Fürstenfeldbruck:Alles für das Schwein

Wohlfühlschweinestall

Zweimal am Tag regnet es im Wohlfühlstall von Bauer Gelb automatisch Stroh von der Decke. Das mögen die Schweine offenbar recht gern.

(Foto: Günther Reger)

Landwirt Josef Gelb hat seinen Tieren einen "Wohlfühlstall" gebaut. Dort gibt es Fußbodenheizung und draußen eine Dusche. Die artgerechte Haltung schlägt sich in der Fleischqualität nieder. Und die Kunden Metzgerei Eberl in Hattenhofen würdigen das neue Angebot

Von Julia Bergmann

Landwirt Josef Gelb Junior schmeißt den Strohmatic an. Von der Decke rieselt aus dem vollautomatischen Einstreusystem Stroh ins Innere des Stalls. Sofort werden die Stalltüren von feuchten rosa Schnauzen aufgedrückt. Von draußen trippeln Schweine ins Innere, um ihre Nasen in den Strohregen zu halten. Da werden Hälse in die Höhe gereckt, im Raum erklingt wohliges Grunzen. Inmitten des rosaroten Freudentaumels steht Landwirt Josef Gelb senior in seinem bayernweit einzigartigen "Wohlfühlstall" in Steinach und sagt: "Ich bin immer noch überzeugt davon, dass ich den richtigen Weg gegangen bin." Im September hat er den artgerechten Schweinemastbetrieb mit Platz für 1490 Schweine aufgenommen. Und von Verbrauchern habe er bereits, etwa bei einem Tag der offenen Tür, schon viele positive Reaktionen auf seine Art der Haltung miterlebt. Allein die Metzger reagieren, zu Gelbs Leidwesen, noch mit Zurückhaltung.

"Wir haben gedacht, wir machen etwas, was jeder in Zukunft haben will", erklärt Gelb senior. Bisher beliefert Gelb eine Handvoll Betriebe, darunter die Metzgerei Eberl in Hattenhofen. Inhaberin Christine Hattensperger erklärt, sie habe von dem neuen Betrieb aus einem Fernsehbeitrag erfahren uns sei sofort begeistert gewesen. Nach einem Besuch auf dem Hof war sie so überzeugt, dass sie beschlossen hat, komplett auf Gelb als Lieferanten umzustellen. "Ihr Mann, Christian Hattensperger erzählt: "Wir haben eigentlich schon lange nach so etwas gesucht."

Was den Schweinemastbetrieb der Gelbs nun so besonders macht? "Unseren Schweinen soll es bis zur Schlachtung gut gehen", sagt Josef Gelb senior. Zum einen solle der Verbraucher für sein Geld Qualität bekommen, findet er, und diese falle einfach besser aus, wenn die Tiere stressfrei und artgerecht gehalten würden. Und zum anderen meint er: "Als Landwirt wird man heute ja nur noch als Tierquäler wahrgenommen."

Ein Image, dem er mit dem "Wohlfühlstall" ganz bewusst entgegentritt. Was Gelb dann so über seinen Stall erzählt, klingt geradezu luxuriös. Dort gibt es nämlich nicht nur eine Fußbodenheizung im Innenbereich und eine anwärmbare Tränke, sondern auch eine Dusche zur Abkühlung im Außenbereich, wenn die Temperaturen im Sommer steigen. Das vollautomatische Einstreusystem lässt zweimal am Tag frisches Stroh in die Buchten rieseln und entstaubt es gleichzeitig. So haben die Tiere einerseits eine Art "Spielzeug", aber auch Futter, und obendrein sorgt das Stroh für mehr Liegekomfort. Zu fressen bekommen die Tiere außerdem Futter aus Soja, Mais, Weizen und Gerste, zum großen Teil aus eigenem Anbau. "Gentechnikfrei. Das gehört auch zum Konzept", erklärt Gelb.

Während in einem konventionellen Betrieb ein Mastschwein rund dreiviertel Quadratmeter Platz hat, sind es bei Gelb mit 1,4 Quadratmetern fast das Doppelte. Die Folge: "Die Schweine bewegen sich mehr", sagt Gelb. Außerdem können die Tiere jederzeit selbständig vom Innenbereich in den überdachten Außenbereich des Stalls wechseln, die Türen drücken sie mit der Schnauze auf.

Durch den wechselnden Wärme- und Kältereiz seien die Schweine außerdem nicht so krankheitsanfällig. "Wir haben noch nie Antibiotika geben müssen", sagt Gelb und geht zum Außenbereich, wohin ihm ein paar Schweine folgen. Dass diese Art der Haltung prinzipiell die Widerstandsfähigkeit von Schweinen fördert, bestätigt auch Herbert Pfaffenrath, der Leiter des Veterinäramts Aichach-Friedberg, in dessen Zuständigkeitsbereich der Hof liegt.

