Faschingszug Gernlinden:Weltuntergangsstimmung? Fehlanzeige!

Bei prächtigem Winterwetter verfolgen am Sonntag weit mehr Zuschauer als sonst den Gernlindener Faschingszug. Die Teilnehmer nehmen nicht nur den Maya-Kalender, sondern auch die TÜV-Prüfung, die Baustelle Amperhalle und das Landratsamt aufs Korn

Manfred Amann

Fasching Gernlinden

Die Frauen der Gruppe "Lady Gracha" aus Gernlinden haben sich als lebende Cocktailbars verkleidet.

(Foto: Günther Reger)

Es ärgert manche Faschingsfreunde natürlich, dass ihre Motivwagen neuerdings vom TÜV geprüft werden müssen. Doch das hat offensichtlich kaum jemanden davon abgehalten, auch heuer wieder mit Riesenaufbauten beim Gernlindener Faschingszug aufzufahren. Mit 24 Wagen, einem Dutzend Fußgruppen und Hunderten Narren war der 66. Faschingszug sogar rekordverdächtig. Auf den Wagen wurde zu Schlagern aus den voll aufgedrehten Boxen getanzt, die Zuschauer kamen bei prächtigem Winterwetter in Scharen und feierten von Anfang an kräftig mit.

Von den Wagen hagelte es Bonbons, manchmal gab es auch ein Schnäpschen oder Bier. Vor dem Bürgerzentrum drängten sich Prinzessinnen, Cowboys und Indianer, sodass zeitweise fast kein Durchkommen mehr war. Es regnete Konfetti und Luftschlangen, vor den Buden bildeten sich lange Warteschlangen. Auf die Schippe genommen wurde von den Gruppen so ziemlich alles, was in der Welt, im Landkreis und im eigenen Ort im vergangenen Jahr für Aufregung oder Gelächter gesorgt hatte. Riesige TÜV-Stempel waren auf einige Wagen gemalt und eine Gruppe meinte: "Der Wagen ist abgenommen, brauchen erst in zwei Jahren wieder kommen." Die Gernlindner Heimatbühne bedauerte: "Viele Regeln, ein neues Gebot, so ist der Fasching bald tot."

Eine Fußgruppe mit vielen Kindern ärgerte sich über das Wetter. "Weihnachten so heiß, so ein Sch . . ." stand auf Transparenten. Eingereiht hatte sich auch ein Skihaserl-Express, dessen Insassen mit Idolen wetteiferten. Mit dabei waren die kleinen und großen Tänzer der Dance-Corporation und eine Vielzahl bunter Gummibärchen. Die Kegler versuchten, als Astronauten mit einer Nasa-Raumfähre der Erde zu entschweben, um dem im Maya-Kalender angekündigten Weltuntergang zu entgehen. Auch die Männer von Etti's Bayernstüberl aus Hattenhofen, Stammgäste beim Gernlindener Faschingszug, wollten mit einem monströsen Raumschiff die untergehende Erde verlassen und in einer anderen Galaxie ganz neu anfangen. Und die Luttenwanger Landjugend glaubte, dass ihr Dorf danach wieder von vorne anfangen müsse, mit Höhlenzeichnungen und Steinwerkzeugen als Jäger und Sammler.

Der MEC Olching machte sich über den Aufstieg seines Heimatdorfes zur Stadt lustig und verglich es mit dem Aschenputtel, das zur Prinzessin geworden war. Der erst vor kurzem gegründete Emmeringer Madl-Verein hielt in Anspielung auf "Bauer sucht Frau" mit Traktor und Anhänger Ausschau nach einem "Spotzal" für jedes Mitglied und der Burschenverein der Nachbargemeinde zog über die "Baustelle Amperhalle" her, die wegen Wasserschäden saniert werden muss, und über das geplante Altenheim, das die Emmeringer wohl dringend brauchen. Statt Müller-Brot gab es bei der Landjugend Puch "Müller-Kot" und die "Frechen Hühner" aus Maisach protestierten als quirlige Mäuse gegen den Flächenfraß in ihrer Gemeinde. Als gut gelaunte Glücksbärchen unterwegs waren die Gernlindener Haberfeldtreiber. "Wenn die Euroländer meinen es geht nicht mehr, dann kommt der deutsche Steuerzahler her", war an ihrem Wagen zu lesen.

Die Frauengruppe "Lady Gracha" aus Gernlinden feierte jede für sich als Cocktailbar und mit einer lebendigen Torte den 66. Faschingszug. "Italien hat den schiefen Turm, wir haben den Gaudiwurm" verkündete stolz der Burschenverein und die Moosburschen von Gernlinden-Ost warfen dem Landratsamt "Schläfrigkeit und Langsamkeit" vor. "Jetzt ist Pause", ließen sei einen verschlafen blickenden Beamten sagen, sodass der Bürger warten musste, bis sein Anliegen angehört wurde. An die Adresse Landratsamt ging auch eine fahrende Würstlbude, nachdem das Amt unlängst einen Kiosk geschlossen hat.

Auch die Panzerknacker waren mit dabei. Die Schürzenjäger machten sich damit über die Polizei lustig, weil diese den Einbruch in der Berliner Volksbank durch einen Tunnel nicht mitbekommen hatte. Nach dem Umzug durch das Dorf wurde vor dem Bürgerzentrum und später im Bürgersaal weiter gefeiert, bis spät in die Nacht hinein.

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