkeit

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Aus Brandschutzgründen entfernt das Landratsamt private Möbel und Ausstattungsstücke aus den Flüchtlingsquartieren. Erst der Protest der Asylhelfer stoppt die Behörde

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Einen schikanösen Umgang mit Flüchtlingen werfen Hans Well, bekannt als Leiter der aufgelösten Biermösl Blosn, und einige Asylhelfer dem Landratsamt vor. Der Grund: In den vergangenen Wochen hat die Behörde damit begonnen, aus ersten Unterkünften fast sämtliche privaten Möbel und Ausstattungstücke wie Teppiche auf "rüde Art", so Well, wie Sperrmüll zu entsorgen und durch schlichte Metallmöbel zu ersetzen. Auf den Protest von Asylhelferkreisen hin lenkte das Landratsamt vorläufig ein. Die aus Sicht der Behörde notwendige Entrümpelung der Gemeinschaftsunterkünfte und Wohnungen, in denen insgesamt im Landkreis etwa 2100 Menschen leben, wurde kurzfristig ausgesetzt, um den Weihnachtsfrieden zu wahren. Im Januar soll bei einem Gespräch von Asylhelfern mit den Verantwortlichen ein Kompromiss gefunden werden. Das hofft Hans Sautmann, Sprecher des Eichenauer Asylhelferkreises, der den Widerstand organisierte. Daraufhin setzten Asylhelfer den geplanten öffentlichen Protest vorerst aus. Sautmann bezeichnet die neue Standardausstattung der Unterkünfte als "Kasernen- oder Gefängnismöbel".

Als notwendige Zimmerausstattung gelten im Landratsamt ein Metallspind, ein Metallbett und ein Metallstuhl pro Person und je nach Größe und Zahl der Bewohner ein Tisch für mehrere Personen und einfache Vorhänge. Teppiche müssen nicht extra verlegt werden. Babybetten, wie sie viele Familien und alleinstehende junge Frauen benötigen, sind schon nicht mehr als Standard vorgesehen. Verboten sind unter anderem Heizlüfter, elektrische Radiatoren, Kochplatten, Gefriergeräte und Campingkocher. In der Regel sind die Zimmer mit bis zu drei Personen oder einer ganzen Familie belegt.

Hans Well empört, dass der Versuch von Flüchtlingen, sich mit meist geschenkten Möbeln und sonstigen Ausstattungsstücken eine "kleine Heimat " zu schaffen, vom Landratsamt unterbunden und das Privateigentum rigoros wie Müll beseitigt werde. Das sei menschenverachtend und völlig überzogen. Da Unterstellmöglichkeiten fehlen, kann nichts aufgehoben werden. Das Bisschen, das sich die oft traumatisierten Menschen, die sich in einer desolaten Situation befänden, aufgebaut hätten, werden ihnen wieder weggenommen, schimpft der Musiker.

Well wirft Landrat Thomas Karmasin vor, auf diese Weise "offensichtlich eine Obergrenze an Gemütlichkeit" herstellen zu wollen. Dass bestimmte Elektrogeräte brandgefährlich seien und deshalb in den Wohnräumen nichts zu suchen haben, hält Well für eine Selbstverständlichkeit. Warum aber ausgerechnet auch Holztische und Holzschränke, wie sie in jeder Wohnung stehen, nicht mehr geduldet werden, das müsse ihm erst noch jemand erklären, wettert der Kritiker.

Die Regierung von Oberbayern informierte Anfang November alle oberbayerischen Kreisverwaltungsbehörden und wies auf die Bedeutung des Brandschutzes bei den von diesen verwalteten Asylunterkünften allgemein hin. Baulicher Brandschutz sei immer eine Frage des Einzelfalls, erklärte ein Sprecher der Regierung. Es lägen keine Erkenntnisse vor, dass das Landratsamt Fürstenfeldbruck unangemessen gehandelt habe. Landratsamtssprecherin Ines Roellecke bestätigte, dass nur sehr allgemein gehaltene Vorgaben existierten. Das generelle Verbot von Holzmöbeln oder Möbeln mit einem größeren Holzanteil bezeichnet die Landratsamtssprecherin als "unsere Folgerungen". Sie verweist darauf, dass Regeln umso strenger sein müssten, je mehr Menschen in einer Unterkunft zusammenleben. Solche Regeln seien notwendig, um das Miteinander erträglich zu gestalten. Laut Roellecke waren die Küchen in den Gemeinschaftsunterkünften anfangs mit normalen Haushaltszeilen ausgestattet, die in kürzester Zeit ausgetauscht werden mussten. Inzwischen werden nur noch wesentlich teurere, aber dafür sehr strapazierfähige Edelstahlküchen eingebaut.

Dazu kommen aber auch noch andere Gründe. "Es geht um Ordnung oder Entmüllung", sagt Roellecke, aber auch um Hygiene und um Brandschutz. Da es sich um Unterkünfte des Landkreises handelt, stehe dieser in der Verantwortung. Deshalb werden andere Maßstäbe angelegt als an Privatwohnungen. Ein weiterer Grund für das Eingreifen seien Präventionsmaßnahmen gegen einen Befall mit Ungeziefer gewesen, wie er mehrmals in Flüchtlingsquartieren im Landkreis auftrat. Vor allem der Brandschutz genießt eine hohe Priorität, wegen der Sorge, dass Asylbewerber bei Alarm nicht schnell genug reagieren und ihr Quartier räumen. Laut Roellecke werden kleinere Möbel geduldet, sofern sie die Fluchtmöglichkeit nicht beeinträchtigen.

Karmasins Büroleiterin Roellecke betont, dass die Räumungen nicht vom Landrat angeordnet worden seien, sondern von der Verwaltung ausgehen. "Es liegt in unserem Interesse, es den Leuten nicht unnötig schwer zu machen", beteuert sie. Um zu ergänzen: "Wir sehen die Notwendigkeit." Im Einzelfall könne man sicher streiten, ob jedes Eingreifen gerechtfertigt sei. Schon aus Gründen der Gleichbehandlung werde es aber schwierig, bei so vielen Menschen mit jedem einzelnen eine Sonderlösung auszuhandlen.

Geräumt wurden bisher vor allem Zimmer in Gröbenzell. Vorher sei mit allen Betroffenen gesprochen worden. Dort hätten alle Flüchtlinge freiwillig der Anordnung Folge geleistet und ihre nicht mehr geduldeten Möbel und Sachen zu Sperrmüllcontainern gebracht. Es habe keine einzige Zwangsentsorgung gegeben. Der vorerst letzte Sperrmüll aus einer Unterkunft wurde in Gröbenzell am Donnerstag abgefahren.

© SZ vom 17.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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