Freude am Putzen:"Mir ist das rhythmische Wischen lieber"

Die Chefin einer Schweizer Reinigungsfirma versucht am Mittwoch in der Rudolf-Steiner-Schule, bei Lehrern, Eltern und Schülern die Freude am Putzen zu wecken. Zudem geht es um die Gewissensfrage: Besen oder Staubsauger?

Interview von Stefan Salger

Linda Thomas, 61, Buchautorin und Gründerin einer ökologischen Putzfirma, referiert an diesem Mittwoch von 19.30 Uhr an in der Rudolf-Steiner-Schule über "Vom Putzen zum Pflegen". Sie will erläutern, wie aus einer lästigen Pflicht eine für das persönliche Wohlbefinden wichtige Tätigkeit wird, aus der man Freude und Kraft schöpfen kann.

SZ: Frau Thomas, meine Frau behauptet, ich sei allergisch gegen Putzen. Bin ich damit aus dem Schneider?

Linda Thomas: Nun mal langsam. So einfach ist das nicht. Ziel sollte es schon sein, dass sich Frauen und Männer auch gemeinsam um die Sauberkeit kümmern. So geschlechterbezogen wie früher ist das heute auch nicht mehr. Es gibt viele Männer, die sich da engagieren.

SZ: Gut, vielleicht ist es ja wirklich keine Allergie. Aber Engagement? Nun ja. Wie können Sie denn bekennenden Putzmuffeln das Fensterputzen oder Staubwischen schmackhaft machen?

Am besten ist es, man zeigt, wie es geht. Zur Theorie gehört die Praxis, deswegen gebe ich auch regelmäßig Seminare. Dabei trifft man übrigens auch auf Hausfrauen, die selbst nach 20 Jahren noch keine Ahnung haben. Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier. Grundsätzlich müssen sich die Leute erst mal fragen, ob sie es gerne zu Hause sauber haben. . .

. . . ja, das schon, aber. . .

. . . und dann kann man mal richtig entstauben und man sieht den Unterschied. Auch Putzmuffel sind erfahrungsgemäß lernfähig.

Freude am Putzen: Junge Männer, die mit Wischmopp und Putzeimer hantieren - kann das gut gehen? Ja, sagt Linda Thomas. Sie müssen es nur wollen.

Junge Männer, die mit Wischmopp und Putzeimer hantieren - kann das gut gehen? Ja, sagt Linda Thomas. Sie müssen es nur wollen.

(Foto: Stefan Salger/oh)

Also gut. Aber dringen Sie mit solchen Botschaften immer durch? Oder streichen sie nicht auch irgendwann die Segel?

Götz Werner, der Chef einer deutschen Drogerie-Kette, hat einmal gesagt: Wer will, findet Wege, wer nicht will, der findet Gründe. Ich weiß, dass ich nicht alle erreichen kann. Aber ich muss ja auch niemanden bekehren.

Wie lange würde denn so ein ordentlicher Frühjahrsputz dauern, sagen wir mal, für eine Dreizimmerwohnung?

In einem halben Tag ist das zu schaffen.

In Ihren Büchern und Seminaren ist von Elementarwesen und auch von Engeln die Rede. Dabei kann es sich ja wohl nur um hilfsbereite Wesen handeln, die einem die elementare Arbeit abnehmen - also um Reinigungskräfte.

Nein, nein. Das ist im übertragenen Sinn gemeint. Man kennt so etwas aus Märchen oder von den Heinzelmännchen aus Köln. Es gibt Tage, an denen beim Saubermachen alles sehr leicht von der Hand geht, da wirken dann die Elementarwesen mit.

Welche Verbindungen gibt es vom heilsamen, therapeutischen Putzen zu Rudolf Steiner, der alternative pädagogische Konzepte erarbeitet hat?

Zunächst gibt es da mal eine ganz persönliche Verbindung. Ich habe vor 22 Jahren meine Reinigungsfirma gegründet, weil ich damit den Besuch meiner beiden Kinder in der Rudolf-Steiner-Schule finanzieren wollte. 1993, fünf Jahre nach Gründung meiner Firma, habe ich dann auch einen Auftrag vom Goetheanum nahe Basel erhalten, das ist ja die Hochburg der Anthroposophie. Eine weitere Verbindung ist, dass auch Rudolf Steiner dafür plädiert, Geisteswissenschaft im täglichen Leben anzuwenden.

Freude am Putzen: Linda Thomas wurde 1953 in Südafrika geboren. Sie leitete von 1988 bis 2009 das ökologische Reinigungsinstitut in Arlesheim/Schweiz.

Linda Thomas wurde 1953 in Südafrika geboren. Sie leitete von 1988 bis 2009 das ökologische Reinigungsinstitut in Arlesheim/Schweiz.

(Foto: oh)

Zurück von der Philosophie zur profanen Praxis: Wie lange halten Sie am Stück durch beim Putzen?

Wenn alles harmonisch, andächtig und ruhig abläuft, dann wird man gar nicht müde. Heute mache ich es nicht mehr so häufig, aber früher habe ich durchaus zehn Stunden am Stück geputzt ohne große Ermüdungserscheinungen.

In Gröbenzell bieten Sie auch eine Lehrerfortbildung an. Bis zur achten Klasse putzen dort die Eltern, dann die Schüler. Sollen die Lehrer das jetzt zur Chefsache erklären, weil es so ein Saustall ist?

Nein, natürlich nicht. Aber wenn die Kinder Fege-, Abfall- oder Tafeldienst übernehmen, dann sollte ihnen das auch jemand kompetent zeigen. Die Lehrer müssen eine Ahnung davon haben, sonst funktioniert es nicht.

Was entgegnen Sie Medizinern, die sagen, dass Kleinkinder für den Aufbau ihres Immunsystems Schmutz in ihrer Umgebung brauchen?

Ich stimme ihnen hundertprozentig zu. Aber das heißt ja nicht, dass es zu Hause nicht sauber sein darf. In der Tat empfehle ich, dort auf Desinfektionsmittel zu verzichten. Zudem sollten Kinder die Möglichkeit haben, draußen zu spielen und sich auch schmutzig machen zu dürfen.

Nun zur Gewissensfrage: Was ist der angenehmere Begleiter für Sie - Besen oder Staubsauger?

Ganz klar der Besen. Ich würde lieber 20 Klos putzen als einen Teppich zu saugen. Natürlich sind Staubsauger auch moderner und viel leiser geworden. Aber sie verursachen statische Aufladung. Der Besen hingegen lässt sich mit dem Ansatz des Pflegens viel besser vereinbaren, mir ist das rhythmische Wischen lieber.

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