Emmering:Deutsch-russisches Märchen

Der Don-Kosaken-Chor unter Leitung des Petershauseners Wanja Hlibka gastiert in Emmering

Von Anna Landefeld-Haamann, Emmering

Als Wanja Hlibka zwölf Jahre alt war, bekam er eine Schallplatte des "Don Kosaken Chor Serge Jaroff" in die Finger. Dass dieser sein Leben über ein halbes Jahrhundert lang bestimmen würde, das wusste der Junge aus Petershausen damals noch nicht. Am Freitag gastiert der Chor in Emmering. "Ich bekam eine Gänsehaut, als ich die ersten Takte von "Eintönig klingt hell das Glöcklein" hörte - das kraftvolle, meditative Summen des Chores. Die zärtliche, sopranartige Stimme Vasily Bolotins", erinnert sich der heute 66-jährige Hlibka. Durch diese altrussische Volksweise sei er sich zum ersten Mal seiner slawischer Wurzen, seiner russischen Seele bewusst geworden. Und das, obwohl er seinen Vater, einen Opernsänger aus Černivci, nie kennengelernt hatte. "Es war, als hätte ich mein ganzes Leben nur darauf gewartet. Gleichzeitig regte sich in mir der utopische Gedanke, irgendwann einmal in diesem Chor mitzusingen."

Dreißig Jahre später, 1991, übernahm Wanja Hlibka die Leitung des Chores, für dessen Schallplatten und Konzerte er jede Mark seines Taschengeldes ausgegeben hatte. Und das, darauf ist er ein wenig stolz, als erster deutscher Staatsbürger. "Meine Geschichte ist eine Verkettung von Zufällen, Glück und Mut", erzählt Hlibka.

Mut hatte er, als er nach einem Konzert der Donkosaken zufällig einen der Sänger in der Straßenbahn traf und ihn ansprach - mit der Bitte, ihm ein Vorsingen bei Chorleiter Serge Jaroff zu organisieren. "Im Nachhinein war das natürlich ganz schön anmaßend. Ich war ja nur ein kleiner, unbekannter Gesangsstudent. Aber ich erhielt meine Chance." Am 16. Januar 1967, um 19.30 Uhr, in einem Zimmer im ersten Stock des Deutschen Museum sang der gerade einmal 18-jährige Hlibka vor und schmetterte das hohe H im rusisschen Volkslied "Wetscherni swon" (Abendklang). Ganz so wie er es von den Aufnahmen her kannte. "Danach war es still im Raum und ich dachte das war's. Dann begannen die Bravo-Rufe des Chores". Jaroff habe nüchtern und in gebrochenem Deutsch gesagt, dass Hlibka sich bis zum Herbst vorbereiten soll. Vielleicht sei bis dahin ein Sänger ausgefallen. Dann im August 1967 kam das ersehnte Telegramm: Hlibka war engagiert - als jüngster Solist überhaupt in der Geschichte des Chores.

"Es war eine unglaubliche Zeit", erzählt Hlibka. Nicht nur konnte er seiner Leidenschaft zur russischen Musik nachgehen, sondern verdiente rund 3000 Mark im Monat. "Ende der Sechziger war das eine wahnsinnige Summe für einen jungen Mann." Auch die Tourneen - der Chor bereiste jeden nur erdenklichen Zipfel der Welt. Nur die damalige Sowjetunion, die habe Jaroff bewusst gemieden. Dabei hatte man den Chor durchaus zu Konzerten eingeladen und Jaroff sogar eine Professur angeboten.

Dessen Haltung verwundere Hlibka in keiner Weise. Während der Russischen Revolution kämpfte Jaroff als Leutnant auf Seiten der Weißen Armee in einer Brigade der Donkosaken. Nach dem Sieg der Roten floh er mit zarentreuen Einheiten in die Türkei, wo er in einem Kriegsgefangenenlager interniert wurde. 1921 erhielt Jaroff, der in Moskau bei Größen wie Sergej Rachmaninow Kirchenmusik studiert hatte, den Befehl einen Chor aus Donkosaken zu bilden. "Ich glaube, dass die Musik für die Gefangenen das widrige Leben im Lager irgendwie erträglicher gemacht hat, ihr Therapeutikum gewesen ist." Nach der Gefangenschaft professionalisierte sich der Chor: Aus ursprünglich 40 Sängern, darunter viele Laien, wurden rund 20 ausgebildete Chor- und Opernsänger. Die neue Heimat der Exil-Kosaken wurde Amerika. Keiner von ihnen ist jemals in die Sowjetunion zurück gekehrt.

"Der Name Serge Jaroff wurde während der Zeit des Kommunismus totgeschwiegen", sagt Hlibka. Erst in den letzten Jahren habe in Russland eine Aufarbeitung begonnen. "Es geht darum, dass die Menschen dort kapieren, welche künstlerische Bereicherung der Chor für dieses Land gewesen ist und der die russische Kultur in die ganze Welt getragen hat."

Seit 2001 hat Hlibka die absoluten Rechte am Namen "Don Kosaken Chor Serge Jaroff" inne. Obendrein gehört ihm seit 2007 auch das private Musikarchiv Jaroffs mit seinen originalen Arrangements russischer Kirchen-, Volks- aber auch klassischer Liedern. Darunter auch Rachmaninows "Tebe poem" (Dir singen wir), eines von Hlibkas liebsten Werken. Wie schon unter Jaroff marschieren die Sänger auch heute noch in militärischer Manier und donkosakischer Sonntagsuniform auf die Bühne. Dieses Erbe hochzuhalten, bedeute Wanja Hlibka alles.

Don Kosaken Chor Serge Jaroff, Samstag, 9. Mai, um 20 Uhr im Bürgerhaus Emmering. Restkarten an der Abendkasse.

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