Daniel Hope zu Gast in Germering:"Das Publikum wird oft unterschätzt"

Der Geiger Daniel Hope gehört zu den interessantesten Künstlern seiner Generation. Ein Gespräch über Fleiß, Kommunikation und guten Rotwein

Von Florian J. Haamann

Daniel Hope

Ausruhen gehört definitiv nicht zu Daniel Hopes Stärken. Viel lieber arbeitet er an neuen Projekten, hört Musik oder übt - bis zu sechs Stunden täglich.

(Foto: harald hoffmann)

Daniel Hope gehört zu den wichtigen Namen der klassischen Musik. Nicht nur, weil er ein hervorragender Geiger ist, sondern auch, weil er ein charismatischer Botschafter seines Genres ist. Denn die Kommunikation mit den Hörern ist für ihn ein ganz wichtiger Teil seiner Arbeit. Egal ob im Internet, in Interviews oder während seiner Konzerte. In seinem aktuellen Album "Spheres" beschäftigt er sich mit der Idee der Sphärenmusik. Der antiken Vorstellung also, dass Himmelskörper bei ihren Bewegungen Töne produzieren, die einen für den Menschen unhörbaren harmonischen Gleichklang bilden. Am Wochenende gastiert er mit dem Münchner Orchester am Jakobsplatz in der Stadthalle Germering und präsentiert Ausschnitte aus seinem Album sowie eine von Max Richter bearbeitete Version von Vivaldis Vier Jahreszeiten.

Herr Hope, Sie haben einmal die klassische Musik mit einem Glas guten Rotweins verglichen. Was haben Sie denn damit gemeint?

Daniel Hope: Ich wurde damals gefragt, was der Unterschied zwischen Pop- und klassischer Musik ist. Und da habe ich, vielleicht etwas voreilig, die beiden mit Champagner und Rotwein verglichen. Für mich ist es so, dass der Champagner eben sofort wirkt, man bekommt einen leichten Rausch und nach ein paar Tagen oder schon am nächsten Morgen, weiß man nicht mehr genau wie er geschmeckt hat.

Und der Rotwein?

Bei einem tollen Rotwein ist es so, dass es manchmal sehr viel Zeit braucht, bis er schmeckt, bis man versteht, wie komplex er ist. Und wenn man einen wirklich ausgezeichneten Tropfen zu sich nimmt, dann kann es sein, dass man sich noch Jahre später genau an den Geschmack erinnert.

Was ist Ihnen eigentlich lieber? Ein gutes klassisches Konzert oder eine gute Flasche Rotwein zusammen mit Freunden?

Das ist wirklich schwierig. Natürlich ist die Musik für mich das Wichtigste. Aber Musik ohne Freundschaft und ohne eine gewisse Liebe ist auch unvorstellbar für mich. Und ich genieße die Gesellschaft von guten Freunden sehr. Dazu gehört es für mich auch, einen tollen Tropfen Wein zu verkosten. Aber selbst der beste Wein der Welt wäre nichts ohne Musik. Von daher ist für mich immer Musik an erster Stelle.

Setzen Sie sich auch mal zu Hause hin und hören eine CD, oder gehen Sie vor allem in klassische Konzerte?

Das mache ich wirklich wahnsinnig gerne. Nicht so oft, weil ich kaum zu Hause bin. Wenn ich aber tatsächlich mal den Luxus habe, daheim zu sein, dann gibt es für mich nichts Schöneres, als diese alten Aufnahmen. Insbesondere die ganz alten Geiger vom Anfang des 20. Jahrhunderts - und dabei einen wunderbaren Tropfen. Mehr geht nicht.

Erinnern Sie sich an die letzte CD, die Sie gehört haben?

Ich muss sagen ich bin etwas faul und auf MP3 umgestiegen, weil es so einfacher ist, meine gesamte Plattensammlung abzurufen, die Tausende CDs und Platten beinhaltet. Aber ich höre immer sehr gerne die großen Meister wie Fritz Kreisler, Adolf Busch, Mischa Elman und Jascha Heifetz. Also das sind für mich die Sternstunden.

Und auf Ihrem MP3-Player ist nur Klassik, oder auch etwas anderes?

Auf meinem Player ist einfach alles zu finden. Von Popmusik über indische Musik, Jazz, bis hin zu Neuerem, Experimentellem. Und natürlich auch Oldies. Wirklich bunt gemischt eben.

