Deutsche Erstaufführung an der Neuen Bühne:Wüstes Saufgelage mit einer Leiche

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Das Ensemble Hinz und Kunzt spielt "Eine heikle Sache, die Seele" des Bulgaren Dimitré Dinev. Es geht um den Tod, seine Tragik und Witz.

Sabrina Hoffmann

"Sie kamen, um zu trauern, sie blieben, um zu saufen" - mit diesem Untertitel wirbt das Plakat zum Theaterstück "Eine heikle Sache, die Seele". Er ist so überraschend wie banal, so paradox wie wahrheitsgemäß. Ein Vorgeschmack auf den schwierigen Balanceakt zwischen Melancholie und Heiterkeit, den der bulgarischstämmige Schriftsteller Dimitré Dinev in seiner makabren Komödie wagt. Das Ensemble "Hinz und Kunzt" bringt das Stück, das in Dinevs Wahlheimat Österreich bereits ein großer Erfolg ist, in den Räumen der Neuen Bühne Bruck zur deutschen Erstaufführung.

Hinter der Inszenierung stehen der BR-Redakteur Christoph Leibold aus Puchheim und Thomas Koppelt vom Theater 5, das seine Spielzeit an der Neuen Bühne für das Projekt zur Verfügung gestellt hat. Das Stück handelt von dem bulgarischen Bauarbeiter Nikodim, der tödlich verunglückt ist. Seine Kollegen, die ebenfalls aus osteuropäischen Ländern kommen und in ihrer deutschsprachigen Heimat entwurzelte Fremde sind, versammeln sich zur Totenwache. Das Treffen wird zum feuchtfröhlichen Saufgelage, bei dem die Arbeiter kurzerhand die Leiche mit an den Tisch setzen.

"Es ist ein komischer Text mit ernstem Hintergrund", erklärt Christoph Leibold zur Originalvorlage Dinevs. "Die Geschichte ist durchaus lebensnah." Nach Beerdigungen könne es beim Leichenschmaus schon einmal lustig zugehen. Humor helfe, eine Distanz zu einem überwältigenden Geschehen zu schaffen. Leibold begegnete Dimitré Dinev zum ersten Mal bei den Salzburger Festspielen. Der Autor las im BR-Studio aus seiner Kurzgeschichte "Totenwache". Der Kulturredakteur war begeistert von dem entwaffnenden Witz und der philosophischen Tiefe des Textes.

Die Bauarbeiter begeben sich auf einen existenzialistischen Grenzgang, der nicht nur Vorstellungen vom Jenseits hinterfragt, sondern auch den Sinn des irdischen Lebens. Bittere soziale Realität verbindet sich mit mythischen Bildern von Dionysos, dem griechischen Gott des Weines und des eitlen Überschwangs, und dem Fährmann Charon, der Verstorbene gegen einen Obulus auf die andere Seite des Totenflusses übersetzt.

Dinev verfasste auch eine dramatische Version des Textes - für seine Aufführung entschloss sich das Ensemble "Hinz und Kunzt" aber dazu, Lesung und Spiel zu mischen. "Wenn das Stück eins zu eins auf der Bühne aufgeführt wird, kann es zum Klamauk werden", sagt Leibold. Bei seiner Inszenierung werden deshalb Passagen aus der Erzählung zu hören sein, die sich mit gespielten Szenen abwechseln. Die Darsteller, die an diesem Abend in unzählige verschiedene Rollen schlüpfen, wollen auf diese Weise die Illusion des Theaters aufbrechen und den Zuschauern die Konstruiertheit des Theaterstücks vorführen.

Weitere Termine am 16., 20., 24. und 27. Juni. Beginn ist jeweils um 20 Uhr, am 27. um 20.30 Uhr. Karten unter 08141/6665444 oder an der Abendkasse.

© SZ vom 10.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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