Fürstenfeldbruck:Angeln ohne Jagdeifer

Fliegenfischer wie der Brucker Ludwig Uigschies sind ein ganz eigener Schlag. Mit selbst gebundenen Ködern ohne Widerhaken verbringen sie viele Stunden an Flüssen. Ob oder wie viele Fische gefangen werden, ist dabei zweitrangig

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Wer Robert Redfords Streifen "Aus der Mitte entspringt ein Fluss" kennt, der weiß, dass Fliegenfischer nicht mit "normalen" Anglern in einen Topf geworfen werden können. Fliegenfischen ist eine Lebenseinstellung. Was oder ob überhaupt etwas am Ende der Leine zappelt, ist zweitrangig. Jagdfieber ist Fliegenfischern fremd. Sie bevorzugen eher eine Koexistenz von Angler und Fisch. Viel wichtiger ist das Naturerlebnis. Sie bringen viel Zeit mit und tauchen förmlich ein in die Landschaft. Ludwig Uigschies ist so jemand. Wenn er über Fliegenfischen redet, kommt er ins Schwärmen. Manchmal aber auch ins Schimpfen, wenn es um weltfremde gesetzliche Regelungen geht. So ist es in der Regel untersagt, gefangene Fische wieder schwimmen zu lassen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass nicht alle Fliegenfischer sich daran halten. Sie wollen nicht nur den Gefrierschrank vollpacken. Viele lehnen auch das Einsetzen von Fischen in Weihern und das spätere Leerfischen ab.

Fürstenfeldbruck: Ludwig Uigschies beim Angeln Mitte September. Viele Stunden verbringt er an und auch in der Isar.

Ludwig Uigschies beim Angeln Mitte September. Viele Stunden verbringt er an und auch in der Isar.

(Foto: oh)

Uigschies freut sich schon auf die Fachmesse Erlebniswelt Fliegenfischen an diesem Wochenende in Fürstenfeld, zu der wieder um die 3000 Besucher erwartet werden. Es ist so etwas wie das Mekka der Szene, in dem Brüder und Schwestern im Geiste aus aller Welt über ihr großes Hobby reden können. Das Fliegenfischen sei "eine der schonendsten Fischereiarten", bestätigt Thomas Schiffler, Chef des Bezirksfischereivereins Fürstenfeldbruck. Der Brucker Fliegenfischer Siegfried Urchs, der sich den Wörthseefischern angeschlossen hat, schätzt, dass mittlerweile zehn Prozent aller Angler und damit 200 im Landkreis zumindest teilweise auf diese für Fische schonende Methode ohne Widerhaken am Köder umgestiegen sind. Der Boom mag ein klein wenig auch an Redfords Streifen gelegen haben, der 1992 in die Kinos kam. Uigschies, 60 Jahre alt, war da längst "infiziert". Als Jugendlicher hatte er einst schwarz an der Amper geangelt. In den Achtzigerjahren war er dann durch einen Norwegenurlaub wieder auf den Geschmack gekommen und hatte die Fischereiprüfung abgelegt. Mit Blei, Blinker und Wurm fing er Karpfen, Aal, Barsch, Zander oder Hecht.

Fliegenfischen

Zwei künstliche Nachbildungen von Fliegen, die später am Ende einer Angelleine befestigt werden.

(Foto: Günther Reger)

Ein paar Jahre später kommt dann dieser magische Moment: Uigschies beobachtet an der Amper zwei Forellen, die sich Fliegen von der Wasseroberfläche schnappen. Eigentlich ist es eine Schnapsidee. Aber Uigschies versucht es einfach. An seiner Mütze ist eine Zierfliege. Er reißt sie ab und hängt sie an die Angelschnur. Wenig später schnappt eine Forelle zu. Gleich am nächsten Tag steht Uigschies bei Max Götz auf der Matte, der damals einen kleinen Angelladen an der Pucher Straße betreibt. Er kauft seine erste Fliegengarte und fünf billige Fliegen. Es folgen ein paar eher magere Jahre, in denen Uigschies erkennt, dass Fliegenfischen eine Kunst ist, die erlernt sein will. Es ist weniger die schwungvolle Wurftechnik, die erforderlich ist, weil die "Fliegen" viel leichter sind als die mit Blei beschwerten Köder und diese den Fischen "mundgerecht serviert" werden sollen. Vielmehr gilt es, die Antwort auf die Frage zu finden: Was fange ich wo und wie? Welcher Köder ist für welchen Fisch geeignet? Er arbeitet sich durch Bücher und fängt an, die den Insekten nachempfundenen Fliegen selbst aus Materialien wie Federn, Fell und Kunststoff zu binden. Wenn Uigschies heute zum Angeln fährt, hat er bis zu 150 verschiedene Fliegen dabei.

