Fürstenfeldbruck:Bilder für mehr Wachsamkeit

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Die Wanderausstellung "Auf der Schwelle" zeigt Opfer, die in Frauenhäusern Schutz und Trost gefunden haben

Von Ekaterina Kel, Fürstenfeldbruck

Für Frauen ist der eigene Partner der gefährlichste Mensch und die eigene Wohnung der gefährlichste Ort. Siebenmal höher ist die Wahrscheinlichkeit, im eigenen Haus Gewalt ausgesetzt zu sein, als draußen auf der Straße. "Statistisch gesehen", betont Silke Poller, Kriminalhauptkommissarin im Polizeipräsidium Oberbayern Nord, die ausschließlich für die Kriminalitätsopfer zuständig ist. Poller ist am Montagabend in die Brucker Sparkassenfiliale gekommen, um bei der Vernissage der Wanderausstellung "Auf der Schwelle" über Gewalt gegen Frauen zu sprechen.

Die Fotografin Brigitte Kraemer fängt in 35 Schwarz-Weiß-Bildern seltene Einblicke in den Lebensalltag von Frauen und Kinder in mehreren Frauenhäusern in Nordrhein-Westfalen ein. Diese sozialen Einrichtungen bieten Frauen und Kindern, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, eine vorübergehende Unterkunft. Für viele Betroffene sei es oft nach Jahren der Gewalt ein erster Schritt in ein neues Leben, sagte Gerda Vogl vom Verein "Frauen helfen Frauen". Die Fotos zeigten das Leben dieser Frauen "zwischen Apathie und neuem Selbstvertrauen", so Vogl. "Die Frauen können wieder lachen. Ich glaube, die fühlen sich in den Frauenhäusern wirklich sicher", findet eine Besucherin.

In der Ausstellung "Auf der Schwelle" können Besucher seltene Einblicke ins Leben im Frauenhaus erhalten. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Vereine Frauen helfen Frauen, Weißer Ring sowie der Runde Tisch gegen häusliche Gewalt organisierten gemeinsam die Ausstellung, die von der Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser NRW und der Fotografin Kraemer im Jahr 2014 realisiert wurde. Die Fotografien werden in den nächsten zwei Wochen im Besucherbereich der Sparkasse zu sehen sein. "Wir geben diesem wichtigen Thema ein Forum", sagte der Kommunikationschef der Sparkasse, Dirk Hoogen, am Montag. Auch Landrat Thomas Karmasin (CSU) lobte die Arbeit der Frauenhäuser und lud ein, sich mit dem oft tabuisierten Thema der häuslichen Gewalt gegen Frauen auseinanderzusetzen.

Die Fotografien werden von Infotafeln mit Lebensgeschichten mancher Frauen ergänzt. Von der Ghanaerin Amida, die mit einem kleinen Kind auf dem Arm und einem zweiten im Bauch die Straßen einer Stadt im Ruhrgebiet entlang irrte, weil ihr Mann, der sie vorher misshandelte und psychisch unter Druck setzte, sie ausgesperrt hatte. Oder von Martina, die ihre Töchter jahrelang nicht sehen durfte, weil ihr Mann sie nach Tunesien entführt hatte. Der Schutz der Opfer sei sehr wichtig, sagte Manfred Hofmann vom Weißen Ring Fürstenfeldbruck. "Um die Täter wird sich intensiv gekümmert, die Opfer werden aber leider oft alleine gelassen."

In szenischen Bildern erzählt die Fotografin Brigitte Kraemer von dem Leid und auch dem neuen Mut der Frauen.. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Kriminalbeamtin Poller lieferte die Zahlen zu Hofmanns Worten. Jede vierte Frau in Deutschland ist von häuslicher Gewalt betroffen. Nur 50 bis 60 Prozent der Opfer vertrauen sich einer dritten Person an. Und nur zehn bis zwölf Prozent der geschädigten Frauen erstatteten eine Anzeige. Jede dritte angezeigte Straftat geschieht unter Alkoholeinfluss. "Der Dreh- und Angelpunkt ist die Macht der Männer", sagte Poller. Diese würden ihre Frauen nicht nur körperlich verletzen, sondern auch ökonomische, psychische, emotionale und soziale Gewalt ausüben. Die Gründe für die Aggressivität der Männer gegenüber ihren Frauen sind vielschichtig. Oft spielt Frust über einen drohenden Arbeitsplatzverlust oder Eifersucht eine Rolle. Eine weitere Erkenntnis aus ihrer Arbeit ist, dass häusliche Gewalt sich durch alle Altersgruppen und durch alle gesellschaftlichen Schichten ziehe. Deswegen seien proaktive Hilfsangebote, die den Frauen aus der Angst- und Gewaltspirale helfen, sehr wichtig, bestätigt auch Julia Serdarov vom Verein Frauen helfen Frauen, der den Frauennotruf anbietet und das Frauenhaus im Landkreis führt. Die Sozialpädagoginnen bieten neben juristischer Beratung auch Trost und emotionale Unterstützung. "Den Frauen tut es einfach gut, jemanden zu haben, der ihnen glaubt."

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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