Fremdenverkehr:Der Landkreis als Touristenattraktion

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Das Fürstenfeldbrucker Land möchte für Besucher interessanter werden. Doch wie stellt man das an? Zunächst soll eine neue Fachkraft im Landratsamt alle Vorhaben bündeln

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Kann der Landkreis Fürstenfeldbruck eine Touristenattraktion werden? Ja, sagt Norbert Seidl und wird ganz euphorisch bei dem Gedanken: "Die geografische Lage ist einmalig. Es gibt hier jede Menge Vielfalt und der Landkreis hat auch Geschichte." Der Bürgermeister von Puchheim und SPD-Kreisrat gerät so sehr ins Schwärmen, dass ihn Landrat Thomas Karmasin (CSU) scherzhaft sogar die Idealbesetzung für einen Tourismusmanager des Landkreises nennt - wäre Seidl nicht bedauerlicherweise noch auf Jahre hinaus als Bürgermeister gebunden. Seidls Plädoyer aber teilte eine große Mehrheit im Energie-, Umwelt- und Planungsausschuss des Fürstenfeldbrucker Kreistags. Der Landkreis soll deshalb bald einen eigenen Tourismusmanager bekommen.

Die neue Fachkraft soll helfen, bislang noch fehlende touristische Organisations- und Kooperationsstrukturen aufzubauen. Zwar gibt es im Landratsamt die Regionalmanagerin Rike Strohmeyer, die bereits einzelne Projekte betreut und unter anderem einen gemeinsamen Messestand von Landkreis und Stadt Fürstenfeldbruck auf der Freizeitmesse "Free" im kommenden Februar in München vorbereitet. Dauerhaft aber kann sie Aufgaben auf dem Tourismussektor nicht mitübernehmen.

Dabei hatte vor gut einem Jahr das Beratungsinstitut Dwif-Consulting mit einer Analyse zu den Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken im Bereich Naherholung und Tourismus (Swot-Analyse) herausgefunden, dass der Landkreis Fürstenfeldbruck erwartungsgemäß zwar "keine klassische Urlaubsregion" ist, wohl aber Potenzial hat als Ziel für Tagestouristen und Tagungsbesucher, dass aber bislang eine "Bündelung und Koordinierung nach außen und innen fehlt". Auch die Sichtweise hat sich durchaus geändert. "Vor 20 Jahren haben wir noch gesagt: Bei uns gibt's keinen Tourismus, wir schlafen hier draußen nur", erinnert sich Karmasin, der seit genau 20 Jahren im Amt ist. "Mittlerweile haben wir größeres Selbstbewusstsein entwickelt."

Laut der Swot-Analyse ist die touristische Nachfrage im Landkreis Fürstenfeldbruck in den vergangenen Jahren leicht gestiegen - wie überall in Oberbayern. Von 2014 auf 2015 betrug das Plus von Gästeankünften und Gästeübernachtungen im Kreis Fürstenfeldbruck etwas mehr als sechs Prozent, seit dem Jahr 2006 legte die Zahl der Übernachtungen in gewerblichen Betrieben - dazu zählen keine Ferienwohnungen und auch keine Privatquartiere - um 16 Prozent zu. Die absoluten Zahlen zeigten jedoch, "dass dem Übernachtungstourismus im Landkreis nur eine nachrangige Rolle zukommt", schreiben die Verfasser der Studie. Im Vergleich mit den übrigen Kreisen rund um München ist Fürstenfeldbruck Schlusslicht. Die Zahl der Beherbergungsbetriebe ist mit derzeit 46 seit Jahren nahezu unverändert und ebenfalls geringer als bei den Nachbarn. Nennenswert größere Betriebe seien nur die Tagungshotels mit Kapazitäten bis zu 200 Betten. Damit einhergeht geht, dass nirgendwo im Großraum München weniger Gästebetten zur Verfügung stehen als im Landkreis Fürstenfeldbruck. Ihre durchschnittliche Auslastung lag zuletzt bei 39 Prozent. Bei den Gästen handelt es sich überwiegend um Geschäftsreisende. Die Aufenthalte im Landkreis Fürstenfeldbruck dauern durchschnittlich 2,0 bis 2,1 Tage und sind damit immerhin länger als beispielsweise in der Flughafengegend Erding und Freising (1,6 Tage).

Im Rahmen der Leitbilddiskussion hatte sich vor einigen Jahren eine Arbeitsgruppe erstmals mit dem Thema Tourismus beschäftigt und schließlich im Leitbild festgehalten, einen sanften Tagestourismus verfolgen zu wollen. Andere Regionen sind in ihrer Selbstvermarktung wesentlich weiter. So preist sich etwa das Starnberger Fünf-Seen-Land über einen eigenen Tourismusverband an. Auch die Nähe zu München, schreibt die Swot-Analyse, würde als Standortvorteil zu wenig wahrgenommen.

Weil der Landkreis der Sparte Tourismus bislang auch zu wenig personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt hat, hält die Studie deshalb die Schaffung einer Vollzeitstelle plus - zu gegebener Zeit - einer halben Assistenzstelle sowie ein Marketingbudget von jährlich etwa 50 000 Euro für notwendig. Ein künftiger Tourismusmanager soll Projekte koordinieren, alle Landkreisakteure bei touristischen Aktivitäten unterstützen, Gemeinden beraten, mit den Nachbarlandkreisen zusammenarbeiten, vernetzten und auch externe touristische Investoren betreuen. Die neue Stelle soll wegen möglicher Synergieeffekte bei der Wirtschaftsförderung im Landratsamt angesiedelt werden. Laut Analyse soll der Tourismus als weicher Standortfaktor für die wettbewerbsfähige Entwicklung des Landkreises und als eigener Wirtschaftsfaktor gefördert werden. "Die Stelle hat eine strategische Dimension", betont auch FDP-Kreisrat Klaus Wollenberg in der Ausschusssitzung. Schon vor einigen Jahren hatte der Professor für Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftspolitik und Regionalmanagement an der Hochschule München zusammen mit seinen Studenten herausgefunden, dass die Leistungen aus dem Tourismussektor für den Kreis Fürstenfeldbruck noch weitgehend unbedeutend sind. Es könne aber nicht darum gehen, "dass mehr Fahrradtouristen hier anhalten wie entlang von Donau oder Elbe", sondern vor allem die Wirtschaftsförderung müsse ein Interesse am gewerblichen Aspekt des Tourismus haben, fordert Wollenberg.

Norbert Seidl hält es für wichtig, sich "um eine Dachmarke für den Landkreis zu kümmern". Um attraktiver für Touristen zu werden, sei auch ein Mobilitätskonzept notwendig. Seine Fraktionskollegin Petra Weber möchte die neue Stelle "nicht nur zum Vernetzen" der Angebote nutzen, sondern zudem "einzelne Projekte anstoßen und Akzente setzen: Mein Traum wäre eine Jugendherberge im Landkreis." Aber "auch die Leute, die hier sind, sollen sich mit dem Landkreis identifizieren können", fordert Seidl: "Ich möchte selbstbewusst sagen können: Dieser Landkreis hat Klasse!"

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