Flüchtlinge:Zwist um den Fliegerhorst

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Wo früher Soldaten lebten, wohnen heute Flüchtlinge (hier der Wartebereich vor dem Büro der Caritas). (Foto: Günther Reger)

Wer entscheidet über die Unterbringung von Asylbewerbern? Was hat Fürstenfeldbruck gegen die Umwandlung der Erstaufnahme in eine Kurzaufnahme? Und was ist das überhaupt? Ein paar wichtige Antworten

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Zumindest vorerst sind die Pläne geplatzt, aus der Asyl-Erstaufnahme am Rande des Fliegerhorsts eine Kurzaufnahme zu machen. Der Stadtrat hat am Dienstag das Konzept der Regierung von Oberbayern abgelehnt, weil er eine Betriebsgenehmigung für fünf Jahre sowie die bedarfsabhängige Option auf weitere fünf Jahre nicht akzeptieren will. Daran ändern auch einige Zugeständnisse der Regierung nichts, die etwa finanzielle und organisatorische Unterstützung bei der zivilen Umnutzung des Fliegerhorsts in Aussicht gestellt hat. Hier noch einmal Antworten auf wichtige Fragen:

Wer ist für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig?

Entscheidungen trifft das bayerische Sozialministerium, das die Aufnahme und Betreuung der Asylbewerber aber an die untergeordneten Behörden der Bezirksregierungen weitergereicht hat. Somit ist die Regierung von Oberbayern für die Erstaufnahmestelle am Fliegerhorst zuständig, aber auch beispielsweise für die Sammelunterkunft in Germering. Für andere Gemeinschaftsunterkünfte wie jene im Brucker Gewerbegebiet Hasenheide oder auch kleinere Gemeinschaftsunterkünfte reicht der Bezirk die Zuständigkeit an das Landratsamt weiter. Der Landkreis hat insgesamt mehr Flüchtlinge aufgenommen, als er dies müsste. Andere Städte und Gemeinden profitieren davon, dass die Flüchtlinge in der Erstaufnahmestelle voll auf diese Quote angerechnet werden. Nicht alle Kommunen erfüllen wiederum die festgelegte Quote, mit der Asylbewerber im Landkreis verteilt werden.

Welches Mitspracherecht haben Städte und Gemeinden?

Wenig. Sie müssen die Quoten erfüllen, können in der Regel aber entscheiden, wo genau welche Unterkunft gebaut oder bezogen wird. Strittig ist, ob Fürstenfeldbruck mit Verweis auf seine Planungshoheit die eigentlich erforderliche Baugenehmigung für die Unterkunft am Fliegerhorst verweigern kann oder übergeordnete Stellen sich einfach selbst die Umnutzung von der Kaserne zur Flüchtlingsunterkunft genehmigen können. Gerichtlich geklärt wird zurzeit, wer verantwortlich ist, wenn die Feuerwehr das Gelände im Nordosten der Stadt nicht innerhalb der gesetzlichen Zehn-Minuten-Frist erreicht.

Warum werden am Fliegerhorst überhaupt Flüchtlinge untergebracht?

Im Herbst 2014 suchte die Regierung vor dem Hintergrund eines anschwellenden Flüchtlingszustroms händeringend nach Notunterkünften. Die Bundeswehr stellte dafür im Oktober kurzfristig leer stehende Häuser rund ums Unteroffizierheim zur Verfügung, grenzte diese mit einem Zaun ab und ließ den Teilbereich zügig militärisch entwidmen. Der Zeitpunkt, bis zu dem das Gelände für die anstehende zivile Umnutzung des Fliegerhorsts verbindlich wieder geräumt werden muss, wurde nie vertraglich festgelegt. Grundsätzlich ist der Fliegerhorst für die Regierung eine sehr gute und günstige Lösung, stellt der Bund eigene Liegenschaften für die Unterbringung von Asylbewerbern doch kostenlos zur Verfügung und finanziert auch noch den Umbau.

Was ist der Unterschied zwischen einer Kurz-und einer Erstaufnahme?

In einer Kurzaufnahme sollen Asylbewerber in der Regel fünf bis sieben Tage aufgenommen werden. Sie werden registriert und gründlich medizinisch untersucht. Hinter ihnen liegen bis zu 18 Stunden in einem Ankunftszentrum, vor ihnen bis zu sechs (in Ausnahmefällen neun) Monate in einer Dependance der Aufnahmeeinrichtung, wie sie auch am Fliegerhorst vorhanden ist. Vier weitere Dependancen gibt es in München, außerdem in Eichstätt, Waldkraiburg und Unterhaching. Als problematisch angesehen werden Erstaufnahmen auch deshalb, weil dort künftig vermehrt Menschen mit sehr unsicherer Perspektive aufgenommen werden sollen. Asylbewerber aus Herkunftsländern, die als sicher eingestuft werden, sowie Kriegsflüchtlinge mit sehr guten Aussichten sollen andernorts untergebracht werden.

Warum stäubt sich Fürstenfeldbruck gegen eine Kurzaufnahme?

Wegen der sehr kurzen Verweildauer können kaum soziale Bindungen entstehen. Auch deshalb müssten professionelle Asylsozialberater die Arbeit des bewährten, etwa hundert Ehrenamtliche zählenden Fursty-Helferkreises übernehmen. Der Widerstand Brucks richtet sich aber weniger gegen eine Kurzaufnahme und schon gar nicht gegen die Betreuung von Flüchtlingen und eine "Willkommenskultur", sondern gegen die mit der Umwandlung verknüpfte Festlegung auf bis zu zehn Jahre Betriebsgenehmigung. Die Stadt lehnt eine solche Laufzeit für eine als überdimensioniert empfundene Massenunterkunft auch ab, falls alles so bleibt, wie es ist.

Warum soll überhaupt eine Kurzaufnahme in der Kreisstadt entstehen?

Weil die in der ehemaligen Bayernkaserne untergebrachte zentrale Aufnahmeeinrichtung zum Jahresende geschlossen werden soll. München will auf dem Gelände unter anderem Wohnungen bauen. Weil in Bruck Platz für Medizin und Verwaltung geschaffen werden müsste, würde die Zahl der Betten auf tausend sinken.

Was ist, wenn Bruck sich verweigert?

Dann droht die Regierung kaum verhohlen damit, die Zahl der zurzeit etwa 1100 Flüchtlinge aufzustocken und damit die von ihr selbst festgelegte Kapazität von 1600 Betten voll auszuschöpfen - möglicherweise über 2026 hinaus. Die Erfolgsaussichten, auf Basis der fehlenden Baugenehmigung die Schließung der Einrichtung gerichtlich durchzusetzen, gelten als eher schlecht. Denn der Bund hat durch die Änderung des Baugesetzes (Paragraf 246 BauGB) Hürden für den Bestand von Flüchtlingsunterkünften deutlich abgebaut - zunächst bis 2019. Würde Bruck vor Gericht unterliegen, dann wäre auch jegliche zeitliche Befristung vom Tisch.

Ob die Kommunen sich die Einschränkung ihrer Planungshoheit gefallen lassen müssen, wird von manchen Experten freilich bezweifelt. Noch fehlt es an höchstrichterlichen Entscheidungen. So nennt Grünen-Stadträtin Alexa Zierl das Verfahren um die Einführung der 10H-Abstandsregel als Beispiel. Der Verfassungsgerichtshof hatte die Passage kassiert, mit der die Staatsregierung Kommunen vorschreiben wollte, vor der Baugenehmigung für Windräder die Zustimmung von Nachbargemeinden einzuholen.

© SZ vom 16.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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