Crowdfunding:Massenfinanzierung

Tagung zur Zukunft von Krediten und Investitionen

Von Lena von Holt

FürstenfeldbruckVor 30 Jahren, als Ingolf Brauner, Präsident der Firma "Mittelstand Bayern", sein eigenes Unternehmen gründete, bekam er problemlos 50 000 Deutsche Mark Startkapital von der Bank seines Vertrauens. Heute sei das anders, erklärt er auf dem Podium des "Cash Praxistages Finanzen" im Veranstaltungsforum Fürstenfeld.

Brauner erzählt von einem Startup aus Gröbenzell, dass sich vor kurzem bei vier Banken um einen Kredit für eine Geschäftserweiterung beworben hat. Aus Mangel an Sicherheit habe ihm keine einzige einen Kredit bewilligt. Schuld daran sind laut Brauner EU-Regelungen, die Banken zu diesen Vorkehrungen zwingen. Anders als früher, als ihm der Bankdirektor nach einem persönlichen Gespräch kurzerhand einen Kredit bewilligte, würden heute viele Hierarchien und Bürokratie das Verfahren erschweren.

Aber nicht alles ist schlechter geworden in der Finanzwelt. Während früher nur die Bank als Geldgeber in Frage kam, gebe es mittlerweile viele Möglichkeiten, um an Geld zu kommen. Eine Alternative zu klassischen Finanzierungen bietet "Crowdfunding", auf Deutsch auch Schwarmfinanzierung. Die Idee des Crowd-Prinzips stammt aus den Sozialen Medien wie Facebook, bei denen Inhalte durch Freunde schnell und unkompliziert weitergegeben werden können, erklärt Levin Brunner von "Conda", einem österreichischen Crowdinvesting-Unternehmen. Auch das Onlinelexikon Wikipedia funktioniert nach diesem Prinzip: Statt einzelner Personen, tragen auch hier viele Menschen mit kleinen Beiträge zu etwas Großem bei. Bloß, dass es in diesem Fall um Geld, statt um Inhalte geht.

Auf Plattformen wie startnext.com oder kickstarter.com kann man die Onlinegemeinschaft um finanzielle Unterstützung für sein Projekt bitten. Wenn jeder ein wenig spendet, ist auf diese Weise schnell eine recht große Summe zusammen. Um erfolgreich zu sein, muss es vor allem gelingen, potenzielle Förderer von seiner Idee zu überzeugen. In Amerika und Skandinavien würden über diesen jungen Finanzierungsweg, den es seit 2010 auch in Deutschland gibt, bereits sechsstellige Summen zusammenkommen.

Brunner unterscheidet zwischen zwei Formen des Crowd-Finanzierens. Beim "Crowdfunding" investieren vornehmlich private Nutzer in Projekte oder Produkte. Das geschieht entweder auf Spendenbasis, weil sie die Idee unterstützenswert finden oder in Erwartung, im Gegenzug eine Belohnung, zum Beispiel die produzierte CD zu erhalten. Brauner spricht von einer Vorfinanzierung, ohne die sich der Künstler die Umsetzung seiner Idee gar nicht leisten könnte. Oftmals würde das fertige Produkt dann erst in ein bis zwei Jahren geliefert werden. Sollte die Umsetzung nicht zu Stande kommen, zum Beispiel weil sich nicht genug Käufer finden, erhalten die Investoren ihr Geld zurück.

Beim sogenannten "Crowdinvesting", zu dem sich Conda zählt, können Investoren gezielt in Startups und Unternehmen investieren. Vorausgesetzt die Idee funktioniert und setzt sich auf dem Markt durch, wird ihnen das Geld nicht nur zurückgezahlt, sie erhalten durch Zinsen sogar einen Gewinn, ähnlich wie bei einer Aktie. In Deutschland, so Brunner, sei es bisher noch schwer, diese Finanzierungsform in ihrer reinen Form zu betreiben. Mit dem Kleinunternehmergesetz im vergangenen Koalitionsvertrag habe die Regierung allerdings beschlossen, die Sparte "Crowdfinance" zu stärken.

Statt einem klassischen Investor, der auf einem Schlag an die 50 000 Euro in ein Projekt steckt, geben beim "Crowdinvesting" viele Investoren kleinere Beträge zwischen 100 und 5000 Euro. Während sich der klassische Investor meist viel Zeit lässt, um Projektidee und Businessplan zu studieren und aufgrund der hohen Summe recht anspruchsvoll ist, würden sich Crowd-Investoren auf Plattformen wie Conda lediglich zwischen sieben Minuten und drei Stunden Zeit nehmen, bevor sie in ein Unternehmen investieren. Die schnelleren zählt Brunner zu den emotionalen Käufern, die eher kleinere Summen von 100 Euro anlegen. Etwas länger bräuchten die "rationalen Entscheider", welche die entsprechend größeren Beträge von bis zu 5000 Euro in die Projekte stecken. Da allein das Video, in dem man seine potenzielle Investoren für sein Vorhaben gewinnen will, vier Minuten dauert, sei es besonders wichtig, dort alle Informationen überzeugend unterzubringen.

Die Crowd-Finanzierung eigne sich nicht nur für Gründer, sondern auch für bestehende regionale Firmen und Kleinunternehmen, erklärt Brunner. Giesinger Bräu, ein Münchner Kleinunternehmen, habe auf diesem Weg 700 000 Euro gesammelt. Aber Crowd-Investitionen sind nur einer von vielen aktuellen Trends, denen sich die Fachvorträge auf dem Cash Praxistag angenommen haben. 80 Personen hatten sich im Vorfeld für die Veranstaltung angemeldet und sind aus München, Landsberg und Starnberg angereist. Doch es geht nicht nur darum, das unternehmerische Wissen auf dem neuesten Stand zu bringen. In erster Linie ist das Forum an diesem Tag ein Begegnungsort für selbstständige und mittelständische Unternehmer und bietet ihnen die Möglichkeit, sich miteinander zu vernetzen.

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