Erfolgreiche Frauen:Emanzipiert

Frauen-Fußball

Eine fast makellose Bilanz: Überackers Fußballerinnen bejubeln Meisterschaft und Aufstieg.

(Foto: Günther Reger)

Fußballerinnen werden schon lange nicht mehr belächelt. Ihre Sportart ist, auch dank der Titel des Frauennationalteams, anerkannt. Sie sind vor allem in jenen Vereinen erfolgreich, in denen die Leistungen der Männer überschaubar bleiben

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Es ist noch gar nicht so lange her, als Gerhard Knöchel im Jahr 2015 bei der Mitgliederversammlung seines Vereins eine ausladende Handbewegung machte und über die einzige weibliche Abteilung im Verein folgenden Satz sprach: "Früher haben wir gelacht über Weiberfußball. Das waren Frauen mit sooolchen Hintern. Mittlerweile schaut es ja nach Fußball aus." Knöchel, jahrzehntelang agierender Fußballfunktionär beim Sportclub Fürstenfeldbruck, leitete damals kommissarisch die Frauenfußballabteilung. Andernorts haben sich die Dinge weiterentwickelt, gelten die Fußballerinnen längst nicht mehr als belächelnswert, sondern als ebenbürtig und emanzipiert. Zum Ansehen der Sportart beigetragen haben auch die Erfolge der deutschen Frauennationalmannschaft, die acht Europa- und zwei Weltmeistertitel holte und 2016 bei Olympia in Rio Gold gewann.

Dabei wurde Frauen das Fußballspielen im Bereich des Deutschen Fußball-Bundes erst von 1970 an offiziell erlaubt. Die Öffnung des Sports hin zu mehr Breitensport setzte dann aber auch einen Wertewandel in Gang, der den Frauen in einer bis dahin männerdominierten Sportart nutzte. Die ästhetischen Bedenken gegen die Fußballerinnen verschwanden. Und so meldet der Bayerische Fußball-Verband für 2016 fast 230 000 weibliche Mitglieder, das entspricht 14 Prozent aller Mitglieder. Im Jahr 2000 waren es noch 46 000 weniger. Entsprechend erhöhte sich bayernweit auch die Zahl der Frauen- und Mädchenfußballmannschaften im selben Zeitraum von 1077 auf nunmehr 1849.

Frauenfußballabteilungen haben heute auch viele Sportvereine im Landkreis. Prominenteste Vertreterin, die in einem Landkreisklub, nämlich beim SC Fürstenfeldbruck, groß wurde, ist derzeit Juniorennationalspielerin und U-17-Europameisterin Sydney Lohmann, die im März ihr Debüt im Frauen-Bundesligateam des FC Bayern gab. Auffällig ist, dass die Frauen häufig in Vereinen besonders gut gedeihen, in denen die Erfolge der Männer eher mäßig sind. Die Frauen des SV Rot-Weiß Überacker stellen in der Bezirksoberliga das ranghöchste Team aus dem Landkreis, die Männer des Vereins dümpeln gleich zu Saisonbeginn am Tabellenende herum: Noch ohne Punkt, aber mit fünf Niederlagen ist die erste Mannschaft (A-Klasse) Vorletzter und die vereinseigene zweite (C-Klasse) Drittletzter. Auch die Männer des FC Puchheim haben schon bessere Zeiten gesehen als jenen Saisonstart, der ihnen nach vier Spieltagen das Tabellenende in der Kreisklasse einbrachte. Beide Vereine zählen zu den Pionieren im Frauenfußball, sie gründeten die entsprechenden Abteilungen schon 1992 und 1995. Noch immer hat die Sparte beim FCP "einen großen Stellenwert", sagt Sascha Widemann, der stellvertretender Fußballabteilungsleiter ist und die Kreisliga-Frauen trainiert. 2011 war der heute 34-Jährige als Frauentrainer zum Verein gekommen, zwischenzeitlich hatte er mal die Männer übernommen. Er habe bei der Trainerausbildung gelernt, "beide gleich zu trainieren" - in technischer und taktischer Hinsicht, aber auch in Sachen Kondition. "Ich mache da keine Unterschiede", sagt Widemann deshalb.

Die Mädchenmannschaften versucht man entsprechend nachzuziehen. Die E-Juniorinenmannschaft des FC Puchheim wuchs in der vorigen Saison gleich um 18 Spielerinnen an. Durchschnittlich kamen ein bis zwei Mädchen pro Monat zum Schnuppertraining - fast alle blieben. Einen "Spitzenwert bei der Trainingsbeteiligung" im Mai von 33 Spielerinnen der Nachwuchsjahrgänge 2006 bis 2011 melden sie voller Stolz auf ihrer Internetseite und kündigen an, für die neue Spielzeit sogar mit zwei E-Juniorinnenteams anzutreten. Um die Zukunft im Mädchenfußball muss einem daher nicht bange sein. Auch im kleinen Maisacher Ortsteil Überacker, in dem die Frauensparte einst aus einem Gauditeam entstand, hat der Sportverein wieder zwei Frauenfußballteams sowie eine D-, C- und B-Juniorinnenmannschaft im Rennen sowie die E-Jugend-Mädchen, die allerdings noch nicht am Spielbetrieb teilnehmen. Das hat auch damit zu tun, dass sie ganz gezielt mit Girls' Days um weiblichen Nachwuchs werben.

Lange war auch der TSV Fürstenfeldbruck-West eine Hochburg, ehe die Abteilung nach internen Reibereien 2009 geschlossen zum großen Nachbarn SC Fürstenfeldbruck wechselte, der bis dato noch nie Fußballerinnen hatte. Nur ein bisschen Mädchenfußball blieb beim TSV West, zuletzt hatte der Verein gar keine Fußballerinnen mehr - bis sich die Geschichte umkehrte. Weil die Frauen beim Sportclub derart zerstritten waren, zerbarst auch dort die Sparte. Das achtjährige Frauen-Intermezzo beim SCF ist vorbei. Frauen und die Mädchen, die noch da waren, meldeten sich aus dem Verein ab, der nach Aussagen von Präsident Jakob Ettner versucht hatte, im Nachwuchsbereich eine Spielgemeinschaft mit Überacker einzugehen. Nun gibt es zwar noch eine Abteilung Frauenfußball - aber keine Mitglieder.

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