Emmering:Kraft und Poesie

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Mit seinem Klavierabend bei den Bürgerhauskonzerten in Emmering zeigt der junge Pianist Jonas Aumiller sein großes Talent. Eitelkeiten und ausschweifende Gesten sind ihm dabei fremd

Von Klaus Mohr, Emmering

"Er schöpft aus sich selbst, prunkt nicht mit fremden Federn." Mit dieser Beschreibung könnte der junge Pianist Jonas Aumiller gemeint sein, der am Samstag in einem Klavierabend im Emmeringer Bürgerhaus zu hören war. Tatsächlich findet sich das Zitat in einer Kritik aus dem Jahr 1832 über Robert Schumanns Opus 1, seine Abegg-Variationen. Schumann war zur Zeit der Komposition dieses Werks fast gleich alt wie der 19-jährige Emmeringer, der sich hier im voll besetzten Saal seinem "Fanclub" vorstellte. Und vielleicht waren es gerade diese Abegg-Variationen, in denen sich ein Werk und die künstlerische Persönlichkeit des jungen Pianisten besonders gut trafen.

Aumiller begann das Thema in einem sehr schön singenden Tonfall und umspannte auch die Bögen in sehr überzeugender Weise. Die vollgriffigen Akkorde der ersten Variation waren nie mulmig oder zu dick, sondern stets schlanke Türmchen, zwischen denen sich die Thema-Melodie artikulieren konnte. Die stringenten Linien der nächsten Variation waren sicher geführt, während die Klangkaskaden der dritten Veränderung silbrig glitzerten. Im abschließenden Finale "alla Fantasia" fand Aumiller einen nachdenklichen und auch im Tempo zurückgenommenen Tonfall, der romantisches Pathos gänzlich vermied. Wer Jonas Aumiller beobachtete, konnte sehen, warum sein Spiel zu diesen Klangqualitäten führte: Sein Zugang scheint eher rational gesteuert zu sein und ist völlig uneitel. Ekstatische Körperbewegungen, um gestisch auszudrücken, was klanglich nicht überzeugen kann, sind ihm fremd. Er sitzt sehr locker und nur mit der jeweils nötigen Spannung am Instrument, was als Ergebnis einen kantablen Ton ermöglicht. Dabei haben Arme und Handgelenke eine wunderbare Flexibilität, wodurch sehr rasche Tonfolgen über die ganze Klaviatur immer den akustischen Anschein von Mühelosigkeit erzeugen. Aumiller ruht nach außen quasi in sich selbst, was auch zu Tempi führt, die organisch aus der Musik kommen und stimmig sind.

In Franz Liszts "Dante-Sonate" konnte Jonas Aumiller die ganze Breite pianistischer Herausforderungen zeigen - und beweisen, dass er sie bewältigt. Schon der Beginn erfordert die große Geste: Aumiller ließ bei all dem virtuosen Tastengehüpfe keinerlei Verzagtheit oder Unsicherheit erkennen, er blieb sich selbst treu. Dadurch entstand auch nie ein harter Klang, stattdessen hatte Aumiller immer wieder ein Faible für die Ausleuchtung ruhigerer Passagen und funkelnde Tongirlanden.

Unklar blieb, warum der Pianist weder seinem Publikum noch sich selbst eine Verschnaufpause zwischen den Werken gönnte, in der das bisher Gehörte verklingen und Raum für Neues entstehen konnte. Es muss wohl so sein, dass junge Musiker insbesondere auch den zirzensischen Anspruch bedienen wollen. Sergej Rachmaninoffs Étude tableaux, aus denen zwei Nummern erklangen, oder die ans Programmende gesetzte Konzertparaphrase über Mozarts "Rondo alla turca" gehören zweifellos in diese Kategorie. Jonas Aumiller beherrscht dieses stark von der Technik dominierte Genre und kann auch mit Klangmassen musikalisch umgehen.

Die Welt Mozarts, mit dessen C-Dur-Sonate KV 330 Aumiller den Abend eröffnet hatte, erschließt sich ihm (noch) nicht wirklich. Er beherrscht fabelhaft einen zarten Anschlag und geht eloquent mit den verspielten Figuren um. Auch hat er ein Gespür für Spannungsklänge, die sich auflösen. Eine dynamische Strukturierung ist ihm, auch unter Berücksichtigung der erforderlichen Zurückhaltung, kein großes Anliegen, Vorschlagsnoten werden oft inkonsequent umgesetzt. Auf diese Weise blieb diese Sonate eher langweilig. Das galt auch für zwei Chopin-Barcarollen, deren unendliche Melodien oft vergeblich nach Atem lechzten. Zwei Zugaben belohnten das Publikum am Ende für seine ausdauernden Beifallsbekundungen.

© SZ vom 17.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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