Erfahrung in Egenhofen:Geschwindigkeit ist relativ

Ärger mit Breitband auf dem Land. Nicht immer ist die Leistung wie versprochen

Von Erich C. Setzwein

Oberweikertshofen: Mustafa Cicek hat keinen Festnetzanschluss mehr / DSL-Probleme

Mustafa Çiçek wartet auf einen Anschluss ans Festnetz. Von der Datengeschwindigkeit der Glasfaserkabel ist er allerdings enttäuscht.

(Foto: Johannes Simon)

Es wird mit dem "Datenturbo" geworben und mit dem Empfang von 240 Fernsehsendern. Das Ganze überschreibt die Telekom mit dem Slogan "Erleben, was verbindet". Mustafa Birdal Çiçek möchte das auch erleben, doch im Egenhofener Ortsteil Oberweikertshofen ist von der versprochenen Internetschnelligkeit nichts zu bemerken. Inzwischen gibt es nicht nur keine technische Verbindung über ein Telefonkabel mehr zu Çiçek, auch die Kommunikation zwischen ihm und der Telekom ist seit Kurzem gekappt. Kein Einzelfall in der Gemeinde mit ihren 25 Ortsteilen, wie man im Rathaus weiß. Die Telekom jedenfalls konnte dem Physiker keine befriedigende Lösung anbieten.

"Ich bin enttäuscht", sagt Egenhofens Bürgermeister Josef Nefele über seine Erfahrungen mit der Telekom als Verhandlungspartner der Gemeinde. Dabei hatte sich die Gemeinde so sehr ins Zeug gelegt, um auch die entlegeneren Gemeindeteile mit schnellerem Internet zu versorgen. Drei Jahre, sagt Nefele, habe es gedauert, die Bedarfsanalyse zu erstellen. Als diese fertig war, musste sich Egenhofen als erste Gemeinde in Bayern einem Prüfverfahren der Europäischen Union stellen. Denn die Telekom hatte für den Glasfaser-Ausbau ein Defizit von mehr als 630 000 Euro errechnet. Eine Summe, die die Gemeinde aufbringen musste, damit das weltweit aktive Telekommunikationsunternehmen in dem 34 Quadratkilometer großen Gemeindegebiet tätig wurde. Weil dies eine klassische Subvention darstellte, wurde über das bayerische Wirtschaftsministerium ein EU-Notifizierungsverfahren eingeleitet. Der Aufwand hatte sich gelohnt, als aus Brüssel eine positive Nachricht in der Gemeinde ankam. Die Telekom fing an zu bauen und verlegte Glasfaserkabel zu Verteilern. Von dort gehen die Kabel weiter in die Wohnungen, doch nicht per Lichtgeschwindigkeit erreichen die Daten die Empfangsgeräte, sondern durch Kupferleitungen. Und da liegt das Probleme, das Bürgermeister Nefele und Bürger Çiçek kennen: je länger die Leitung, desto höher der Widerstand, desto geringer die Leistung. Und so bleiben in manchen Randbezirken der Ortsteile von den einst versprochenen 15 Megabit Bandbreite nur noch sechs Megabit pro Sekunde übrig.

Çiçek, der im November im guten Glauben auf die Angebote der Telekom einen DSL-Anschluss bestellt und schon im Dezember geliefert bekommen hatte, merkte schon recht bald, dass da etwas nicht stimmen konnte. Von den 16 Megabit an der Verteilstelle in Unterschweinbach kamen bei ihm in Oberweikertshofen nur noch neun Megabit an. Das teilte er der Telekom in etlichen Schreiben auch mit, ebenso wie seinen Ärger über die ständigen Ausfälle der Telefonleitung. "Bis zu 20-mal am Tag, ich habe das alles protokolliert", sagt Çiçek. Vernünftige Telefonate seien nicht möglich gewesen, auch im Internet ruckelte es gewaltig. Die Telekom reagierte und schickte zwischen März und Juni vergangenen Jahres Techniker zur Untersuchung vorbei. Es sei festgestellt worden, "dass das Problem nicht in unserem Haus, sondern irgendwo anders liegt". Wo aber genau, das habe der Techniker nicht sagen können. Çiçek beschritt den Beschwerdeweg bis hinauf zu Technikchef Martijn van den Assem und dem Telekom-Vorstand. Ein umfangreicher Mailverkehr, der der SZ vorliegt, belegt die Bemühungen.

Weil Çiçek die als Lösung vorgeschlagene Reduzierung der Bandbreite auf sechs Megabit für sinnlos hielt, kündigte er die Telekomleitung zum 31. August und meldete sich beim Konkurrenten 1&1 an. Der Konzern wirbt mit hohen Bandbreiten. Die wollte auch Çiçek, doch nun machte ihm erneut die Telekom einen Strich durch die Rechnung. Denn laut Anbieter 1&1 stellte sie keine weiteren Leitungen in der Region zur Verfügung, damit der Mitbewerber 1&1 seine Angebote auch umsetzen kann. "Ich war auf 180", sagt der Egenhofener, der statt dem Festnetz das teurere Mobilnetz benutzen muss. Dabei macht ihm noch etwas anderes zu schaffen. Die Familie hat zwei schulpflichtige Kinder: "Wenn in oder außerhalb der Schule etwas passieren sollte, können die Leute uns sehr schwer oder gar nicht erreichen, da die Netzabdeckung in unserer Wohnung - und in vielen Wohnungen hier - sehr schlecht ist." So blieb dem Familienvater nur der Weg zurück zur Telekom. Im November 2013 beantragte er den Festnetzanschluss, der ihm für Dezember zugesagt worden sei. Doch stattdessen, berichtet er, erhielt er einen Anruf von der Telekom, die mit ihm über einen Auftrag sprechen wollte, dessen Nummer nicht identisch mit seinem war und der schließlich von der Telekom gekündigt worden sei. Seither herrscht Funkstille. Ein Sprecher der Telekom versicherte, dass der Fall dem Kundenservice übergeben werde. Am Donnerstag dann teilte Çiçek mit, habe er den Anruf erhalten, auf den er schon so lange gewartet habe. Es sei jetzt eine Leitung frei, habe es geheißen, in Kürze soll der Haushalt angeschlossen werden.

Nefele setzt weiter geduldig auf Verhandlungen, um das Geld von der Telekom zurückzubekommen, das die Gemeinde seiner Meinung nach zu viel bezahlt hat. Im vergangenen Jahr ist auch dem Bayerischen Obersten Rechnungshof aufgefallen, dass da etwas nicht stimmen könnte. Die Wächter über die öffentlichen Ausgaben hatten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Subvention, suchten nach Indizien, ob es eine "Überkompensation" gegeben haben könnte, wie ein Sprecher bestätigte: "Es gab einen Verdacht." Die Telekom musste Unterlagen zu ihren Projekten in Egenhofen herausrücken. Beweise, dass es sich um Subventionsbetrug hätte handeln können, seien aber nicht gefunden worden.

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