Ersthelferausbildung:"Wer sich nicht wehrt, wird wiederbelebt"

BRK-Geschäftsführer Rainer Bertram über die neuen Regelungen für Erste-Hilfe-Kurse.

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Mehr Praxis statt viel Theorie. So soll die Ersthelferausbildung aussehen, die am 1. April reformiert wird. Wer den Erste-Hilfe-Kurs für den Führerschein benötigt, übt nun neun statt bisher acht Stunden, wer ihn für die Firma macht, lernt die schnelle Hilfe nun auch in neun Stunden und nicht wie bisher in 16 Stunden an zwei Tagen. Der Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes in Fürstenfeldbruck erläutert im SZ-Interview die Details der neuen Ausbildung.

SZ: Stellen Sie sich vor, Herr Bertram, Sie sehen auf der Straßenseite gegenüber einen Menschen, der gerade zusammenbricht. Was tun Sie jetzt auf keinen Fall?

Rainer Bertram: Weggehen und Wegschauen. Wir haben in Deutschland das Phänomen, dass die Menschen einfach wegschauen. Dabei gilt der ganz einfache Grundsatz: Nur derjenige, der nicht hilft, wird bestraft. Warum sage ich das so deutlich? Man kann bei der Ersten Hilfe gar nichts falsch machen. Viele Menschen sind von der Angst geprägt, sie könnten Fehler machen. Das ist aber nicht so. Und um auf die Frage zu kommen: Wenn ich jemanden umfallen sehe, sollte ich zuerst den Eigenschutz beachten. Also, als Autofahrer eine Warnweste anlegen an der Unfallstelle, als Fußgänger auf den Verkehr achten. Dann hingehen zum Verunglückten, ihn ansprechen, ihn auch anfassen, nach Lebenszeichen suchen und den Notruf unter der Nummer 112 absetzen.

Ersthelferausbildung: In Erst-Hilfe-Kursen wird an Puppen wird die Wiederbelebung durch Herzdruckmassage und Atemspende geübt.

In Erst-Hilfe-Kursen wird an Puppen wird die Wiederbelebung durch Herzdruckmassage und Atemspende geübt.

(Foto: Catherina Hess)

Wie erkennt man Lebenszeichen?

Es gilt auch nach dem 1. April weiter, was bisher schon gelehrt wurde: den Kopf leicht überstrecken, das Kinn anheben und dann hören, fühlen, sehen, ob der Patient atmet. Ist jemand ansprechbar, ist es etwas einfacher und die Versorgung geht je nach Schmerzlage weiter. Ist aber jemand ohne Bewusstsein, unterscheidet man zwischen einer normalen Atmung und keiner Atmung. Bei normaler Atmung wird der Patient in die Seitenlage gebracht, die in einem Erste-Hilfe-Kurs ausreichend trainiert wird. Ist er ohne Atmung, dann heißt es: Wer sich nicht wehrt, wird reanimiert. Dabei, ich betone es noch einmal, kann man nichts falsch machen. Man kann ein schlagendes Herz nicht durch Herzdruckmassage zum Stillstand bringen.

Bislang muss jeder, der einen Führerschein macht, einen Kurs in lebensrettenden Sofortmaßnahmen absolvieren. Andere machen einen Erste-Hilfe-Kurs. Was ist der Unterschied?

Jetzt gar nicht mehr viel. Beide Kurse haben die selben Inhalte, wobei die lebensrettenden Sofortmaßnahmen stärker auf Unfälle im Straßenverkehr ausgelegt sind. Beide Kurse dauern je neun Stunden, das ist bei den lebensrettenden Sofortmaßnahmen eine Stunde länger als bisher, beim Erste-Hilfe-Kurs für betriebliche Ersthelfer ist es nur noch ein Tag statt bisher zwei. In beiden Kursen wird die Frühdefibrillation gelehrt, also das Wiederbeleben mit einem Defibrillator.

Bruck: Rotes Kreuz / BRK-Geschäftsführer Rainer Bertram

Rainer Bertram ist Geschäftsführer im Kreisverband Fürstenfeldbruck des Bayerischen Roten Kreuzes.

(Foto: Johannes Simon)

Was hat sich inhaltlich geändert?

Bislang ist sehr viel Detailwissen gelehrt worden. Wegfallen werden beispielsweise Vergiftungen und Erfrierungen. Warum? Weil die Zahl der Fälle von Erfrierungen so marginal ist. Bei Vergiftungen ist es ähnlich, sie sind extrem selten. Wir setzen jetzt auf eine stärker praxisorientierte Ausbildung. Das heißt, statt Folien zu zeigen und theoretisches Wissen zu vermitteln, gehen wir bestimmte Fälle an Stationen durch. Zum Beispiel die Situation Verkehrsunfall, bei der die Kursteilnehmer entscheiden müssen, was jeweils zu tun ist. Das ist wie eine Art Zirkeltraining, an jeder Station finden gleichzeitig die Übungen statt. Da geht es vom Üben mit Verbandmaterial bis zur Wiederbelebung.

