Ende des Ersatzdienstes:Freiwillige vor!

Soziale Einrichtungen im Landkreis suchen händeringend junge Leute, die die Zivildienstleistenden ersetzen

Ariane Lindenbach

Fürstenfeldbruck - Mit dem Auslaufen des Zivildienstes verlieren Mitte des Jahres viele soziale Einrichtungen wertvolle, günstige Arbeitskraft. Etliche wissen nicht, wie sie die Lücken füllen sollen, der Verein Hilf in Germering fürchtet gar um seine Existenz. Dort und bei der Caritas warnt man zudem vor den gesellschaftlichen Folgen, die mit Ende des Ersatzdienstes verbunden sein werden

In 65 Einrichtungen im Landkreis konnten junge Männer ihren Zivildienst leisten. Insgesamt gab es 221 Plätze, davon waren Ende April noch 94 besetzt, wie das Bundesamt für Zivildienst meldet. Zum 30. Juni läuft der Wehrersatzdienst offiziell aus, bis Ende des Jahres dürfen Zivildienstleistende noch freiwillig verlängern. Eine der am stärksten von der Abschaffung betroffenen Einrichtungen ist der Verein Hilf in Germering. Derzeit sind dort 50 Zivis beschäftigt, die meisten begleiten behinderte Kinder beim Schulbesuch. Seit 1987, schätzt Andrea Szabo, haben rund 600 junge Männer auf diese Weise einen mehr oder weniger freiwilligen Dienst für die Gesellschaft geleistet. Für nächstes Schuljahr hofft die Leiterin der Geschäftsstelle nun vor allem auf Sozialpraktikanten, Absolventen des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) und Hilfskräfte. "Wenn wir kein ausreichendes Personal für die Integrationshilfe finden und unsere 50 Zivildienstleistenden nicht ersetzen können, bedeutet es das Aus für die Schulbegleitung. Dann wären 70 behinderte Kinder, die einen gesetzlichen Anspruch auf Schulbegleitung haben, unversorgt."

Für den Bundesfreiwilligendienst (BFD) als Ersatz für den Zivildienst, der im Juli startet, gab es bislang trotz des doppelten Abiturjahrgangs bei Hilf nur zwei Anfragen. Eine Umfrage unter den Zivis brachte laut Szabo ein ernüchterndes Ergebnis: "Nur acht von 50 Zivis hätten sich vorstellen können einen BFD zu machen."

Für Sozialberufe sieht sie langfristig Probleme, an männliche Bewerber zu kommen. Davor warnt auch Thilo Wimmer: "Ich glaube, das wird auch gesellschaftliche Auswirkungen haben, dass es keinen Zivildienst mehr gibt ", sagt der Leiter der Caritas-Kontaktstelle für Menschen mit Behinderung, bei der sieben Zivis arbeiten. Mit dem Zivildienst entfalle diese "Personalakquise". Wie der Verein Hilf und die Kreisklinik, bei der derzeit noch vier von zehn Zivildienststellen besetzt sind, setzt man bei der Caritas auf Werbung für Praktika und Freiwilliges Soziales Jahr. Für den Bundesfreiwilligendienst gab es noch keine Bewerber. Doch ohne solche Arbeitskräfte weiß Wimmer nicht, wie er Dienstleistungen wie Einkaufs- oder Begleitdienste und Freizeitbetreuung für Menschen mit Behinderung finanzieren soll: "Wenn wir keine BFDler bekommen, werden wir das nicht mehr anbieten können."

"Es wird teurer oder abgeschafft", benennt die stellvertretende Kreisgeschäftsführerin des Bayerischen Roten Kreuzes, Rosa Collingro, die Folgen des Zivildienst-Endes. Acht Zivis gab es beim BRK im Landkreis, zurzeit sind es noch fünf. Vor allem für soziale Dienstleistungen wie Essen auf Rädern oder den Krankentransport werden sie eingesetzt. "Unsere Befürchtungen, dass wir die Zivildienstleistungen nicht mit dem FSJ und Bundesfreiwilligendienst abdecken können, werden Realität", sagt Collingro, vermutlich müsse man Angebote streichen. Das wird auch im Brucker Alten- und Pflegeheim Theresianum passieren. Dort gibt es eine nicht durchgängig besetzte Zivildienststelle zur Unterstützung der Mitarbeiter sowie als Bereicherung für die Bewohner, etwa als Begleitung beim Spaziergang oder zum Vorlesen. Das Ende des Zivildienstes hinterlässt laut Heimleiter Armin Seefried in seinem Haus "eine Lücke".

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