Der Wandel des Einzelhandels:Ein Leerstand, der schmerzt

Läden leisten einen wichtigen Beitrag zur Belebung von Innenstädten wie der in Fürstenfeldbruck. Trotz vieler Bemühungen der Verwaltung und des Gewerbeverbands werden im Zentrum immer wieder Geschäfts- und Gewerbeflächen frei. Was jedoch nicht als besorgniserregend gilt

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Glaubt man der Statistik, dann gibt es kein Problem mit leer stehenden kleinen Geschäften in der Kreisstadt. Wie aber passt dies zusammen mit den Eindrücken, die man beim Rundgang durch die Innenstadt gewinnt? Wie passt dies zusammen mit gähnend leeren Schaufenstern, mit großformatigen Plakaten, die vom "Total-Räumungsverkauf" künden? Zumindest ein Eindruck bestätigt sich: Wer in Fürstenfeldbruck einen Laden eröffnet, der muss eine sehr gute Geschäftsidee haben, vor allem aber einen langen Atem. Gleichwohl gelingt es zahlreichen kleinen Familienbetrieben, sich über die Jahre zu behaupten. Auffällig ist, dass die Geschäftsleute kaum über die Konkurrenz Internet oder auch die Nähe zur Großstadt München klagen - größere Sorgen bereitet ihnen offenbar die angespannte Parkplatzsituation.

Die beste Einkaufslage in der Kreisstadt ist die Hauptstraße zwischen Rathaus und Amperbrücke, gefolgt von Schöngeisinger und Pucher Straße. Auch dort freilich setzt sich ein Trend augenscheinlich fort: Kleine Geschäfte mit einem eng zugeschnittenen Sortiment scheinen auf dem Rückzug zu sein, die Lücken werden dann von Versicherungsbüros, Nagel- und Kosmetikstudios, Handyläden, Fahrschulen, Immobilienmaklern, Friseuren, Wettbüros, Goldankaufstellen und Brillengeschäften gefüllt. Deutlich wird aber auch, dass abgesehen von einigen über Jahre leer stehenden Geschäften die Räumlichkeiten bald wieder anderweitig genutzt werden. Auf Modegeschäfte folgen Druckertankstellen, auf Druckertankstellen Fitnessstudios, die Abnehmen in ein paar Stunden versprechen.

Der Wandel des Einzelhandels: Heruntergelassene Gitter: Die einstige Apotheke im traditionsreichen Haus Bausewein an der Schöngeisinger Straße.

Heruntergelassene Gitter: Die einstige Apotheke im traditionsreichen Haus Bausewein an der Schöngeisinger Straße.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Schnelle Wechsel können freilich auch eine Abwärtsspirale in Gang setzen, vor der Diplomgeograf Michael Seidel von der Beratungsgesellschaft Cima warnt, der 2011 im Auftrag der Stadt die Situation im Einzelhandel untersucht hat. Der klassische Weg nach unten: Erst kommt das Fachgeschäft, dann der Billigfilialist, dann der Ein-Euro-Laden, dann die Änderungsschneiderei, dann das Tattoo-Studio - und dann der andauernde Leerstand. Die Studie hatte damals die Stadt im Kern in deren Strategie bestärkt, den Geschäften durch die Steigerung der Aufenthaltsqualität im Zentrum und die Schaffung eines "Magneten" zu helfen. Potenzielle Kunden sollen zu einem Bummel animiert werden - und zum Besuch der Geschäfte.

Als schwierig hat sich das in Fürstenfeldbruck deshalb erwiesen, weil die Verlegung der Bundesstraße 2, an deren Stelle sogar eine Fußgängerzone denkbar gewesen wäre, ebenso per Bürgerentscheid zu Fall gebracht worden ist wie die Bebauung des Viehmarktplatzes mit einem großen Wohn- und Geschäftshaus. Diesem Haus war die Rolle des "Magneten" zugedacht gewesen: Ein großer Elektromarkt und möglicherweise die Filiale einer großen Bekleidungskette sollte die Kundschaft ins Brucker Zentrum locken. Einige etablierte Geschäftsleute sahen darin eher Konkurrenz denn Bereicherung, vor allem aber erschien den meisten Bruckern die Bebauung als zu massiv. An ihrer Stelle soll nun eine architektonisch spannende Markthalle errichtet werden - die bislang oberirdischen Stellplätze dürften dafür in eine Tiefgarage verlegt werden.