Gibt es auch aktuelle Popmusik, die Ihnen gefällt?

Das ist problematisch. Also es gibt einen sehr interessanten Künstler, den ich relativ oft höre: Devendra Banhart. Der macht eine Art von Popmusik, die ich interessant finde. Das bedeutet, er hat etwas zu sagen. Es ist nicht dieser massenproduzierte Pop, sondern bei ihm sind wirklich sehr viele Gedanken dahinter. Die Texte sind witzig, spritzig und er malt in musikalischen Farben, die mein Ohr aufhorchen lassen. Aus diesem Grund muss ich sagen, dass ich mehr Affinität zu den älteren Popmusikern habe, wie zum Beispiel Prince oder teilweise auch Sting, das ist die Art von Melodien, von Musikaufbau, der mir mehr zusagt als etwas, bei dem es einfach nur um Rhythmus und Klang geht.

Warum gibt es das in den jungen Generationen nicht mehr?

Ich weiß es nicht genau. Also beispielsweise ein Bob Dylan, der seiner Zeit einfach aus der Seele gesprochen hat, der fehlt heute. Manchmal, bei Künstlern wie Lady Gaga zum Beispiel, entdecke ich noch Seiten, die ich tatsächlich sehr spannend finde. Aber das meiste ist einfach im Studio so glattgebügelt, von der Stimme bis hin zur Instrumentierung, dass es mein Gehirn sozusagen völlig kalt lässt, und bei dieser Musik muss ich einfach sofort wegschalten, das kann ich nicht ertragen...

...dann hören Sie wahrscheinlich auch selten Radio?

Manchmal hört man vielleicht ein schönes Lied, aber dann geht's gleich wieder daneben. Und damit ich dann nicht direkt einen Unfall baue, wechsle ich doch lieber den Sender.

"Auf der Geige wird dir kein einziger falscher Ton verziehen"

Sie sprechen viel von Ihrer Liebe zur Musik. Wie definieren Sie eigentlich ihre Rolle als Musiker?

Daniel Hope, 2001

Daniel Hope mit Geige.

(Foto: obs)

Es geht mir darum , die Musik dieser gigantischen Komponisten weiterzugeben, ihre Gedanken für das Publikum zu übersetzen. Und dabei einfach zu wissen, dass wir als Interpreten ganz klein gegen einen Mozart oder einen Beethoven sind. Lächerlich klein sozusagen. Aus diesem Grund ist es extrem gefährlich, sich als Interpret zu ernst zu nehmen. Wir haben eine Rolle und wir haben eine eigene Persönlichkeit, das muss natürlich rüber kommen. Aber das ist nicht das Ziel. Das Ziel ist, diese Musik lebendig zu machen.

Ist das klassische Konzert, bei dem ein Musiker im Mittelpunkt steht, dann überhaupt die richtige Form, um Musik zu vermitteln?

Ich denke schon. Man muss die Leute erst einmal in den Saal locken und dort muss man sie dann abholen, sie ein bisschen bei der Hand nehmen. Ich tue das, indem ich meistens ein Programm gestalte, von dem ich das Gefühl habe, dass es eine Geschichte erzählt. Bei Konzerten erzähle ich manchmal etwas über die Stücke, bevor oder während ich sie spiele. Damit das Publikum merkt, dass da mehr dahinter ist, als nur die Musik. Das Publikum wird meines Erachtens nach viel zu oft unterschätzt und man müsste ihm manchmal mehr bieten, als wir es tun.

Was den Publikumskontakt angeht, gehören Sie zu den besonders aktiven klassischen Musikern. Würden Sie sich in dieser Beziehung mehr Kollegen an Ihrer Seite wünschen?

Das ist ein schwieriges Thema. Ich verstehe meine sehr geschätzten Kollegen, die sagen: "Nein, das ist nicht mein Ding. Ich spüre Musik anders, ich möchte sie spielen und nicht darüber sprechen." Das muss man akzeptieren und respektieren. Trotzdem es gibt Künstler, die das wirklich toll können, und ich finde, dass die, die bereit sind diesen Weg zu gehen, noch viel aktiver und energischer sein müssten. Weil man einfach sieht, was für eine Resonanz und was für ein enormer Austausch da stattfindet.

