Filmprojekt eines gebürtigen Fürstenfeldbruckers:Abschied von Papa

Mickel Rentsch zeigt seinen berührenden Streifen auf dem Fünfseen-Festival

Von Astrid Becker, Starnberg

Ein wenig fremd fühlt er sich, hier am Starnberger See. Aber "darf ich das überhaupt sagen?" Mickel Rentsch darf. Schließlich lebt der in Fürstenfeldbruck geborene Filmregisseur am Ammersee, genauer gesagt in Inning. Und wer dort am "Bauernsee", wie dieser See auch genannt wird, aufgewachsen ist, wird sich an dem anderen, der den prunkvoller klingenden Namen "Fürstensee" trägt, immer ein wenig deplatziert fühlen. Auch wenn dies meist wohl nur der Macht der Gewohnheit geschuldet ist.

An diesem Tag jedenfalls sitzt der 48-jährige Rentsch am Ufer des Starnberger Sees und erzählt aus seiner Kindheit am äußersten Zipfel des Landkreises. Davon, wie sehr er künstlerisch von seinem Vater geprägt worden ist. Auch einer der vielen Gründe, warum er einen Film über ihn gedreht hat: "Hermann - Vorwärts gibt es kein Zurück". Mit diesem Werk ist Rentsch heuer beim Fünfseen-Festival vertreten. Nicht zum ersten Mal. Wenn er sich recht entsinne, meint er, seien es bis jetzt mindestens sechs Filme gewesen. Doch auch darüber hinaus ist er mit dem cineastischen Großereignis eng verbunden: "Ich wollte immer mal die Dampferfahrt mitmachen, aber das hat nie geklappt, weil ich zum Beispiel auf dem Festival moderierte." Früher, so sagt er, habe er sich dort immer viele Filme angesehen, manchmal drei Mal am Tag. Aber jetzt, als Vater von drei Kindern, sei das zeitlich schwierig. Zumindest einen will er heuer ansehen, welchen genau, weiß er noch nicht. Vielleicht wird es "Monaco Franze" sein, seine absolute Lieblings-Serie. Und natürlich wird er die Vorführung des eigenen Films besuchen, der zwei Mal auf dem Festival zu sehen sein wird.

Dieser Film ist eine Hommage an seinen Vater, an einen Mann, der vor sechseinhalb Jahren an Lungenkrebs gestorben ist. Im Alter von gerade 70 Jahren. Der Film porträtiert diesen Menschen, lässt Familie, Verwandte, Freunde zu Wort kommen. Und ein wenig ist es auch so, als ob Rentsch tief in die Seele seines Vaters eintauchen würde. Ein Mann voller Widersprüche sei der gewesen, sagt er. Einer, der ein schwieriges Leben hinter sich gebracht habe, aber eben auch einer, der stets das Leben bejaht, gern getrunken, geraucht und gefeiert habe: "Auf unseren Festen war mein Vater immer vorn dabei." Ein ewig Junggebliebener vielleicht, der sich die Lust am Sein nicht stehlen ließ. Nicht einmal von seiner Krankheit. Zwei Monate vor seinem Tod kam Mickel Rentsch auf die Idee, den Film zu drehen. Der Vater, den er manchmal noch zum Spaß "Vattern" oder "Papa" nannte, sonst nur "Hermann" ,sei ihm immer auch ein Kumpel gewesen, mit dem er sogar drei Jahre in einer WG gewohnt hat. Und dieser "Kumpel", der für ihn früher Geschichten erfunden hat, sagte sofort zu. Ebenso die beiden Brüder von Rentsch.

Seine Mutter hingegen, erzählt der Filmemacher, habe anfangs zurückhaltend reagiert. "Sie ist der Typ, der vieles hinterfragt." Dennoch kommt auch sie zu Wort und ist wohl mittlerweile auch überzeugt davon, dass ihr Sohn den Vater damit unsterblich werden lässt. Wobei: Rentsch ist ohnehin ein spiritueller Mensch, der überzeugt davon ist, dass das Leben mit dem Tod nicht endet: "Mein Vater ist immer noch bei mir", sagt er. Auch etwas, was ihm dieser Mann mit auf den Weg gegeben hat. Beim Drehen des Films hätten sie genau darüber oft gesprochen, sagt er.

Dieser doch so besondere Dreh muss Rentsch geholfen haben, sich von seinem Vater zu verabschieden, dem Menschen, der ihn in jungen Jahren ermutigt hatte, Comics zu zeichnen und ihn damit letztlich auch zum Thema Film gebracht hat. Hermann Rentsch war von Berufs wegen Geologe, genauer gesagt Gletschervermesser. Seine Leidenschaft galt jedoch der Malerei, von ihm erbte Mickel Rentsch sicher das visuelle Geschick, das heute seine Filme prägt: Geschichten, die er mit der ganzen Kraft des Bildes erzählt und dabei ohne Effekte oder technische Spielereien auskommt. Dabei drehte Jentsch noch zu Schulzeiten sogar einen Zeichentrickfilm. Mühselig sei das gewesen, doch eines sei ihm dabei klar geworden: "Ich will Filme machen." Später, 1990/91, studierte er Schauspiel in Berlin, ging dann aber noch auf die Hochschule für Fernsehen und Film, die er 2002 mit dem Diplom in der Tasche verließ.

Heute gibt es in diesem Metier fast nichts, das Rentsch nicht gemacht hat. Er drehte Dokumentationen wie seine aufsehenerregende Langzeitstudie "Wir sind Papst" über Marktl am Inn, Kurz-, Spiel und Werbefilme, er stand mit Kabarett, Theater und Moderationen auf der Bühne, er führt Regie und schreibt Drehbücher - zum Beispiel war er auch an "Wer früher stirbt, ist länger tot" beteiligt. Den Filmemacher Marcus H. Rosenmüller schätzt er sehr, ebenso wie Hans-Christian Schmid ("Nach fünf im Urwald"). Beide hätten eine Leichtigkeit in sich, die ihm manchmal fehle: "Ich bin zu sehr Rebell." Und ein "Öko-Radikaler", wie er sich beschreibt. Er fährt kein Auto, sondern nur Bahn oder Fahrrad. Er lebt nur von Naturkost - und er engagiert sich sozial und politisch, zum Beispiel für "Green City". So arbeitete er auch immer wieder in der Behindertenpflege und in der Altenbetreuung: "Das hat mir gezeigt, wie lebenswert das Leben ist, wie sehr man es schätzen muss." Etwas, was ihm sicher auch sein Vater von Kindesbeinen an vermittelt hat - ebenso wie eine andere Erkenntnis: "Ich weiß, ich kann Erfolg, aber das ist nicht das Ziel. Das Wichtigste ist es, Geschichten zu erzählen." Für seinen Vater muss das sehr ähnlich gewesen sein.

"Hermann - Vorwärts gibt es kein Zurück" hatte am Sonntag im Augustinum Dießen Premiere und wird an diesem Samstag, 8. August, 18 Uhr, erneut vorgeführt, diesmal im Kino Herrsching.

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