Flüchtlinge:Erstaufnahme bekommt Arztpraxis

Wenn demnächst 1600 Menschen im ehemaligen Fliegerhorst leben, muss auch die medizinische Versorgung entsprechend ausgebaut werden. Die 16 Ärzte bekommen mehr Räume und bei Bedarf auch mehr Stunden

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

In der Erstaufnahmeeinrichtung im Fliegerhorst gibt es bald eine Art Arztpraxis mit verschiedenen Fachmedizinern. Die Ausweitung der medizinischen Versorgung betrifft in erster Linie den Umzug in größere Räumlichkeiten. Dort soll es auch die Möglichkeit geben, Personen mit ansteckenden Erkrankungen isoliert von anderen Bewohnern unterzubringen. Des weiteren ist angedacht, wenn demnächst fast 50 Prozent mehr Menschen auf dem früheren Militärgelände leben, auch die Sprechzeiten der Ärzte entsprechend auszuweiten.

Derzeit arbeiten 16 Mediziner aus verschiedenen Fachrichtungen - die meisten sind bereits in Rente und haben deshalb die zeitlichen Kapazitäten - in zwei Räumen in der von der Regierung von Oberbayern betriebenen Erstaufnahmeeinrichtung. Die Behörde zahlt auch die ärztliche Versorgung. Wie viel das kostet, konnte sie bislang nicht mitteilen. Dem Vorsitzenden des Ärztlichen Kreisverbands, Werner Kainzinger, ist es zu verdanken, dass schon bald nach dem Einzug der ersten Flüchtlinge auf dem früheren Fliegerhorst auch die medizinische Versorgung anlief. Er hat seine pensionierten Kollegen zusammengetrommelt und für das Aufnahmelager mit anfangs 600 Bewohnern die medizinische Versorgung organisiert, zunächst in Eigenregie, bald abgesprochen mit und finanziert von der Regierung von Oberbayern. Der pensionierte HNO-Arzt ist es auch, der in enger Abstimmung mit Vertretern der Regierung von Oberbayern, des Sozialministeriums und der Asylbehörde die Erweiterung der medizinischen Versorgung fachlich leitet.

Wie Kainzinger berichtet, und die Regierung von Oberbayern bestätigt, werden derzeit frühere Schulungsräume entsprechend umgebaut. "Waschbecken müssen noch rein, ein Türdurchbruch", nennt er einige erforderliche Maßnahmen. Wenn die Arbeiten abgeschlossen sind, werden die Ärzte drei Sprech- und zwei Wartezimmer sowie entsprechende medizinische Geräte zur Verfügung haben. Direkt darüber besteht laut Kainzinger die Möglichkeit, Menschen mit ansteckenden Krankheiten unterzubringen. "Gar nicht gesehen als Krankenstation, das können wir gar nicht darstellen. Sondern als isolierte Wohnsituation", erläutert er. Dann könnte man Bewohner mit ansteckenden Erkrankungen separieren und so vermeiden, dass sich die Infektionen weiter verbreiten. Vage angedacht ist dem ehemaligen Stadtrat zufolge außerdem, zusätzlich und räumlich getrennt von den drei Praxiszimmern noch weitere Räume für die medizinische Versorgung zur Verfügung zu stellen. Dort könnte die erste medizinische Untersuchung der Flüchtlinge erfolgen. Bislang wird das in München gemacht. Wurde die Untersuchung dort versäumt, bevor die Menschen im Landkreis ankamen, ist es schon vorgekommen, dass sie zur Untersuchung extra ins Gesundheitsamt oder in die Kreisklinik mussten.

Bezugsfertig werden die neuen Praxisräume nach Angaben der Regierung Anfang März. Die knapp 600 zusätzlichen Flüchtlinge werden allerdings schon in den nächsten Wochen erwartet. "In den jetzigen Räumen ist es schon jetzt an der Grenze des Erträglichen", sagt Kainzinger. Notfalls werde man aber dort auch noch für drei weitere Monate praktizieren können. "Es ist halt beengt, es ist immer schöner, wenn man in größeren Räumen arbeiten kann." Eventuell, deutet der Mediziner an, stelle die Regierung noch einen weiteren Raum "als Provisorium" zur Verfügung bis die neuen Praxisräume bezugsfertig sind.

Aktuell besonders oft müssen Kainzinger und seine Kollegen Erkältungen und grippale Infekte behandeln. Sie machen zurzeit etwa ein Drittel der Erkrankungen aus. "Ansonsten ist es eine bunte Mischung aus allem", resümiert er. Wobei Hauterkrankungen relativ oft vorkommen. "Wir haben natürlich fluchtbedingt posttraumatische Belastungsstörungen", rund ein Fünftel der Bewohner leide darunter und oft äußerten sich die Verletzungen der Seele in psychosomatischen Leiden. In solchen Fällen begnügen sich die Ärzte in der Regel, organische Ursachen auszuschließen. Es gibt zwar in dem Ärzteteam zwei Psychiater, einer davon spricht auch Arabisch. Aber Kainzinger zufolge bleiben die Menschen viel zu kurz in der Erstaufnahme, als dass eine therapeutische Behandlung Sinn hätte.

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