Wie könnte man denn mehr Künstler dazu bringen?

Ich finde, man müsste jungen Künstlern von vorneherein beibringen, wie man mit dem Publikum kommuniziert. Ob sie das dann einsetzen, ist deren Sache. Aber sie sollten wissen, welche Möglichkeiten es gibt. Da geht es nicht nur darum, zu moderieren oder zu sprechen, sondern auch, Konzertserien zu planen oder ein kleines Festival zu gründen. Oder einfach mal über Programmierung nachzudenken. Wenn sie zurückgehen ins 19. Jahrhundert und sich Josef Joachim, Johannes Brahms oder Felix Mendelssohn anschauen: Was die für Programme konzipiert haben, ist der Wahnsinn. Heutzutage sind wir weit davon entfernt, so erfinderisch zu sein wie diese Künstler damals. Natürlich muss das Technische dabei immer an erster Stelle bleiben.

Sie selbst überraschen ständig mit neuen Projekten. Sind Sie eigentlich ein Mensch, der schnell das Interesse an alten Dingen verliert, oder haben Sie einfach eine unstillbare kindliche Neugier?

Ich sage immer, ich leide an einer Überdosis kreativer Ideen. Mein Problem ist, dass ich überall Dinge finde, die mich neugierig machen. Und das geht eigentlich immer über meine Ohren. Ich höre etwas und dann entstehen Ideen, Projekte, Konzepte in meinem Kopf, und wenn ich mich ihnen widme, dann entsteht nicht nur ein Konzert, sondern ein ganzes Programm, ein Projekt. Manchmal trage ich diese Ideen jahrelang mit mir herum.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Das Spheres-Projekt hatte ich im Kopf, seit ich acht oder neun bin. Nicht in dieser Art und Weise natürlich, aber die Idee mit den Planeten, der Musik, den Sternen. Trotzdem habe ich über 25 Jahre darüber nachgedacht, bis ich irgendwann eine BBC-Radiosendung gehört habe, in der Wissenschaftler darüber gestritten haben, ob es dieses Phänomen überhaupt gibt und wenn ja, wie man es beweisen könnte. Und plötzlich hatte ich die Idee, Stücke zusammenzubauen, die einen sozusagen anderswohin transportieren. Sie sehen, ich verliere das Interesse nicht schnell, ganz im Gegenteil. Es dauert manchmal wahnsinnig lange - und dann lasse ich nicht mehr los.

Wie war das denn damals in der Schule mit Ihrem kreativen Überschuss?

Das war ein Desaster für mich! Ich habe die Lehrer, meine Freunde und meine Eltern in den absoluten Wahnsinn getrieben. Ich wollte immer alles sofort wissen und verstehen. Und so bin ich noch heute. Wenn ich merke, ich kann etwas nicht wirklich gut, dann lasse ich es lieber. Das ist mir geblieben: dieses Ehrgeizige, diese Entdeckerseite.

Hat sich Ihr Verhalten in der musikalischen Ausbildung geändert?

Das war sehr interessant. Als ich angefangen habe, richtig Geige zu lernen, habe ich gemerkt, wie weit ich von anderen Geigern in meinem Alter entfernt war. Ich habe verstanden, dass ich richtig hart arbeiten muss, um auf dieses Niveau zu kommen. Das war eine komplette Umstellung meiner Gedanken, und das war gut so. Weil mich das zurück auf den Teppich gebracht hat, den Teppich der Realität. An dem ich bis heute klebe. Das heißt, ohne tägliche Übung ist es für mich nicht machbar.

Wie lange üben Sie denn am Tag?

Wenn ich die Chance habe, sechs Stunden. Und wenn ich das nicht schaffe, was natürlich beim Reisen sehr oft passiert, dann sind es mindestens vier Stunden. Aber ohne das ist es einfach nicht machbar, ein Berg-Violinkonzert, ein Strawinski-Violinkonzert oder einen Schostakowitsch zu bringen. Auf der Geige wird dir kein einziger falscher Ton verziehen. Dann steht es gleich in den Zeitungen und ist am nächsten Tag bei Youtube zu sehen und wird kommentiert von Menschen, die auf einmal die besten Kritiker sind.

