Brandbrief:Asylhelferkreise bekräftigen Vorwürfe

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Ihre"Willkommenskultur" für die ankommenden Asylbewerber werde durch die Politik konterkariert, kritisieren die Helfer. (Foto: Günther Reger)

Nur die Brucker unterschreiben einen Brandbrief ans Bayerische Innenministerium. Doch im ganzen Landkreis fühlen sich Ehrenamtliche im Stich gelassen und fordern zudem die Rücknahme einer Dienstanweisung

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Unterzeichnet hat den Brandbrief ans Innenministerium lediglich ein Asylhelferkreis aus dem Landkreis: der aus Bruck. Doch inhaltlich teilen zahlreiche Ehrenamtliche die Meinung des Verfassers: Staats- und Bezirksregierungen demotivieren, nehmen ihnen buchstäblich den Wind aus den Segeln. Bemühen sich Helfer in zahllosen Stunden um eine "Willkommenskultur", wird diese durch die offizielle Politik wieder konterkariert. Als Beispiel verweist Verfasser Adi Hösle vom Asylhelferkreis "Menschen begegnen Menschen" aus dem schwäbischen Babenhausen auf eine seit März geltende Dienstanweisung. Asylbewerbern, die aus "sicheren Herkunftsstaaten" nach Bayern kommen, ist demnach grundsätzlich jede Arbeitsaufnahme zu untersagen.

57 Asylhelferkreise aus ganz Bayern haben den Protestbrief, der in der vergangenen Woche ans Ministerium geschickt worden war, unterzeichnet - darunter allein sieben aus dem Nachbarlandkreis Dachau. Aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck hat lediglich Birgitt Epp, die Vorsitzende des Brucker Helferkreises Asyl, unterzeichnet.

Bei einer Umfrage unter Helferkreisen im Landkreis bestätigt sich die Vermutung von Andrea Gummert, die im Auftrag der Caritas die Ehrenamtlichen unterstützt: Die gering erscheinende Resonanz deute nicht auf einen Dissens unter den Ehrenamtlichen hin, sondern sei eher der Arbeitsüberlastung geschuldet. Lilo Nitz aus Gröbenzell hatte das Schreiben zunächst ebenso wenig erhalten wie andere Helferkreis-Leiter. Und Heinz-Siegfried Schomburg aus Germering hatte wegen Fortbildungen keine Zeit gefunden, ihn rechtzeitig zu lesen. Große Übereinstimmung herrscht zwar darüber, dass die Arbeit der Ehrenamtlichen nicht ausreichend unterstützt wird. Hinsichtlich des Arbeitsverbots für die angeblichen Wirtschaftsflüchtlinge gibt es aber auch unter Experten im Landkreis durchaus abweichende Meinungen.

Birgitt Epp und Lilo Nitz stellen sich demonstrativ hinter Hösle, der Innenminister Joachim Herrmann in deutlichen Worten die Verantwortung zuweist für das Chaos bei der Unterbringung der Asylbewerber und ihn unmissverständlich auffordert, die Dienstanweisung vom 31. März zurückzunehmen. Gerade die Badeunfälle der jüngsten Vergangenheit haben Epp zufolge gezeigt, wie wichtig beispielsweise Angebote wie Schwimmunterricht für Flüchtlinge sind. Um den aber müssen sich im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten die ehrenamtlichen Helfer kümmern. Gleiches gilt für den Deutschunterricht, Unterstützung gibt es hier lediglich von Stadt und Landkreis. Epp räumt ein, dass ein Zuwanderungsgesetz möglicherweise wirkungsvoller wäre als eine Arbeitserlaubnis für Asylbewerber aus Ländern, die als sicher eingestuft werden. Ein solches Gesetz aber ist nicht in Sicht. Epp ärgert sich vor allem darüber, "dass Bayern mit der Dienstanweisung wieder mal einen Sonderweg geht". Zudem hegt Lilo Nitz große Zweifel daran, dass Länder wie Ghana, Kosovo, Serbien oder Bosnien und Herzegowina wirklich sicher sind. So betreuen die Gröbenzeller Asylhelfer einen Mann aus dem Senegal, dessen Fluchtgründe sie für absolut glaubwürdig halten. Auch Hösle wendet in seinem Brief ein, die südliche Region des westafrikanischen Landes sei mitnichten sicher. Drei Vollzeitstellen seien dem Mann aus Senegal angeboten worden, den die Gröbenzeller nun auch juristisch unterstützen, sagt Nitz. Doch er darf nicht arbeiten, was ihm seelisch schwer zusetze.

Weiteres Ärgernis: Auch Asylbewerber aus " unsicheren Herkunftsländern" müssen wegen schleppender Verfahren oft länger als die üblichen drei Monate auf eine Arbeitserlaubnis warten. Deshalb können sie sich einen Umzug nicht leisten und blockieren die Unterkünfte für Neuzugänge. "Das ist rundum Unsinn", schimpft Lilo Nitz.

Ein anderer Asylhelfer, der nicht genannt werden will, mahnt zu einer differenzierten Sichtweise. Arbeitserlaubnisse allein könnten die Probleme nicht lösen. Seiner Erfahrung nach tun sich Asylbewerber mangels Qualifikation oft schwer, Arbeit zu finden. Nach ersten Absagen schwinde bei vielen die Motivation. Letztlich sei es erfolgsversprechender, Ausbildungen zu fördern und die Sicherheit zu geben, diese beenden zu können.

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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