Fürstenfeldbruck:Barock trifft Jazz

Das Ensemble L'Arpeggiata begeistert im Stadtsaal das Publikum mit Purcell-Improvisationen

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

Mit den Prädikaten "grenzenlos" und "stilvoll" könnte man den Konzertabend mit dem international besetzten Ensemble L'Arpeggiata im gut besuchten Stadtsaal etikettieren. Unter dem Motto "Music für a While - Improvisationen über Werke von Purcell" waren zwölf Musiker zu hören, die jeder für sich eine unterschiedliche Stilrichtung verkörperten: Die Leiterin Christina Pluhar musizierte auf der Theorbe, einer Basslaute, die eindeutig der Barockzeit zuzuordnen ist. Gleiches galt für einen zweiten Theorbisten sowie für einen Zinkenisten (ein Zink ist ein Grifflochhorn) und eine Barockgeigerin. Die drei Tasteninstrumente Cembalo, Orgelpositiv und Klavier wurden von zwei Musikern gespielt, wobei das letztgenannte Instrument in die Aura unserer Zeit gehört. Das galt auch für das Instrumentarium von zwei Schlagwerkern sowie die Altklarinette von Gianluigi Trovesi. Der Kontrabassist spielte auf einem Instrument moderner Bauart. Hinzu kamen die Sopranistin Nuria Rial sowie der Altist Vincenzo Capezzuto.

Die stilistische Trennung des Instrumentariums in die Entstehungszeit der Werke von Henry Purcell - er lebte von 1659 bis 1695 - und in die Sphäre unserer Tage ist jedoch absolut unangebracht, wenn man vom Hörerlebnis ausgeht. Der Komponist erhielt zu Lebzeiten schon den Ehrentitel "Orpheus Britannicus", was unterstreicht, dass man ihn für äußerst bedeutend hielt. So ein Urteil der Zeitgenossen enthielt immer auch die Ansicht, dass ein Künstler Neues entdeckt und Bisheriges weiterentwickelt hat. Auf solchen Pfaden wandelte in gewisser Weise L'Arpeggiata im Sinne eines Brückenbauers: Ausgangspunkt waren oft keine ganzen Werke, sondern kompositorische Strukturen, die zur Keimzelle vielfältiger Variationen wurden. Oftmals stand ein Bassgang aus wenigen Tönen am Anfang, dem Harmonien hinzugesetzt wurden. Auf dieser ständig wiederholten Basis ergaben sich vielfältige Variationen beispielsweise auf der Barockgeige, die ganz in der Tradition der Zeit standen. Ganz unmerklich wechselte der Solist, und auf der Klarinette bildete der gleiche Boden die Grundlage für jazzige Improvisationen inklusive von Blue Notes.

Die beiden Schlagzeuger brauchten für ihr Spiel vor allem zwei Dinge, nämlich den Jazzbesen und ihre Finger. Sie ergänzten die Musik so dezent und einfühlsam durch eine rhythmische Unterstützung, dass sie oft fast unmerklich im Hintergrund blieb. Dadurch aber wurde ein Drive oder auch Groove in den Stücken deutlich spürbar, wie er in der Barockmusik schlummert und im Jazz unabdingbar notwendig ist. Auf die instrumentale Schiene setzten sich die beiden Sänger als klangliche Spitze. Nuria Rial artikulierte in schönen Phrasen und betonte mit ihrer warmen Stimme den menschlichen Ursprung der Musik. Dagegen erwies sich Vincenzo Capezzuto als äußerst bühnenpräsenter, oftmals geradezu eitler Altist, der mit seiner stimmlichen Höhe akrobatisch jonglierte. Dazu kam eine veritable Bühnenshow, wie sie Popstars eigen, aber der Barockzeit nicht fremd gewesen ist.

Das Konzert dauerte insgesamt etwa eineinhalb Stunden und hatte keine Pause. So erfrischend und innovativ fesselnd die einzelnen Nummern auch waren, so sehr wiederholten sich die klanglichen Muster der Bearbeitungen im Verlauf des Abends. Es wäre insofern ein Gewinn gewesen, entweder eine Ruhephase zwischendurch einzulegen oder aber das Programm zu kürzen. Das Publikum war am Ende aber dennoch absolut begeistert und gleichzeitig fasziniert von den sensibel kombinierten Klangwelten.

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