Der Wandel des Einzelhandels: Das Bekleidungsgeschäft gegenüber von Betten Wachter hat ebenfalls dicht gemacht.

Das Bekleidungsgeschäft gegenüber von Betten Wachter hat ebenfalls dicht gemacht.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Projekt zieht sich schon seit Jahren hin. Das ist offenbar aus Sicht der Stadt zumindest mit Blick auf die Leerstände verschmerzbar. Denn die Situation wird nicht als besonders besorgniserregend eingestuft. Aliki Bornheim, Wirtschaftsförderin der Stadt, verweist auf eine Erhebung aus dem März. Erfasst wurden dabei die Leerstände in Erdgeschosslage in der Innenstadt. Ergebnis: Lediglich elf der zum damaligen Zeitpunkt erfassten 315 Ladenlokale standen leer. Wiederum fünf dieser Objekte wurden anhand von Aushängen im Schaufenster oder Inseraten auf den gängigen Immobilienplattformen beworben. Bornheim: "Drei der sechs Objekte, die nicht aktiv angeboten werden, stehen seit mehr als drei Jahren leer - bei einem Objekt ist der Abriss des Gebäudes geplant." Ihrem Eindruck zufolge kamen zwar zwischenzeitlich vier weitere leer stehende Ladenlokale hinzu. Im Gegenzug seien aber zwei bislang leer stehende Läden neu vermietet worden. Mögliche Gründe für Leerstände seien vor allem die Lage, Größe und Zustand sowie die (meist zwischen zehn und 15 Euro pro Quadratmeter schwankenden) Mieten, aktuelle Entwicklungen im Einzelhandel und die individuellen Ansprüche der Vermieter - denn auch diese lassen Immobilien manchmal lieber ein paar Monate ungenutzt, bevor sie einen Billigladen akzeptieren und damit die Abwärtsspirale in Gang setzen.

Das Einzelhandelskonzept hatte 2010 eine Leerstandsquote von gut sieben Prozent ausgewiesen, die damit unter dem seinerzeit häufig genannten deutschlandweiten Durchschnitt von zehn Prozent lag. Auch wenn der Prozentsatz mittlerweile sogar noch gesunken sein dürfte, räumt Aliki Bornheim ein, dass "natürlich jedes leer stehende Ladenlokal schmerzt".

Ähnlich äußert sich Gewerbeverbandschef Franz Höfelsauer, der darin eine Beeinträchtigung des "städtischen Gesamtbildes" sieht. Im Sinne der Aufenthaltsqualität könne es auch nicht sein, wenn die Lücken im Erdgeschoss von Büros geschlossen werden. Der Gewerbeverband hatte jüngst vorgeschlagen, kleine, leer stehende Läden anzumieten und diese dann an Startups zu vermitteln. Bis zu sechs Monate hätte man diesen dann in der schwierigen Anlaufphase die Miete vergünstigen oder stunden können, so die Idee. Der Stadt sei das aber zu teuer gewesen, so Höfelsauer. Gleichwohl könnten Stadt und Verband angehenden Ladenbesitzern dabei helfen, wichtige Kontakte herzustellen.

Kornacher

Stadtbaurat Martin Kornacher will längere Leerstände in Bruck verhindern.

(Foto: Günther Reger)

Auch das Brucker Netz, das von BBV-Stadtrat Andreas Ströhle initiiert worden war und noch im September neu starten soll, könne einen Beitrag leisten - indem es zusätzliche Vermarktungsmöglichkeiten im Internet erschließt. Höfelsauer warnt davor, die Situation im Einzelhandel schlecht zu reden. Trotz der Lage zwischen München und Augsburg finde man in Bruck bis heute ein umfassendes Warenangebot: "Es gibt alles, was man braucht." Und die Stadt habe ihren Teil dazu beigetragen, indem sie eine Ansiedlung großer Einzelhandelsbetriebe auf der Grünen Wiese oder auch im Gewerbegebiet Hasenheide erfolgreich verhindert habe.

