Fürstenfeldbruck:Aufklärung im mystischen Gemäuer

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Fürstenfeldbrucks Stadtführerin Petra Vögele führt zu verborgenen Orten, an denen geheimnisvolle Figuren auftauchen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Weiße Fecken gibt es auf dieser Erde kaum noch. Alles erforscht, alles schon gehört und gesehen. Denkt man. Bis man in diesem Gewölbe am Rande von Fürstenfeldbruck steht zwischen unverputzten Ziegelwänden. Und bis man von der Nachtigall des Zaren hört. Na bitte, mehr weißer Fleck geht kaum. Und dann tritt ganz offenbar jener Filippo Balatri, der einst unter diesem Pseudonym bekannt war, auch noch aus dem Schatten ins flackernde Licht der zahlreichen Tachenlampen und stimmt mit hoher Fistelstimme eine Arie an. Gut, im wirklichen Leben ist die Person im roten Seidengewand und mit weißer Perücke die Profi-Schauspielerin und Sängerin Christina Schmiedel, die eskortiert wird von ihrem Kollegen, dem stimmgewaltigen Manfred Harwath mit seiner Ziehharmonika. Und im richtigen Leben ist der geheimnisvolle Mönch mit der weißen Kutte auch nicht der Bischof von Freising, sondern "der Mann, der überall einspringt, wo es halt notwendig ist", nämlich Manfred Vögele.

Den Ton an gibt aber Vögeles Frau Petra. Zum zweiten Mal führt die Brucker Stadtführerin zu den geheimnisvollen Ortenrund ums Kloster. Und ja, die gibt es. Oder besser: Einige der Orte kennt man zwar bereits, so wie die Amühle, die eine oder andere Brücke über die Amper oder das Flussufer und vielleicht sogar diese mondäne Villa hinter hohen Bäumen. Doch die Geschichten, die sich darum ranken, kennt man noch längst nicht alle.

Petra Vögele ist ein nicht versiegender Quell, sie hat in alten Büchern nachgeschlagen, sich mit Experten unterhalten. In ihrer Schulzeit war sie in Geschichte übrigens nicht so toll. 333, bei Issos Keilerei, von solchen Eselsbrücken zum Auswendiglernen hielt sie nicht allzu viel. Sie weiß, wie es besser geht, wie man Geschichte spannend verpackt und anschaulich und höchst unterhaltsam präsentiert. Unterstützt wird sie von ihrem Team, das hier das Lied von Lili Marleen anstimmt, dort die Zeit der Besetzung durch GIs nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem schwungvollen Rock'n Roll illustriert oder sich an der träge fließenden Amper, auf deren "Heilwasser" früher die Flößer unterwegs waren, der Romantik hingibt. Die drei Helfer sind der Gruppe immer einen Schritt voraus.

"Ah geh", entfährt es einem der staunenden Teilnehmer bereits in dem alten Kellerlabyrinth, das in den eiszeitlichen Morändenhügel getrieben worden ist, als er erfährt, dass es früher als Kühlraum benutzt und von oben Eis zwischen die doppelten Wände gefüllt wurde. Mitte des 18. Jahrhunderts kam jener italienische Kastraten-Sänger Balatri nach einer Odyssee durch ganz Europa und einem Intermezzo bei Zar Peter dem Großen nach Fürstenfeld, lebte dort 17 Jahre und wurde nach seinem Tod im September 1756 in der Krypta der Klosterkirche beigesetzt. Im Saal Nummer 27 des Bayerischen Nationalmuseums ist das Antlitz Balatris in Öl auf Leinwand inmitten einer wirklich illustren Gesellschaft zu sehen.

Nur ein paar Meter weiter erinnert ein Totenhain an 258 Kriegsgefangene, die im Ersten Weltkrieg Krankheiten wie Typhus oder Cholera zum Opfer gefallen sind. Es werden die Verbindungen deutlich zum riesigen Lager, das damals nördlich von Puchheim existierte - anhand eines Originalgedichts wird aber auch der Galgenhumor einiger Gefangener deutlich.

Es geht weiter durch den beschaulichen Fürstenfeldbrucker Stadtpark, der früher zu der 1924 vom Architekten Adolf Voll errichteten Villa gehörte, die sich bis zur Weltwirtschaftskrise im Besitz der wohlhabenden Aumiller-Familie befand und dann an den Pelzfabrikanten Anershoffen ging. Der Weg führt vorbei an einstigen Besitztümern der schwerreichen Gegenpointers, historischen Turbinen eines längst stillgelegten Wasserkraftwerks bis zu dem bis auf die Grundmauern abgebrannten und dann wiederaufgebauten Mühlen-Siloturm. Und während Petra Vögele viele Wisssenslücken schließen konnte und Licht ins dunkle Mittelalter brachte, so bleibt doch ausgerechnet in der Neuzeit so etwas wie ein weißer Fleck: Warum der zinnenbewehrte Turm, der längst zu einem der Wahrzeichen der Kreisstadt geworden ist, kurz vor Vollendung seiner Restaurierung am 21. März 1989 ein Opfer der Flammen wurde, kann auch die sonst so beschlagene Stadtführerin nicht sagen. Es darf in paar Geheimnisse geben, die wohl nie gelüftet werden.

Anmeldung zu den verschiedenen Stadt-, Museums-, Kirchen- sowie Themenführungen sind unter der Telefonnummer 08141/281-1412 oder tourismus@fuerstenfeldbruck.de möglich. Führungen können auch von Privatpersonen oder Firmen gebucht werden. Die nächste Führung zu den geheimnisvollen Orten findet am Sonntag, 1. Juli, 18 Uhr statt.

© SZ vom 23.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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