Erzählabend in Grafrath:Geschichten von Liebe und Leid

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Kopfsache: Beim Erzählabend in Grafrath wird, anders als bei einer Theateraufführung wie hier im Bild, auf große Inszenierung verzichtet. (Foto: oh)

Märchen sind aus dem Stoff gemacht, der die Menschen seit Tausenden Jahren umtreibt. Und sie können vor allem eines: Trost und Hoffnung spenden. Vier Erzähler wollen das bei einem Märchenabend beweisen

Von Julia Bergmann, Grafrath

Märchen sind aus dem Stoff gemacht, der die Menschheit seit tausenden von Jahren umtreibt. Sie erzählen von Liebe, von Leid, von Schmerz und von Glück. Der Grund aber, warum die Geschichten über einen langen Zeitraum von Person zu Person weitererzählt wurden, ist vor allem der: Märchen spenden Hoffnung und Trost in der Not. Sie deshalb als banale Kindergeschichten abzutun, würde ihnen nicht gerecht, sagt Märchenerzählerin Martina Weigert. Gemeinsam mit drei weiteren Erzählern und Mitgliedern der Europäischen Märchengesellschaft wird sie am Samstag in der Michaelkirche Märchen aus aller Welt erzählen.

Was die vier Erzähler verbindet ist, dass sie alle bei der gleichen Ausbilderin, Brigitta Schieder, gelernt haben. Die Gruppe um Schieder erzählt bereits seit sechs Jahren regelmäßig Märchen im historischen Sitzungssaal in Bad Tölz. Die Grafratherin Martina Weigert, die ihre Ausbildung zur Märchenerzählerin 2009 begonnen hat, wollte Veranstaltungen wie diese auch in ihrem Heimatlandkreis anbieten. Nun erzählt sie mit ihren Kollegen bereits zu dritten Mal in Grafrath.

Wichtig ist es ihr, zu betonen, dass es sich dabei nicht um eine Lesung handelt: "Wir erzählen echte Volksmärchen, die viele hundert Jahre nur mündlich weitergegeben worden sind, und schließlich von Märchensammlern im 19. Jahrhundert aufgeschrieben wurden." Die bekanntesten unter diesen Sammlern sind die Brüder Grimm, die, wie Weigert einräumt, beim Aufschreiben - unter dem Einfluss der Romantik - vieles ausgeschmückt und teils auch zwei Geschichten zu einer zusammengefügt haben. Zudem gab es von vielen, gerade älteren Volksmärchen nicht immer nur eine überlieferte Version.

Die Geschichten, die aus Mythen und Sagen entstanden sind, mit denen sich die Menschen damals vor allem Naturphänomene erklärten, haben sich durch die mündliche Überlieferung verändert. So konnte es vorkommen, dass mehrere Versionen einer Geschichte zur gleichen Zeit existierten. Martina Weigert war schon früh von den wundersamen Erzählungen fasziniert. "Da zumindest unsere europäischen Märchen immer gut ausgehen, sind sie für mich ein Ausdruck des Vertrauens; die Bestätigung, dass wir in einer sinnhaften Welt geboren sind", sagt Weigert. Für die Märchenerzählerin steht fest, dass die wundersamen Handlungen Menschen auf eine ganz besondere Weise ansprechen. Zwar seien die Bilder, derer sich die Geschichten bedienten oft ähnlich, aber jeder Zuhörer verknüpfe damit etwas anderes. "Und jeder kann anschließend für sich das herausnehmen, was er will", sagt sie. So können Geschichten hilfreich sein, ohne dass man sie analysieren müsste.

"Müsste ich die Märchen erklären, hätte ich sie nicht gut erzählt", sagt Weigert. Damit das Erzählte am Samstag nachwirken kann, wird es kleine musikalische Pausen mit Margit Kozlowski an der Gitarre und Harfe und Heila Steinmann an der Flöte geben. Neben Martina Weigert erzählen Jaqueline Jakob, Claudia Thumfart und Michael Asmussen. Sie haben sich für ihren Märchenabend "Strohhalm, Kohle und Bohne" (Deutschland), "Der Soldat und die Birke" (Russland), "Der halbe Mann" (Molukken, Indonesien) und "Die Zottelhaube" (Norwegen) ausgesucht.

Den Abend empfehlen die Erzähler ausdrücklich erst für Besucher ab zehn Jahren. "Die Geschichten berühren die Älteren ganz anders", sagt sie und erklärt, die verschiedenen Märchen seien oft ähnlich aufgebaut. "Es gibt eine Not, die Hauptfigur gerät in Schwierigkeiten und muss diese zu einem gewissen Teil selbst überwinden", sagt sie. "Diese Erfahrung haben kleiner Menschen noch nicht gemacht."

Der Erzählabend "Märchen aus aller Welt" beginnt am Samstag, 22. Oktober, um 19.30 Uhr in der Michaelkirche an der Kornfeldstraße 1 in Grafrath.

© SZ vom 20.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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