Energie:Rückenwind für den Musterlandkreis

Innerhalb von 15 Jahren sollen Öl, Kohle und Erdgas durch regenerative Energiequellen ersetzt werden. Da kommt den Umweltschutz-Experten das Ergebnis des Klimagipfels in Paris gerade recht

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

In 15 Jahren will der Landkreis seine Energieversorgung vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt haben. Und die Kreisstadt will es bereits in fünf Jahren schaffen, die Kohlendioxid-Emissionen im Vergleich zum Basisjahr 2005 um 35 Prozent zu reduzieren. Muss im Agenda-21-Musterlandkreis Fürstenfeldbruck da nicht die frohe Kunde vom jüngsten Welt-Klimagipfel einfach nur Kopfschütteln auslösen? In Paris wurde beschlossen, auf die Verbrennung von Kohle, Öl und Erdgas vollkommen zu verzichten, um damit die globale Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf weniger als zwei Grad zu begrenzen. Das aber erst bis 2050. Trotz des fernen Termins herrscht bei Agendagruppen, Naturschützern und Umweltpolitikern im Landkreis doch überraschend einhellig Euphorie. Die Unterzeichnung des Vertrags in Paris wird als Beleg dafür gewertet, dass der Wille für den Wandel vorhanden ist und sich auch große Umweltsünder wie China und die USA nicht mehr hinter windelweichen "Sollte"-Formulierungen verstecken können. Endlich gebe es kein "Ja, aber" mehr, freut sich Max Keil (ÖDP), Energiereferent des Kreistags.

Von einem wichtigen Durchbruch spricht denn auch Alexa Zierl, Vorsitzende des Klimawendevereins Ziel 21 und Klimaschutzreferentin im Fürstenfeldbrucker Stadtrat. "Das darf man gar nicht unterschätzen", sagt sie. Denn auch wenn 2050 noch fern ist, so schafft die Willensbekundung all der Regierungschefs doch vor allem eines: Planungssicherheit. Wer heute bereits weiß, dass morgen Öl oder Gas tabu sind, der denkt bei anstehenden Neuanschaffungen zweimal nach, bevor er in "aussterbende Technologien" wie ölbefeuerte Heizungsanlagen investiert. Für die Produzenten von Wärmepumpen, Solaranlagen und weiterer Umwelttechnik könnte das einen Schub und höhere Stückzahlen bringen, wovon letztlich der Verbraucher in Form sinkender Preise wiederum profitieren dürfte. Nun sieht Zierl die Regierung in der Pflicht, einen konkreten Ausstiegsplan für Öl und Kohle zu erarbeiten. Städte, Gemeinden und Bürger sollen unterstützt werden beim Umstieg - ob nun in Form gesetzlicher Vorgaben, zinsgünstiger Kredite oder Zuschüsse.

Klimaschonende Energieerzeugung ist gut. Noch besser freilich ist es, gleich den Energiebedarf zu reduzieren. Fürstenfeldbruck hat jüngst als erste Kommune im Landkreis ein wichtiges Zeichen gesetzt: Tritt die Stadt als Bauherr auf, dann pocht sie auf Passivhausstandard. Das gilt sogar für die aktuellen sozialen Wohnungsbau-Projekte im Brucker Westen. Die Gebäude müssen also - beispielsweise mit Hilfe von Solaranlagen - ihren Energiebedarf selbst decken. Saniert die Stadt eines ihrer Häuser, dann müssen die für Neubauten geltenden gesetzlichen Vorgaben um 15 Prozent unterboten werden. Bruck will als Vorbild vorangehen "und zeigen, dass wir das mit Hilfe von Krediten und Zuschüssen auch selbst können", so Zierl. Auf den Straßen vollzieht sich ebenfalls langsam ein Wandel, auch wenn die Elektroautos noch relativ teuer sind und die Ladung der Batterien noch zu lange dauert. Die Stadtwerke haben dennoch jüngst ihr zweites E-Mobil angeschafft. Noch wirkungsvoller ist der Einsatz dreier Hybridbusse auf der Linie 840, die voll elektrisch anfahren und die Bremsenergie rückgewinnen.

Max Keil glaubt, dass auch der Landkreis seine Hausaufgaben bislang gemacht hat. Der hat sich vor zwei Jahren mit einem Klimaschutzkonzept 70 Einzelmaßnahmen vorgenommen und Anfang des Jahres eine Klimaschutzmanagerin eingestellt. Vor allem in der Bildung sieht Keil den Schlüssel für das Erreichen der Ziele: Kinder begriffen sehr schnell, was der Betrieb von Wäschetrocknern mit dem Klimaschutz zu tun habe. Der Puchheimer Kreisrat hofft, dass es doch noch etwas wird mit der Fotovoltaik-Freiflächenanlage auf 20 Hektar in einem Wasserschutzgebiet nahe seiner Heimatstadt, die auch große Gewerbebetriebe mit Strom versorgen könnte. Und er hofft, dass auch die Bundesregierung ihre Lehren zieht aus dem Klimagipfel und die Passagen aus dem 2014 novellierten Erneuerbaren Energiengesetz (EEG) streicht, die dem Bau solcher Anlagen entgegenstehen.

In die eigene Hand nehmen kann der Landkreis das Energiemanagement in öffentlichen Gebäuden sowie Schulen. Und er könnte den Weg fortsetzen, die fossilen Rohstoffe zu ersetzen. So wird zurzeit die Einführung einer Braunen Tonne geprüft. Mit Hilfe einer Biogasanlage und einem angeschlossenen Blockheizkraftwerk könnten noch mehr Strom und Wärme CO₂-neutral erzeugt werden.

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