Clash der Kulturen:Gumboots und Gstanzl

Bayern trifft Südafrika. Und das geht besser zusammen, als manche denken

Jörg Konrad

Gibt es sie tatsächlich, diese in sich abgeschotteten Kulturen, die sich von anderen Regionen völlig unabhängig und losgelöst entwickeln und selbst nur wenig Einfluss auf andere geografische Gebiete ausüben? Diesen Fragen sind in der Vergangenheit schon so populäre und unterschiedliche Zeitgenossen wie Thor Heyerdahl oder Hubert von Goisern nachgegangen, wobei die Antworten nicht in jedem Fall ganz eindeutig ausfielen.

Auch Michael Well, von der einstigen aber jetzt schon unsterblichen Biermösl Blosn, könnte dieser Frage nachgegangen sein, als er zum wiederholten Mal die Corroboration Gumboot Dancers aus Südafrika nach Deutschland holte. Denn wie diese jungen Männer, zwischen zehn und zwanzig Jahre alt, in ihren robusten Gummistiefeln tanzend und stampfend über die Bühne fegen, das erinnert doch recht stark an eine altbayrische Tradition - das Schuhplattln. Aber trotzdem die NouWell Cousines, wie am vergangenen Sonntag im Puchheimer Kulturzentrum Puc, als eine Art Brückenbauer zwischen Nord und Süd fungierten, war die Frage, wer wen beeinflusst hat, im Grunde völlig nebensächlich.

Viel wichtiger erschien die dem harten Alltag entrissene und mit einfachsten Mitteln choreografierte Show, die für die Beteiligten Protagonisten zugleich Hoffnung bedeutet, dem eigenen Leben wieder eine Perspektive zu geben. Denn auf der Grundlage eines alten rhythmischen Codes, mit dem sich in den südafrikanischen Minen die Bergarbeiter unter Tage verständigt haben, baut dieses Sozialprojekt auf. Aus der auf Gummistiefeln und Körpern getrommelten Sprache und den dazugehörigen Gesängen wird ein Ballett, dessen polyrhythmischer Groove direkt ins Herz und in die Beine zielt und dessen visuelle Präsenz in Perfektion und Begeisterung an die Arbeit professioneller Tänzer globaler Pop-Acts erinnert - und dabei unter ganz spartanischen Bedingungen in den Armenvierteln Südafrikas entsteht.

Hochmotiviert tanzen die jungen Leute und bringen ein Lebensgefühl in den Saal, das gekennzeichnet ist von schwerer Unterdrückung und spürbarem Stolz, von großer Armut und positivem Glauben. Egal, ob sie dabei den klassischen Gummistiefel-Tanz kreieren (der übrigens als ein Vorläufer des Stepptanzes gilt), oder kulturelle Einflüsse aus ihrem Township der vergangenen Jahrzehnte von Jive bis Techno reichend in Szene setzen - sie bringen ihr Lebensgefühl und ihr Temperament hautnah und authentisch zum Ausdruck.

Zwischendurch entern dann die NouWell Cousines einen kleinen Teil der Bühne im Puchheimer Kulturzentrum und sorgten mit ihren Gstanzln, finnischen und rumänischen Tanzliedern, ihrem Zwiefachen und den frech-fröhlichen Texten für ein Kontrastprogramm der besonderen Art. Eigentlich gehen die Well-Töchter und der Berliner Alexander Maschke mit ihren Volksmusikinstrumenten einen völlig anderen künstlerischen Weg als die Corroboration Gumboot Dancers aus dem Township Ratanda. Trotzdem passen diese beiden nur scheinbaren Gegensätzlichkeiten in ihrer Ursprünglichkeit genial zusammen, fanden Kulturen mit ihren eigenen Ansprüchen eine gemeinsame Sprache. Und zum Abschluss gab es dann den eigentlichen, wenn auch nur kurzen Höhepunkt: Maria und Maresa Well, umringt von den staunenden Gumboot Dancers und musikalisch unterstützt von einem Dreivierteltakt, haben eine überzeugende Kostprobe ihres Könnens im Schuhplattln abgeliefert. Ohne Gummistiefel.

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