Hinter dieser Strategie steht erklärtermaßen auch Stadtbaurat Martin Kornacher: "Läden stellen einen wichtigen Anziehungs- und Ausgangspunkt dar für das, was man oft städtisches Leben nennt. Die Kunden tragen nicht nur auf dem Hin- und Rückweg zu einem vielfältigen, urbanen Miteinander insbesondere im öffentlichen Raum bei. Nicht zuletzt bindet ein Laden in jeweils unterschiedlichem Umfang Kaufkraft an einem Ort." Ergo: Wenn sich mehrere Läden in der Innenstadt konzentrieren, ist es für potenzielle Kunden attraktiver, diesen Ort aufzusuchen, weil sie dort mehrere Dinge ohne lange Wege erledigen können. Im Idealfall trinkt man hier einen Kaffee, kauft dort beim Metzger ein und schaut dann noch beim Schuhladen, beim Haushaltswarengeschäft und beim Naturkostladen vorbei.

Bruck: RATHAUS - BGM Sepp Kellerer / Aliki Bornheim / Roland Klehr

Wirtschaftsförderin Maliki Bornheim.

(Foto: Johannes Simon)

Um dies zu unterstützen, weigert sich die Stadt in der Regel auch, vakante Ladenlokale per Bebauungsplanänderung zu Wohnungen umzunutzen, mögen die auch begehrt sein und für den Hausbesitzer einträglich. Bruck will nicht Klein-Waldperlach-Schlafstadt werden. Die Einflussmöglichkeiten der Stadt sind über den Hebel des Planungsrechts hinaus freilich begrenzt. Spielhöllen kann man noch einigermaßen gut auf gewisse Bereiche beschränken, so wie dies Bruck jüngst mit einem detaillierten Vergnügungsstättenkonzept getan hat. Ansonsten aber bleibt es dem freien Spiel der Marktkräfte vorbehalten, in welchen Räumen welcher Gewerbebetrieb eröffnet - sofern Auflagen und Lärmschutz erfüllt werden.

Die Steigerung der Attraktivität im Sinne der Kunden wie auch der Geschäftsleute ist freilich so etwas wie die Quadratur des Kreises. Wer Fußgängern und Radfahrern Vorfahrt vor dem Auto einräumen will, macht einerseits alles richtig. Andererseits aber wissen eben jene Kunden zwar ein ruhiges und attraktives Ambiente zu schätzen, fahren selbst aber am liebsten mit dem Auto bis direkt vor die Ladentür. Matratzen lassen sich in der Tat auch nur unter erschwerten Umständen per Fahrrad abtransportieren. Deutlich wird das Dilemma bei einem Gespräch mit Susanne Gönner von Betten Wachter an der Schöngeisinger Straße. Der Familienbetrieb zählt zum Kreis der alteingesessenen Geschäfte, so wie beispielsweise Haushaltswaren Tienemann, Schreibwaren Schlegel oder auch der Obst- und Gemüsehändler Mustafa Yalcingil. Betten Wachter behauptet sich vor allem mit Hilfe seiner Stammkunden und hebt sich mit maßgeschneiderten Angeboten, Service und Beratung offenbar erfolgreich von der Billigkonkurrenz und dem Internet ab - Matratzen werden schon mal genau ausgemessen und ins Haus geliefert, Federbetten angepasst. Bei Kunden kommt es dem Vernehmen nach an, wenn ihnen Zusatzwünsche ohne großes Brimborium und Aufpreis erfüllt werden. Sorgen bereitet den Geschäftsleuten aber vor allem die Parkplatzsituation. "Die Kunden wollen nicht am Volksfestplatz parken und hierher laufen, sie wollen vor dem Geschäft parken. Und auch die Mitarbeiter, die eben nicht in Bruck wohnen, brauchen einen Parkplatz", sagt Susanne Gönner. Sie sieht auch die vielen, teils rücksichtslosen Radfahrer auf dem Bürgersteig kritisch. Vor allem aber blickt sie überraschend skeptisch auf Veranstaltungen wie Marktsonntage, Altstadtfeste, Modenacht oder Autoschau, von der sich die Stadt doch gerade ein Plus an Attraktivität verspricht. Denn dann wird weiträumig für Autos abgesperrt - und da könne man erfahrungsgemäß eigentlich gleich zusperren.

Im Herbst laden Stadt und Gewerbeverband zum "Runden Tisch Einzelhandel" ein, um in zwanglosem Rahmen über die Themen zu sprechen, die Einzelhändler und Stadt beschäftigen.

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