Josef Gelb führt weiter durch den Stall. "Ganz vorne ist die Toilette", sagt er und deutet auf ein Stück Spaltenboden. Eine Besonderheit, denn in konventionellen Mastställen sei die Haltung komplett auf Spaltenböden üblich. "Sie sind aus praktischen Gründen Standard in der Schweinehaltung", bestätigt Pfaffenrath. Der Stall ließe sich leichter sauber halten. Aber auch in Gelbs Stall ist es im Innenstallbereich sauber. "Schweine sind sehr reinliche Tiere", erklärt der Landwirt. Den "Wohnbereich" verunreinigen die Tiere nicht. Nur um ihr Geschäft zu erledigen, begeben sich die Schweine auf den Bereich mit Spaltenboden. Die Hinterlassenschaften der Tiere werden für den Betrieb der hofeigenen Biogasanlage verwendet, die wiederum die Wärme für die Fußbodenheizung des Stalls liefert. Auch das ist Teil des Gelb'schen Konzepts, das insgesamt freilich auch einen höheren Fleischpreis nach sich zieht.

Im Durchschnitt bekommt ein Landwirt 1,50 Euro pro Kilogramm Schwein, sagt Gelb. "Ich verlange 30 Cent mehr." Dass Metzger wegen des Preises zurückschreckten, weil sie fürchten, der Verbraucher zahle die Mehrkosten nicht, könne er sich natürlich vorstellen. Aber Gelb meint auch: "Ich bin überzeugt davon, dass so etwas auch eine Chance für die Metzger ist." Mit den günstigen Angeboten der Supermärkte könne der klassische, kleine Metzgerladen ohnehin nicht auf Dauer konkurrieren. Gelb stellt die Qualität der Schweine in den Vordergrund. Bei ihm haben die Tiere mehr Platz und auch mehr Zeit. Nicht wie üblicherweise nach höchstens sieben Monaten, sondern nach acht bis neun Monaten werden seine Tiere geschlachtet.

Sowohl Josef Gelb senior als auch sein Sohn betonen, dass auch andere Betriebe keine Tierquäler seien und dass es ihnen nicht darum gehe, andere Arten der Schweinemast schlecht zu machen. "Sie produzieren ja, was die Verbraucher wollen", sagt Josef Gelb senior. Nur wer sein Fleisch möglichst günstig bekommen möchte, dürfe nicht über Massentierhaltung schimpfen, findet er. "Wir haben uns eben dafür entschieden einen anderen Weg zu gehen", sagt Gelb junior. Einen noch einzigartigen Weg, wie Pfaffenrath bestätigt. "Etwas in der Art habe ich bisher in unserer Gegend noch nicht gesehen", sagt der Veterinäramtsleiter, der den Stall als modern und tierschutzgerecht bewertet.

Zu Gelbs Konzept gehört neben der artgerechten Haltung und dem Fokus auf Tierwohl aber auch, kontinuierlich Rücksprache mit den Metzgermeistern zu halten, die er beliefert. "Ich muss wissen, ob das Fleisch passt, ob zum Beispiel der Fettgehalt stimmt . Dann weiß ich, ob ich in Zukunft vielleicht anders füttern muss, um etwas zu verändern", sagt Gelb senior.

Davon, wie die Qualität des Fleisches sich von anderen unterscheidet, haben sich Christine und Christian Hattensperger seit nunmehr eineinhalb Monaten ein Bild machen können. "Das Fleisch ist sehr fest, aber trotzdem saftig", sagt Christine Hattensperger, die seit 30 Jahren im Geschäft ist. "Ich habe einen Schinken aufgeschnitten, der ist wie früher", sagt sie. Das Fett sei fester, das Fleisch langsamer gewachsen, der Speck nicht wässrig, einfach "g'schmackiger" findet sie. Wer das Fleisch aus der Produktion der Familie Gelb probiert, kann tatsächlich einen enormen Unterschied zu Supermarktware schmecken. Auch von vielen Kunden und Gästen im zugehörigen Gasthof habe die Familie mittlerweile schon viel positives Feedback bekommen. "Uns ist es einfach wichtig, dass es den Tieren so lange sie beim Bauern sind, gut geht. Wenn ich Achtung vor dem Lebewesen habe, kann ich das Fleisch auch mit Genuss essen", sagt Christan Hattensperger. Auch die Preise mussten in der Metzgerei Eberl bisher nicht erhöht werden. "Weil die Schweine viel besser verwertbar sind, war das bisher nicht nötig."

Josef Gelb senior hofft nun, dass auch andere Metzger in der Umgebung Gefallen an seinem Konzept finden, das auch auf regionale Vermarktung und kurze Produktionswege setzt. "Das ist mein Traum", sagt der Landwirt mit einem breiten Lächeln im Gesicht. "Ich hoffe, dass ich irgendwann einmal aufwache und der Traum, dass ich viele Metzger in der Nähe beliefere, Wirklichkeit wird", sagt er.

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