Wurde bislang nicht praktisch geübt?

Die Praxisbeispiele gab es, aber nicht so umfänglich wie in der Neuregelung. Es wird spielerischer. Die Teilnehmer besprechen die Situation auch, es müssen gemeinsam Entscheidungen getroffen werden. Es sind wie beim Eingangsbeispiel immer mehrere Menschen, die zu einem Unfallopfer kommen. Ziel ist es nun, die Menschen zusammenzubringen, dass sie sich helfen trauen.

Es ist viel Kritik an den Erste-Hilfe-Kursen geübt worden. Sie seien zu theorielastig, Dozenten würden zu wenig aus der Praxis berichten. Wer bildet beim BRK Fürstenfeldbruck aus?

Kursanbieter

Im Landkreis bietet nicht nur das Bayerische Rote Kreuz (BRK) Erste-Hilfe-Kurse an, das tun auch die Johanniter-Unfallhilfe (JUH) in Puchheim und der Malteser Hilfsdienst in Gröbenzell. Wer beim BRK buchen möchte, kann dies auf der Seite www.brk-ffb.de tun. Telefonisch ist das BRK unter 08141/400 40 zu erreichen. Die Seite der JUH findet man unter www.johanniter-oberbayern-west.de (Telefon 089/890 14 50). Beim Malteser Hilfsdienst ist das Kursangebot auf der Seite www.malteser-fuerstenfeldbruck.de abrufbar (Telefon 08142/59 68 44). ecs

Wir haben 40 ehrenamtliche Erste-Hilfe-Ausbilder und eineinhalb Vollzeitstellen für den Bereich der Breitenausbildung. Alle unsere Ausbilder haben mindestens einen Sanitätskurs, der über 80 Stunden geht. Diese Sanitäter sind regelmäßig im Einsatzdienst, zum Beispiel über die Bereitschaften, oder, wenn sie über eine noch weitergehenden Ausbildung verfügen, auch im Rettungsdienst. Alle haben also schon des Öfteren Notfallpatienten gesehen. Wir legen Wert auf die jährliche Fortbildung unserer Ausbilder. Diese Pflichtausbildungen benötigen wir, um die Zulassung bei den Berufsgenossenschaften zu behalten. Die Berufsgenossenschaften bezahlen ja die Ausbildung der betrieblichen Ersthelfer, und um diese Ausbildung anbieten zu können, muss man zertifiziert sein.

Erwarten Sie durch die Neuregelung der Ausbildung auch mehr Interessenten?

Bisher bilden wir im Jahr durchschnittlich 4000 in Erster Hilfe aus. Darunter sind 3000 betriebliche Ersthelfer und 1000 in Führerscheinkursen, Erste Hilfe am Kind, Erste Hilfe in Arztpraxen und so weiter. Wir haben eine riesige Nachfragewelle. Es scheint so zu sein, als hätten die Betriebe nur auf die Reform der Ausbildung gewartet und melden nun ihre Mitarbeiter an. Wir haben deshalb unsere Ausbildungskapazität erhöht und bieten bis zum Jahresende noch etwa 70 Kurse an.

Wann haben Sie ihren letzten Erste-Hilfe-Kurs gemacht?

Das war im November 1981. Da ich aber aktiv im Rettungsdienst tätig bin und laufend an Fortbildungsmaßnahmen teilnehme, habe ich keinen aktuellen Erste-Hilfe-Kurs. Ich bin der Meinung, dass jeder alle fünf Jahre einen Ersthelferkurs machen sollte. Es gibt immer Gelegenheiten, Erste Hilfe zu leisten. Das beginnt schon damit, wie man ein Pflaster richtig klebt, es geht weiter, wie eine Blutung gestillt wird bis hin zur Wiederbelebung. Der plötzliche Herztod ist die häufigste Todesursache in Deutschland, es sterben daran etwa 150 000 Menschen. Daran sieht man, wie wichtig das Thema Reanimation ist, und deshalb hat es in dem Erste-Hilfe-Kurs einen deutlich höheren Zeitanteil bekommen. Es ist gesetzliche Pflicht, Hilfe zu leisten, und ich kann nur betonen: Wer sich nicht wehrt, wird wiederbelebt.

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