"Ich habe alles verworfen und mir einen neuen Ansatz überlegt"

Sie sind also jemand, der sehr hart und intensiv arbeitet. Wie war das bei Ihrem aktuellen Album?

Ich habe mich an den Computer gesetzt und angefangen zu recherchieren. Welche Stücke könnte man für eine sphärische CD verwenden? Schnell hatte ich ungefähr 3500 zusammen und mir war klar, dass das niemals auf eine CD passt. Also habe ich alles verworfen und mir einen neuen Ansatz überlegt.

Und zwar?

Ich habe darüber nachgedacht, ob es möglich wäre, in relativer kurzer Zeit Komponisten zu beauftragen, etwas zu schreiben. Dann habe ich mich hingesetzt, mir Komponisten angehört und die ersten Anfragen gestartet. Und plötzlich war da die Idee einer Reise mit kürzeren Stücke, Mosaiksteinchen quasi. Zusätzliche habe ich dann Stücke genommen, die es schon gab und von denen ich das Gefühl hatte, sie treffen die Idee von außerweltlicher Musik. Das ist natürlich immer eine ganz persönliche Idee. Es mag Leute geben, die sagen, das alles hat mit Sphärenmusik nichts zu tun. Für mich hat es das.

Was war für Sie besonders wichtig bei der Konzeption des Albums?

Die Dramaturgie. Wie ein Stück ins andere übergeht, wie die Tonart ist, wie es sich verändert. Ich versuche, den Hörer dazu zu bringen, dass er auf diese Reise mitgeht. So habe ich alles über lange, lange Zeit immer wieder zusammengepuzzelt.

Haben Sie aus der Beschäftigung mit diesem Thema auch eine persönliche Erkenntnis gezogen?

Der Kern dieses ganzen Prinzips ist für mich folgender: Was Musik ist, kann man nicht messen, nicht beschreiben. Die Emotionen, die sie aus den Leuten herauskitzelt. Dennoch, so die mathematische Aussage, ist die Schwingung berechenbar. Dieser Gegensatz fasziniert mich. Und er zeigt mir, dass die Musik über allem steht.

Am Wochenende spielen Sie gemeinsam mit dem Orchester Jakobsplatz aus München. Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen?

Ich bin schon vor einiger Zeit auf dieses Orchester aufmerksam geworden, weil die Programme, die es gemacht hat, in meinen Augen sehr spannend waren. Und ich habe nach einem Orchester gesucht, das Zeit und Lust hätte, das Projekt zu machen. Dann haben wir das zusammen geprobt und im März in München zum ersten Mal gespielt. Das hat große Freude gemacht. Und daraus ist die Idee einer weiteren Aufführung gekommen.

Wie würden Sie das Orchester beschreiben?

Ich finde, der Zugang zum Repertoire ist etwas, was das Orchester ausmacht. Der Chefdirigent Daniel Grossmann macht das in meinen Augen sehr gut, indem er verschiedene Musikepochen miteinander kombiniert und natürlich auch indem er das Repertoire mit dem Jüdischen verbindet. Außerdem finde ich, dass es ein sehr energiegeladenes Ensemble ist, das aus sehr guten Musikern besteht. Solche Kammerorchester mag ich einfach gerne, mit denen man offen kommunizieren kann.

Haben Sie eigentlich schon einmal in der Stadthalle Germering gespielt?

Nein, noch nie. Es ist immer schön, nach so langer Zeit - ich stehe seit 25 Jahren auf der Bühne - noch eine neue Stadt entdecken zu dürfen, eine neue Halle, ein neues Publikum. Das ist wunderbar. Es gefällt mir, dass ich mit 40 Jahren sozusagen noch mein Debüt geben kann.

Aber bestimmt haben Sie sich schon umgehört, wie die Akustik ist.

Ich habe tatsächlich schon seit langem immer wieder von diesem Saal gehört. Die Leute haben ihn mir sehr ans Herz gelegt, nur leider hatte ich bisher noch nicht die Gelegenheit dort zu spielen. Deswegen freue ich mich sehr auf das Konzert.

Daniel Hope mit dem Orchester am Jakobsplatz, Samstag, 5. Oktober, um 19.30 im Orlandosaal der Stadthalle Germering. Karten von 29 bis 39 Euro über die Homepage www.Stadthalle-Germering.de oder telefonisch unter 089/54818181.

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