Asylpolitik:Berufsschulklasse nur für Flüchtlinge

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Erstmals erhalten Asylbewerber im Alter von 16 bis 21 Jahren eine spezielle Ausbildung, die sie auf das Arbeitsleben vorbereitet. Im Mittelpunkt steht der Sprachunterricht, doch nicht für jeden gibt es einen Platz

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Eine große Herausforderung hat Andrea Reuß, die Leiterin der Berufsschule in Fürstenfeldbruck, zu Beginn des Schuljahres zu meistern. Noch im September sollen im Landkreis erstmals berufsschulpflichtige Asylbewerber und Flüchtlinge im Alter von 16 bis 21 Jahren in einer eigenen Klasse unterrichtet werden. Im Juli schätzte das für die Unterbringung der Flüchtlinge zuständige Ausländeramt die Zahl der berufsschulpflichtigen Asylbewerber auf etwa 70. Da das Kultusministerium jedoch nur eine Klasse mit Platz für 16 bis 20 Schüler genehmigte, kann nur jeder dritte oder vierte potenziellen Schüler aufgenommen werden. Deshalb bereitet die Direktorin zurzeit zusammen mit dem Landratsamt ein Auswahlverfahren vor.

Zu einem Auswahlgespräch sollen nur diejenigen geladen werden, die keine Analphabeten sind, die bereits über Deutschkenntnisse verfügen und die auch eine Chance haben, für längere Zeit hier zu bleiben. Wem die Abschiebung droht, der scheidet sofort aus. Laut Reuß weiß selbst das Ausländeramt nicht genau, wie viele berufsschulpflichtige Asylbewerber wirklich hier leben. Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen ist es auch schwer, den Überblick zu behalten. Und die Direktorin befürchtet zudem, dass nicht alle, die geeignet sind, auch der Einladung zum Auswahlgespräch folgen werden. Selbst danach sei noch völlig offen, wie viele der Ausgewählten dann wirklich zum Unterricht erscheinen.

Die Berufsschuldirektorin sieht gewisse Parallelen zur Situation mit den jährlich rund 100 bis 150 Jugendlichen ohne Ausbildungsvertrag im Landkreis, von denen nur etwa 40, also ein kleiner Bruchteil, der Einladung zu einem Gespräch über den obligatorischen Berufsschulbesuch freiwillig Folge leistet. Aber es gibt noch eine Reihe anderer Unwägbarkeiten. So soll in das Auswahlverfahren ein externer Kooperationspartner einbezogen werden, der über Erfahrungen im Sprachunterricht mit Migranten verfügt. Nur gibt es diesen Partner noch nicht. Aber auch die Berufsschullehrer, die zusammen mit externen Lehrern den Unterricht gemeinsam bestreiten müssen, wissen überhaupt noch nicht, was sie erwartet. Nur eines steht für Reuß fest: Mit dem klassischen Berufsschulunterricht hat die neue Aufgabe nicht mehr viel zu tun. Sie spricht deshalb von einem Abenteuer, das bereits eine Woche nach dem Beginn des neuen Schuljahres starten soll.

Im Mittelpunkt des Unterrichts der sogenannten Vorklasse zum Berufsintegrationsjahr stehen die Sprach- und sozialpädagogische Förderung. Dazu kommt laut Reuß ein "Sammelsurium an Lebens- und Landeskunde", da die Schüler lernen müssten, sich in ihrem neuen Umfeld zurechtzufinden. Ergänzt wird dieses Angebot durch Fächer wie Mathematik, Sport und praktische Tätigkeiten zur Berufsorientierung. Da der Spracherwerb die zentrale Rolle spielt, will Reuß nur Berufsschullehrer mit Erfahrungen im Deutsch- und Fremdsprachenunterricht einsetzen. In der räumlich beengten, sanierungsbedürftigen Berufsschule Klassenräume zu finden, gilt noch als das kleinste Problem.

Einfacher hat es dagegen der Landkreis als Sachaufwandsträger. Der Ferienausschuss des Kreistags billigte in seiner jüngsten Sitzung die Bildung der Klasse einstimmig und bewilligte die erforderlichen Mittel ebenso wie die Beauftragung des externen Kooperationspartners durch den Landkreis. Da dem Landkreis die Kosten für den Unterricht des externen Partners erstattet werden, ergeben sich daraus keine zusätzlichen finanziellen Belastungen. Die Klasse für Asylbewerber war Ende Juli vom Kultusministerium genehmigt worden. Allerdings besteht kein Rechtsanspruch auf eine solche Förderung von Flüchtlingen. Diese erfolgt nur, sofern dafür Haushaltsmittel zur Verfügung stehen.

Landrat Thomas Karmasin (CSU) sprach von einer sinnvollen Maßnahme, dem pflichtete Martin Runge (Grüne) bei. Weniger Verständnis fand Karmasin für das komplizierte Konstrukt, nach dem der Landkreis die Ausgaben für den Kooperationspartner vorfinanzieren muss. Der Landrat merkte kritisch an, ihm sei es nicht gelungen herauszufinden, warum der Freistaat diesen komplizierten Dreiecksweg beschreite. Runge hielt eine öffentliche Ausschreibung für wichtig. Er wollte wissen, wie der Kooperationspartner gefunden wird. Laut Schulverwaltung läuft die Ausschreibung bereits. 15 Interessenten seien angeschrieben worden.

Seit einigen Monaten bietet die Berufsschule auf freiwilliger Basis solchen Schülern, die einen Migrationshintergrund haben und trotz einer Lehrstelle schlecht oder kaum Deutsch sprechen, zusätzlich zum normalen Unterricht einen Deutschkurs an. Für solche Projekt stellt der Freistaat keine Mittel zur Verfügung. Finanziert wird dieses, den regulären Unterricht ergänzende Projekt durch den Förderverein der Berufsschule. Dieser sammelt für diesen Zweck Spenden.

© SZ vom 03.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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