Finanzieller Ausgleich:Ein Herz für Sozialhilfeempfänger

Jahrelang hat Landrat Karmasin gegen eine Aufstockung der Regelsätze im Landkreis gestimmt. Seit vorigem Jahr ist das anders. Nun initiiert er sogar eine neuerliche Erhöhung

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Die Sozialhilfeempfänger im Landkreis sollen auch künftig mehr Geld erhalten, als der Gesetzgeber vorsieht. Über die regelmäßige, gesetzlich geltende Erhöhung zum jeweiligen Jahresbeginn hinaus will Landrat Thomas Karmasin (CSU) an der vor einem Jahr im Fürstenfeldbrucker Kreistag getroffenen Entscheidung festhalten, den Betroffenen einen landkreisspezifischen Aufstockungsbetrag zu zahlen. Der Kreisausschuss wird sich am Montag mit dem Thema befassen.

"Im Kreistag bestand Konsens darüber, dass die Sätze aufgrund der besonders hohen Lebenshaltungskosten im Landkreis erhöht werden sollen. Wenn nun der bundesweite Satz erhöht wird, ist es folgerichtig, den speziellen Landkreistarif ebenfalls fortzuschreiben", sagte Karmasin auf Anfrage der SZ: "Sonst würde sich ja der Erhöhungsbetrag alsbald abschmelzen und der Sinn der Regelung wäre verfehlt." Dabei hatten sich Karmasin und seine Kreistagskollegen von der CSU in der Vergangenheit vehement gegen eine Art Landkreiszuschuss für Sozialhilfebezieher gewehrt, wie ihn die SPD jedes Jahr aufs Neue beantragt hatte. Nur in den Jahren 2009 bis 2011 hatten die Sozialhilfeempfänger schon einmal mehr bekommen, damals hatten auch Teile der CSU dafür gestimmt. Im vergangenen Dezember änderte auch Karmasin seine Sichtweise und plädierte für höhere Sozialhilfesätze im Brucker Land - mit der Begründung, dass man angesichts der Zuwanderung die Balance zu den Einheimischen nicht verlieren dürfe. "In Zeiten, in denen gigantische Summen ausgegeben werden für Menschen, die zu uns kommen, müssen wir vermeiden, dass es heißt, bei uns gibt es auch Menschen in Not und für die ist nie Geld da," sagte Karmasin damals und erntete zumindest für die Art der Argumentation sogleich Kritik.

Die Begründung verwendet er nun nicht mehr. In der Pressemitteilung, die das Landratsamt eigens dazu verschickt hatte, heißt es, dass bedürftige Senioren und Grundsicherungsempfänger im Landkreis Fürstenfeldbruck aufgrund der hohen Lebenhaltungskosten einen höheren Bedarf für den Lebensunterhalt hätten als in anderen Regionen Deutschlands. Der Landkreis zieht dazu den Verbraucherpreisindex heran, der die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen anzeigt, die private Haushalte kaufen. Demnach liegt Kreis Fürstenfeldbruck auf Platz zehn der teuersten Regionen für Rentner. Noch höher sind die Lebenshaltungskosten demnach nur in Landeshauptstadt und Landkreis München, in Starnberg, Frankfurt am Main, Miesbach, Dachau, Nordfriesland, Freiburg und Ebersberg. Um das soziokulturelle Existenzminimum sicherzustellen, sei es daher sinnvoll, die Regelsätze auf ein "realistisches örtliches Niveau anzuheben", schreibt die Kreisverwaltung in den Informationsunterlagen zur Sitzung am Montag.

Höhere Regelsätze zahlen auch Stadt und Landkreis München. Die SPD hatte dies jahrelang als Begründung dafür angeführt, warum auch der Brucker Landkreis einen höheren Betrag an jene etwa 1100 Personen auszahlen solle, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln bestreiten können. Der gesetzliche Sozialhilfesatz erhöht sich zum 1. Januar 2018 um fünf Euro auf dann 416 Euro im Monat. Der Landkreis zahlt erwachsenen Sozialhilfebeziehern derzeit 430 Euro und damit 21 Euro mehr als bundesweit üblich. Künftig sollen es 437 Euro sein. Für Kinder bis sechs Jahre steigt der Betrag auf 251 Euro, für Kinder zwischen sechs und 14 Jahren auf 308 Euro und für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren auf 331 Euro. Wer als Erwachsener in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenlebt, soll 393 Euro erhalten.

Hartz-IV-Empfänger, also Langzeitarbeitslose aus dem Landkreis, werden von einer Aufstockung nicht profitieren. Sie erhalten lediglich den gesetzlichen Satz. Der Landkreis ist nicht für sie zuständig. Ist das ungerecht? Sozialhilfeempfänger seien wegen Alter oder Krankheit in der Regel dauerhaft arbeitsunfähig, sagt Karmasin dazu. Sie hätten deshalb keine Chance mehr, an ihrer prekären Situation etwas zu verändern. Hartz IV indes sollte "ein vorübergehender Bezug von Leistungen sein, weil die Betroffenen ja grundsätzlich arbeitsfähig sind".

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