Fachmesse Erlebniswelt

Die 10. Internationale Erlebniswelt Fliegenfischen am Samstag, 18. April, 9 bis 18 Uhr, und Sonntag, 19. April, 9 bis 17 Uhr, im Veranstaltungsforum ist die größte Fachveranstaltung Europas, auf der mehr als hundert namhafte Gerätehersteller, Verlage, Reiseveranstalter, Buchautoren, Fliegenbinder, Wurfprofis und Fliegenfischerschulen vertreten sind. Besucher und Aussteller aus 20 Ländern werden erwartet, darunter die Bahamas, Chile, Finnland, Kanada und USA. Auch Prominente der Szene haben zugesagt, wie Scott Mackenzie, dreifacher Weltmeister aus Schottland, der Zweihand-, Switch- und Einhandrutenserien mit speziell abgestimmten Fliegenschnüren präsentiert. An den beiden Tagen gibt es unter anderem Ein- und Zweihand-Wurfshows, Fliegenbindevorführungen, Casting-Pools zum Lernen und Ausprobieren, Wurfprogramme speziell für Frauen und Neueinsteiger im Fliegenfischen, betreutes Fliegenbinden und Wurfprogramme für Kinder und Jugendliche, eine sogenannte Casting Clinic fürs Ein- und Zweihand-Werfen, Reisevorträge zum Fliegenfischen aus aller Welt sowie Vorträge zum Thema Fliegenfischen allgemein. Zudem werden auf der Fachmesse die 8. Offenen Deutschen Meisterschaften im Fliegenbinden veranstaltet (Kategorien: Trockenfliege, Streamer, realistische Fliege. Eintrittspreise: Erwachsene 13 Euro, Zweitageskarte 23 Euro, Jugendlich unter 15 Jahren frei. Weitere Informationen unter www.erlebniswelt-fliegenfischen.deslg

Am schönsten ist für den heutigen Frührentner das Angeln an und in der Isar. Mit seiner 20-Tages-Karte fischt er in einem Abschnitt von 80 Kilometern von Mai bis November, oft in der Nähe von Wertach oder im Sylvensteinsee-Naturschutzgebiet südlich von Lenggries. Gemeinsam mit einem Freund, der ebenfalls ein passionierter Fliegenfischer ist, zieht er nach Möglichkeit wochentags in den Morgenstunden los. Es ist wie ein Ritual. Sie haben warme, regenfeste Kleidung, Wathosen und Rucksäcke dabei und koppeln sich für einen Tag vom Rest der zivilisierten Welt ab. Ein guter Wein und manchmal auch Zigarren sind im Marschgepäck. Oft angelt nur einer, während der andere einfach am Ufer sitzt und die Landschaft auf sich wirken lässt. "Man sitzt am Wasser, lässt den Alltag hinter sich, schaltet ab und hat die Bergwelt als Kulisse, einfach wunderschön", sagt Uigschies. Spätabends steigen Forellen und Äschen erfahrungsgemäß nach oben. Die im Bestand gefährdeten Äschen dürfen übrigens ganz offiziell wieder in den Fluss zurückgesetzt werden. Oftmals kehren Uigschies und sein Begleiter erst sehr spät am Abend zurück. Ob sie von den Tagesausflügen nun einen oder fünf oder gar keinen Fisch mit nach Hause bringen, ist zweitrangig.

Gibt es noch einen Traum? Etwa eine Reise nach Montana/USA, in dem Redfords Film spielt? "Nein", sagt Ludwig Uigschies. Ihn zieht es nicht in die Ferne. Das sei nicht nur teuer, sondern schlicht überflüssig. "Was will ich denn Schöneres finden als die Isar?"

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